Da ich deinen Sohn noch nie gesehen hab, und mir nur an Hand deiner Schilderungen ein Bild von ihm machen kann, würd ich sagen, dass er im sozialen Bereich z.T. ein ganz normaler 4 Jähriger ist.Rabaukenmama hat geschrieben: Kann natürlich beides der Fall sein, bei seiner Wesensart würde ich aber eher den zweiten Ansatz vermuten, weil er auch in Bereichen, wo er sich durchaus anpassen könnte, nicht dazu bereit ist.
Das ist so eine zweischneidige Sache. Einerseits empfinde ich es als Zeichen einer starken Persönlichkeit, als Bub zur Lieblingsfarbe rosa zu stehen, auch wenn er natürlich längst mitbekommen hat, dass von ihm was anderes "erwartet" wird. Andererseits ist er auch bei anderen Dingen, die von ihm "erwartet" werden (z.B. endlich weg von der Windel) nicht zugängig. So nach dem Motto "Ich bin wie ich bin, damit müsst ihr leben!". Genau betrachtet wäre es ja sogar seltsam, würde er dieses Verhalten nicht in allen Bereichen konsequent durchziehen.
Bei Konfliktlösungen ist mein Sohn noch in der Ausprobier-Phase. Das kann es natürlich auch sein: er probiert immer, wie weit er gehen kann, dass sein Verhalten "gerade noch" akzeptiert wird. Neulich hat er ein Mädchen im Kindergarten mit der Aussage "Du hast ja einen Penis!" geärgert. An sich keine so ungewöhnliche Sache (das Interesse an den Geschlechtsteilen ist mMn in dem Alter durchaus normal), hätte sich dieses Mädchen nicht von den Aussagen persönlich angegriffen gefühlt. Sie hat es den Betreuern gesagt. Diese haben die Sache nicht dramatisiert, meinen Sohn aber aufgefordert, solche Aussagen zu unterlassen, eben weil sie das Mädchen sehr ärgern. Tja, und mein Sohn hat trotzdem weitergemacht und es so weit getrieben, dass ihnen nur noch die Möglichkeit geblieben ist, ihn vom spielen auszuschließen.
Dasselbe ist es mit den sogenannten "Gaga-Wörtern" die man im Kindergarten nicht sagen darf. Da erfindet mein Sohn alle möglichen Abwandlungen dieser Wörter (manchmal gesungen, manchmal gereimt) und probiert aus, was noch "durchgeht". Da die Betreuer aber nur Menschen sind haben sie auch unterschiedliche Toleranzgrenzen und es kann sein, dass ein bestimmtes Wort von einer Kindergärtnerin noch ignoriert wird, von der anderen aber nicht mehr.
Ich merke ja bei mir selbst dass vieles eine Sache meiner Tagesverfassung ist. So bin ich z.B. an Tagen ohne Zeitdruck viel lockerer wenn es z.B. um die Geschwindigkeit beim anziehen geht, während ich an Tagen mit engem Terminplan entsprechend nervöser agiere. Dafür kann mein Sohn natürlich nichts, aber es bleibt ihm ohnehin nichts anderes übrig, als auch damit zu leben, dass nicht immer auf die gleiche Handlung die exakt gleiche Reaktion erfolgt. So ist das nun mal in zwischenmenschlichen Beziehungen, auch unter Erwachsenen.
Insgesamt geht es meiner Meinung nach sehr viel um "ich möchte mich auskennen und möglichst genau wissen, wo meine Grenzen sind". Im Alltag machen wir viele Kompromisse. Es ist ungleich einfacher, meinem Sohn vor dem heimgehen vom Spielplatz darauf hinzuweisen, dass wir nur noch 10 Minuten bleiben können, als ihn später unvorbereitet zum Aufbruch zu drängen.
Als er mit dem Papa ins Legoland fuhr hat er sich schon tagelang sehr auf die Reise gefreut und immer nachgezählt, wie oft er noch schlafen muss. Gott sei Dank habe ich dann vor der Abreise daran gedacht, meinen Sohn darauf vorzubereiten, dass sie am selben Tag NICHT MEHR ins Legoland hineingehen sondern die Tageskarten nur für die nächsten zwei Tage gelten. Die Klarstellung solcher Sachen (die für uns Erwachsene oft selbstverständlich erscheinen) ist bei meinem Sohn unheimlich wichtig. Wenn er sich "auskennt" ist er viel kooperativer.
Er testet aus, schaut wo die individuellen Grenzen sind - das ist doch in diesem Alter ganz normal. Manche Kinder testen mehr, manche weniger.
Auch können Kinder ganz gut damit umgehen, dass unterschiedliche Erwachsene auch unterschiedliche Grenzen haben.
Meiner Tochter erklär ich auch, dass es mir heute wichtig ist, dass wir uns beeilen, oder dass ich einen anstrengenden Tag hatte und somit müde und vielleicht nicht so tollerant bin. Das versteht sie eigentlich ganz gut.
Dass dein Sohn willensstark ist und "sein Ding" durchzieht ist ja ansich auch gut. Aber bei mir hört halt dieses "Ich bin wie ich bin, damit müsst ihr leben!" dann auf, wenn es jemand anderen einschränkt. Das heißt, wenn es dich einschränkt oder deutlich mehr Arbeit ist einen fast 4,5 Jährigen zu wickeln, dann würd ich ihm so viel Selbstverantwortung wie möglich übertragen. Sprich er soll die Windel und Feuchttücher holen, er soll seine Hose ausziehen und nach dem Wickeln wieder anziehen. Rein theoretisch kannst du auch Easy ups kaufen, die könnte er sogar selber wechseln. Die schmutzige Windel kann er dann auch selber wegschmeißen (das schafft mein 16 Monate alter Sohn sogar). Einfach jeder trägt seinen Teil für ein gutes Familienleben bei.
Aber vielleicht haben sie ja einen guten Tipp bei der Entwicklungsdiagnostik!
LG, Lisa