So, wie du deinen Sohn und auch sein Sozialverhalten (inkl. Freundschaften) beschreibst, sehe ich eher wenige Hinweise auf Autismus. Meine Jungs sind vermutlich nicht das Paradebeispiel von Autisten, aber beide haben gewaltige Probleme mit sozialen Kontakten "auf Augenhöhe". Das, was die Rektorin und die Lehrerin der Hospitations-Klasse gesehen haben, war vermutlich ein sehr einseitiges Bild und noch dazu in vielerlei Weise falsch. So ähnlich, wie die TesterInnen der Begabungsklasse meinen Sohn sehr einseitig gesehen haben. Bei dem ist mir das Verhalten, welches er dort gezeigt hat, aber nicht unbekannt (wie das bei Dir der Fall ist), sondern wir (ich, mein Mann, die Lehrerinnen) hatte es überwunden geglaubt, weil eben so verzweifelte Auszucker in Normalsituationen schon längst nicht mehr vorkommen. Und wenn mal ein Ansatz dafür da ist kann sich mein Sohn mittlerweile schon gut selbst "wieder runterholen".
Aber mal völlig unabhängig von ADHS, Autismus und allen im Raum schwebenden Verdachtsdiagnosen - WIE willst du am Sozialverhalten von deinem Sohn "arbeiten"? Ich frage das nicht etwa ironisch sondern als Mutter, die in dieser Hinsicht wirklich schon vieles erfolglos ausprobiert hat. Ich bin immer wieder an meine Grenzen gestoßen und musste erkennen, dass Gras eben nicht schneller wächst, wenn man daran zieht. Wir hatten und haben sehr viele Gespräche bezüglich Sozialverhalten, Verständnis, Erwartungshaltung, usw. und mein Sohn zeigt sich in diesen Gesprächen praktisch immer reflektiert und einsichtig und er weiß auch genau, was in welcher Situation "richtig" wäre.
Die Kinderpsychologin hat das in ihrem Befund mit folgenden Worten beschrieben "Die ansonsten festgestellten Defizite im verbalen Reflektieren von sozialen Alltagssituationen zeigt M..... in der Testsituation nicht. Er verfügt in der Theorie über weit überdurchschnittliche Fähigkeiten im sozialen Verständnis."
Dieser Satz spiegelt deutlich unser Dilemma: mein Sohn WEISS sehr wohl was richtig und falsch, angebracht und fehl am Platz, passend und "zu viel" oder "zu wenig" ist. Das ändert aber nichts daran, dass er auf dieses Wissen in für ihn belastenden sozialen Situationen nicht zugreifen kann und instinktiv falsch reagiert. Da hilft auch nicht noch so viel reden. Wir sprechen trotzdem im Nachhinein über alles, weil ich einerseits kein Tabu draus machen will und es andererseits nicht schaden kann, was im Nachhinein zu reflektieren. Auch glaube ich dass meinem Sohn mein Verständnis für manches gut tut, weil er sich selbst oft sehr ärgert, wenn er wieder falsch reagiert hat. Mein Verständnis ist nicht gespielt, sondern echt. Ich hatte als Kind exakt dieselben Schwierigkeiten und erinnere mich noch gut, wie sehr ich selbst darunter gelitten haben. Da noch zusätzlich Vorwürfe zu machen oder besserwisserische Vorträge zu halten liegt mir daher fern. Ich weiß, dass mein Sohn sein Verhalten selbst sehr gern ändern würde - wenn er es könnte!
Was meinem Sohn zeitweise etwas hilft ist, ihm manche Situationen, von denen ich weiß, dass sie für ihn viel Stress darstellen, einfach zu ersparen. Der Teamsport im Turnunterricht ist so ein Beispiel. Es ist vereinbart, dass er dabei nicht mitmachen muss, aber dafür eine 2 im Zeugnis bekommt. Auch so Dinge wie Schülerdemo (tausende fremde Kinder in fremder Umgebung und ohne Rückzugsmöglichkeit) erspare ich ihm, wenn möglich. Andere Dinge, die zwar auch etwas stressig sind, wo ich aber weiß, dass er sie einerseits schaffen KANN und dass sie ihm andererseits auch Freude bereiten, traue ich ihm hingegen sehr wohl zu. Dazu gehören z.B. auch die Projekttage seiner Klasse.
Daher frage ich mich immer, wenn ich von anderen Eltern höre (oder lese) "Wir wollen am Sozialverhalten unseres Kindes arbeiten", was damit gemeint ist. Was kann man noch machen? Gut, es gibt so Sozialkompetenz-Gruppen, aber zumindest hier (in Wien) sind die sehr teuer (45 Euro für 45min IN DER GRUPPE) und außerdem haben sie schulunfreundliche Zeiten (ab 13h45 wenn bis 13h Schule ist), schaffen wir also nicht.
Wir haben Einzelstunden bei einer Kinderpsychologin genommen, die speziell an Sozialkompetenz und Frusttoleranz gearbeitet hat. Wir haben auch medikamentöse Einstellung (in Absprache mit dem KJP) ausprobiert. Nichts davon hat was gebracht. Am ehesten vermute ich noch, dass das Neurofeedback einen Effekt hatte, aber das ist ohnehin zu teuer, um es längerfristig regelmäßig (wöchentlich) zu machen. Daher meine Frage, wie ihr das machen wollt. Habt ihr einen konkreten Plan? Habt ihr professionelle Unterstützung? Was wollt ihr zukünftig anders machen als bisher?
Sorry wenn Dir meine Fragerei auf die Nerven geht, aber es interessiert mich wirklich sehr! Sonst wünsche ich euch natürlich alles Gute und dass ihr einen Weg findet, wo sich dein Sohn bestmöglich wohl fühlen und vor allem er selbst sein kann
