Koschka hat geschrieben:@Rabaukenmama
Das ist halt die Frage, wieviel man als Eltern beeinflussen kann. Ich tendiere zu der Aussage: charktertechnisch eher wenig bis gar nichts, aber in den Belangen des praktischen Lebens schon beträchtlich. Die Kinder sind schon sehr davon abhängig, welche Umgebung ihre Eltern ihnen verschaffen. Ja, ein anderes Kind hätte an meiner Stelle vielleicht das ABC nicht gelernt, aber ich hätte auch was anders machen können als ABC zu lernen.
Dazu ein aktuelles Beispiel: ich war heute nachmittag mit Kleinsohn am Spielplatz. Dort ist er gerutscht und geklettern. Dabei hat er die Sprossen der Rutsche und die Bretter der Kletterwand gezählt. In der Sandkiste hat er mit dem Finger Zahlen in den Sand geschrieben, statt Kuchen zu backen. Und er weiß sehr wohl, wie man Sandkuchen bäckt. Wieder zu Hause wollte er sein Maßband um sich wieder Zahlen anzusehen. Und am Vormittag habe ich die Zahlen ab 400 laut seinem Diktat auf einen Block geschrieben. Dabei sieht er immer wieder, dass sein Bruder, mein Mann und ich auf diesem Block Zeichnungen machen.
Wenn ein Kind extremes Interesse an einer Sache hat dann ist es gar nicht so leicht, andere Dinge in den Vordergrund zu rücken, weil man diese für "besser" hält. Und das meine ich in beide Richtungen. Also wenn sich ein Kind NICHT für Zahlen und Buchstaben interessiert ist das genauso schlimm oder nicht-schlimm wie wenn es sich für matschen im Sand interessiert. Es geht darum, beides zu ermöglichen, nicht die Wahl des Kindes zu beeinflussen.
Koschka hat geschrieben:
Ich habe kreatives Spielen auch erst mit meinen eigenen Kindern gelernt. Mein Kleinste hat durch die besondere Lebensumstände - sehr wenige Spielsache, viel Zeit untwegs ganz ohne Spielsachen - allen anderen meinen Kindern beigebracht, wie man sich mit einem Plüschhasen und einigen wenigen Gegenständen, die man im Auto findet, sich stundenlang beschäftigen kann. Ja, da gebe ich dir ganz recht, der Blick ist auch von der Anzahl der Kinder und dessen Alter abhängig. Meine Großen hatten einige, wenn auch nicht unzählige Puzzle, solche Förderspielsachen wie Minilük und Vorschulhefte. Ich gebe zu, ich habe auch viele nicht altersgerechte Spielsachen gekauft, weil ich einfach gedacht habe, die Kinder brauchen was fürs Gehirn.
So ging es mir auch bei meinem Großen. Und ich habe sehr wohl als er 3 Jahre alt war (davor nicht) schon an seine Schullaufbahn gedacht, konnte diese Gedanken aber nicht vertiefen weil ich praktisch ständig irgendwo "gebraucht" wurde. Und was war ich stolz auf ihn! Mit 2,6 Jahren löste er Minilük Aufgaben für 5jährige!
Kreatives spielen kann mein älterer Sohn trotzdem perfekt. Im Rollenspiel spielt er ständig irgendwelche fiktiven Szenen, inspiriert von Handyspielen, Donald Duck und PM Mini. Als er neulich im Tierpark die Schautafeln zu den Tieren gelesen hat brachte ihn auf die Idee eines neuen Spiels: Tier- und Pflanzenarten erfinden! Zum Beispiel das Siebenhorn oder den Stromwurm, der sich von Blitzen ernährt. Und zur Art hinzu gleich die Info, wie der Bestand ist, ob die Art gefährdet ist oder nicht, wo sie lebt, wie sie sich ernährt usw. So haben wir mittlerweile abwechselnd ohne Spielmaterial bestimmt schon 50 neue Arten erfunden

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Koschka hat geschrieben:
Ihre Einschulung war ein anderes Thema, eines der Kinder hat sehr im Kindergarten gelitten. In der Schule ging es dann viel besser. Aber ich habe sie mit 4 Jahren eingeschult, aber sie kannten vorher nicht viele Buchstaben, eines der Kinder kannte kaum Zahlen und konnte nicht mehr als 2 plus 2 rechnen. Aber ausgerechet dieses der beiden hat sich in der Schule prächtig entwickelt, hat rasant lesen gelernt, und liest weiterhin begeistert alles, was es in die Hände bekommt. Nicht nur Sachen die schlau machen, sondern zum 3. Mal das ganze Gregs Tagebuch. Das ist Zumüllen des Hirnes, aber das macht meinen beiden Großen Spaß. Das Zwillingskind hat neulich mit Begeisterung den Drachen Kokosnuß durchgelesen. Und es ist bald 10! Also kurz und knapp gefasst: auch begabte Kinder sind vor allem eins - Kinder! Solange keine Störung vorliegt, die die soziale Möglichkeiten des Kindes stark einschränkt, brauchen sie viel Spontanität, Wärme und Kreativität.
Ja, da stimme ich vollinhaltlich zu! Auch begabte Kinder sind Kinder, keine kleinen Erwachsenen und auch keine mit Wissen zu befüllenden Wunderwesen! Übrigens lese ich auch mit 45 immer noch gerne Kinderbücher. Mein 6jähriger schaut am liebsten caillou-DVDs und "Die Sendung mit dem Elefant". Fast alles andere ist ihm "zu schlimm" oder "zu blöd". Ich selbst habe mit 14 Jahren noch gerne mit Sand und Matsch gespielt
Koschka hat geschrieben:
Wenn sie sich für Abstrakte interessieren, das ist schön und nett. Aber ohne Wunsch vermitteltes Wissen in den früheren Kinderjahren bedeutet das ausbleiben des AHA-Erlebnisses in späteren, mehr reflektierten Jahren. Auch wenn es spielend und ohne Drill vermittelt wird. Am besten klappt das Lernen wenn das Kind selber grübelt, selber sucht und erst danach fragt. Das systematische Vermittlung des ABC und Co ist m.E. in dieser Hinsicht kontraproduktiv. Die Chinesen geben mittlerweile selber zu, dass ihre Kinder am Start gewinnen, um am Finish line zu verlieren.
Woran erkennt man ob ein Wissen "ohne Wunsch" vermittelt wird? Manches, wie z.B. Zähne putzen muß auch ohne Wunsch vermittelt werden und das klappt auch nur im Idealfall spielend und ohne Drill.
Was das selbst-danach-fragen anbelangt bin ich durch die Gehörlosigkeit meines Kleinen voreingenommen. Denn alles, was hörende Kinder "nebenbei" mitbekommen, bleibt meinem Sohn verborgen. Ich muß ihm erst mal praktisch alles "ohne Wunsch" vermitteln um ihm überhaupt die Möglichkeit zum fragen zu geben. AHA-Erlebnisse gibt es immer wieder. Die Anzahl ist nicht so beschränkt, dass man in der frühen Kindheit mit Informationen geizen muß um den Kindern diese Erlebnisse später mal zu ermöglichen.
Gerade bei jüngeren Kindern merke ich, dass diese einfach "dicht machen" bzw. sich demonstrativ abwenden, wenn ihnen wer was näher bringen will, was sie über- oder unterfordert. Sie suchen aus dem Angebot an Möglichkeiten genau das aus, was sie im Moment zu ihrer Entwicklung benötigen und was ihren persönlichen Interessen und Vorlieben am meisten entspricht.
Was das ABC betrifft habe ich zwei Herangehensweisen gesehen: Großsohn, der nach jedem einzelnen Buchstaben fragte und die Reihenfolge des Alphabets irgendwann später mal auswendig gelernt hat. Und Kleinsohn, der mit einem ABC-Puzzle (das vom Großen noch zu Hause war) erst mal die Reihenfolge "gelernt" hat um sich dann mit den einzelnen Buchstaben zu beschäftigen. Die Reihenfolge ist ihm extrem wichtig und wo immer er Buchstaben oder Zahlen "findet" hat er das Bedürfnis, diese zu ordnen.
Daher glaube ich, dass es keine für alle "gleich" passende Art der Wissensvermittlung gibt, weder beim ABC noch bei allen anderen Lernfragen. Manche Menschen mögen Ordnung und Struktur und können damit leichter lernen, andere (ich gehöre dazu) springen scheinbar willkürlich von einem Detail zum nächsten und fügen das Ganze dann nach und nach zu einem Bild zusammen.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)