Ganz viel von dem, was du schreibst, kommt mir bekannt vor. Nur haben wir mit unserem Kindergarten offensichtlich ein Riesenglück, denn viele der Eigenschaften, die du beschreibst, sind bei uns dort (Gott sei Dank) kein Problem.
Genau diese Probleme gab es mit meinem Sohn auch. Mittlerweile ist er 6 Jahre alt und dieses Verhalten hat sich im letzten halben Jahr von selbst deutlich gebessert. Aber ich kann mit an Situationen erinnern, wo er kleinere Kinder brutal getreten hat oder sich mit 3 Buben angelegt hat, die mindestens doppelt so alt waren wie er und die ziemlich hilflos gegenüber ihm waren weil sie den "Kleinen" zu dritt natürlich nicht hauen wollten, sich selbst aber auch nicht hauen lasse .Na Talie hat geschrieben:
Wenn ich nachfrage, was ich deren Meinung nach tun soll um es für alle Beteiligten besser zu machen, kommt immer: "Reden sie doch mal mit ihm. Was denken die was wir machen??? Bei uns sieht er hauen, treten usw. nicht. Wir betieteln uns nicht abfällig und bringen ihm normale Verhaltensregeln bei. Wir reden uns den Mund franselig.
Und auch bei uns zu Hause ist ein freundlicher Umgangston und wertschätzendes Verhalten üblich. Das Schlimmste, was mir zeitweise passiert ist, dass mir das SCH-wort rausrutscht (aber auch nicht sehr oft).
Reden hat bei meinem Sohn damals leider auch nichts genutzt. Er war zwar während des Gesprächs oft einsichtig, das hat ihn aber nicht davon abgehalten genau dasselbe eine Stunde später wieder zu tun.
Das ist bei uns genau dasselbe. Unser Großer ist eben oft (sehr) laut und hat ständig was zu sagen. Wenn mein Mann, ich oder seine Großeltern mit ihm unterwegs sind ist er fröhlich, aufgewckt und oft auch übermütig - aber IMMER laut. Trotzdem ist er ein sehr guter Beobachter und spricht Dinge unverblümt an. Manchmal bin ich deswegen stolz auf ihn, z.B. wenn er im Zug eine alte Dame darum bittet ihre Handtasche vom freien Platz wegzunehmen damit er sitzen kann (sonst war kein Platz mehr frei). Wenn er dagegen in der Jugendherberge die Reinigungsfrau laut "alte Stinketonne" nennt dann ist natürlich eine Grenze überschritten, auch wenn die Frau tatsächlich wie eine Tonne aussieht und einen unangenehmen Geruch verströmt...Na Talie hat geschrieben:
Bisher hat es uns noch beruhigt, dass er ein fröhliches, aufgewecktes, sehr breit interessiertes aber auch lautes Kind ist. Die laute Stimme und das sehr präsente Verhalten werden uns oft als "nicht erzogen" nachgesagt.
Oh, das habe ich auch schon einige Male gehört. Vor allem von Eltern von Kindern, die mich eher an Schlaftabletten erinnern...Na Talie hat geschrieben: Seit Jahren rennen wir gegen Windmühlen an, sind ständig dabei unser Kind zu verteidigen. Müssen uns immerzu gegen Vorurteile wehren, er ist nicht erzogen oder hätte ADHS.
Der Psychologe hat aber trotzdem mit seiner Aussage recht. (Hoch-) Begabung und Sozialverhalten sind so verschiedene Dinge wie Hochbegabung und Haarfarbe (oder Körpergröße). Mittlerweile bin ich mir sicher dass beides miteinander nichts zu tun hat. Es gibt etliche hochbegabte Kinder die sozial keine Probleme haben oder machen. Und der IQ kann ein unpassendes Sozialverhalten weder erklären noch entschuldigen. Ich habe nur die Beobachtung gemacht, dass sogenannte "mißfits" (in dem Fall: Kind und Umwelt/Umgebung passen nicht zusammen) bei klugen Kindern dann häufiger auftreten wenn ihre Umgebung (in eurem Fall z.B. die KindergärtnerInnen und die TurnlehrerIn) sie nicht so behandelt, wie sie SIND sondern so, wie sie annehmen dass Kinder dieses Alters zu sein HÄTTEN.Na Talie hat geschrieben: Nach der Testung ist uns gesagt worden, daß wir im Grunde genommen gar nichts für ihn tun können.
Der Psychologe (vom Kindergarten bestellt!!) hat uns hinterher mitgeteilt, daß das Testergebnis zwar ganz nett ist mit seinem Sozialverhalten aber nichts zu tun hat.
Wenn wir ehrlich sind, fühlen wir uns veralbert und wirklich wirklich allein gelassen.
Der Trost: Sozialverhalten ist erlernbar! Ich selbst bin ebenfalls HB und war als Kind sozial extrem unangepasst. Andere Kinder gebissen habe ich bis ich 12 war und wegen der "fehlenden sozialen Reife" kam ich auch nicht aufs Gymnsium sondern in die Hauptschule, wo ich derart gemobbt wurde, dass ich mit 12 einen Nervenzusammenbruch und Selbstmordgedanken hatte. Natürlich will ich so was meinem älteren Sohn (der mir von der Wesensart her sehr ähnlich ist) ersparen, weiß aber, dass ich das nicht kann. Aber wenn ich mich heute so ansehe bin ich ganz zufrieden: ich habe im jugendlichen und erwachsenen Alter die softskills für Sozialverhalten nachgeholt und kann heute sowohl zu meinen Fähigkeiten als auch zu meinen Schwächen stehen. Und ich traue meinem Sohn zu, das auch zu erlernen - nicht unbedingt dann, wenn ANDERE glauben dass er es lernen sollte, aber dann, wenn ER SELBST so weit ist .
Voriges Jahr im August war ich so verzweifelt dass ich auf ein Zeitungsinserat reagiert habe. Wortlaut "Wenn Sie mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert sind wird Ihnen hier rasch und unbürokratisch geholfen". Die Telefonnummer dabei war vom Kinderschutzzentrum, wo wir auch schnell einen Termin bekamen. Zuerst dachte ich die würden sich meinen Sohn ansehen und mit ihm reden oder "irgendwas machen", aber nach dem ersten Termin (wo wir uns intensiv über das Verhalten unseres Sohnes "ausgejammert" hatten) bekamen mein Mann und ich einfach den nächsten Termin. Und dann noch einen, und noch einen,...Na Talie hat geschrieben: Hat vielleicht jemand eine Tipp für uns oder kann uns Stellen nennen an die wir uns wenden können?
Es kann doch nicht sein, daß ein Kind so unter die Räder gerät.
Vielen Dank schon mal.
Es lief darauf hinaus dass wir beide einmal in der Woche bei der Psychologin offen jammern "durften" und sie uns ermutigt und bestärkt hat. Es hat total gut getan Verständnis bei einem "Profi" zu finden, der nicht ständig irgend welche Fehlverhalten von uns in den Raum gestellt hat sondern sogar auch von anderen Kindern mit ähnlichen Verhaltensweisen berichten konnte. So hatten wir das Gefühl, nicht mehr so allein mit den Problemen zu sein. Nach und nach besserte sich dann das Verhalten unseres Sohnes ganz von selbst. Vielleicht hat auch mitgeholfen dass wir gelassener waren, nachdem wir einmal in der Woche "abladen" durften .
Nach einiger Zeit wurden die Termine dann seltener, zuerst 14tägig und dann alle 3-4 Wochen. Vor Weihnachten waren wir vorläufig zum letzten Mal dort und wir haben die Zusage, jederzeit wieder Termine zu bekommen, wenn es wieder schlechter wird. Das Ganze ist übrigens sehr niederschwellig (keine Sozialversicherungsnummer o.ä. erforderlich) und kostenlos. Ich habe nicht herausgelesen ob ich aus D oder Ö seid, aber wenn ihr aus Wien seid sende ich euch gerne die Telefonnummer per PN.
Alles Gute jedenfalls, schön dass Du hier bist und berichte einfach weiter was so passiert !