Stelle mich verzweifelt vor...

Einfach nur über sich und seine Kinder erzählen
Rabaukenmama
Dauergast
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Registriert: So 8. Dez 2013, 21:24

Re: Stelle mich verzweifelt vor...

Beitrag von Rabaukenmama »

Erst mal ganz herzlich willkommen, Na Talie!

Ganz viel von dem, was du schreibst, kommt mir bekannt vor. Nur haben wir mit unserem Kindergarten offensichtlich ein Riesenglück, denn viele der Eigenschaften, die du beschreibst, sind bei uns dort (Gott sei Dank) kein Problem.
Na Talie hat geschrieben:
Wenn ich nachfrage, was ich deren Meinung nach tun soll um es für alle Beteiligten besser zu machen, kommt immer: "Reden sie doch mal mit ihm. Was denken die was wir machen??? Bei uns sieht er hauen, treten usw. nicht. Wir betieteln uns nicht abfällig und bringen ihm normale Verhaltensregeln bei. Wir reden uns den Mund franselig.
Genau diese Probleme gab es mit meinem Sohn auch. Mittlerweile ist er 6 Jahre alt und dieses Verhalten hat sich im letzten halben Jahr von selbst deutlich gebessert. Aber ich kann mit an Situationen erinnern, wo er kleinere Kinder brutal getreten hat oder sich mit 3 Buben angelegt hat, die mindestens doppelt so alt waren wie er und die ziemlich hilflos gegenüber ihm waren weil sie den "Kleinen" zu dritt natürlich nicht hauen wollten, sich selbst aber auch nicht hauen lasse :schwitz: .

Und auch bei uns zu Hause ist ein freundlicher Umgangston und wertschätzendes Verhalten üblich. Das Schlimmste, was mir zeitweise passiert ist, dass mir das SCH-wort rausrutscht (aber auch nicht sehr oft).

Reden hat bei meinem Sohn damals leider auch nichts genutzt. Er war zwar während des Gesprächs oft einsichtig, das hat ihn aber nicht davon abgehalten genau dasselbe eine Stunde später wieder zu tun.
Na Talie hat geschrieben:
Bisher hat es uns noch beruhigt, dass er ein fröhliches, aufgewecktes, sehr breit interessiertes aber auch lautes Kind ist. Die laute Stimme und das sehr präsente Verhalten werden uns oft als "nicht erzogen" nachgesagt.
Das ist bei uns genau dasselbe. Unser Großer ist eben oft (sehr) laut und hat ständig was zu sagen. Wenn mein Mann, ich oder seine Großeltern mit ihm unterwegs sind ist er fröhlich, aufgewckt und oft auch übermütig - aber IMMER laut. Trotzdem ist er ein sehr guter Beobachter und spricht Dinge unverblümt an. Manchmal bin ich deswegen stolz auf ihn, z.B. wenn er im Zug eine alte Dame darum bittet ihre Handtasche vom freien Platz wegzunehmen damit er sitzen kann (sonst war kein Platz mehr frei). Wenn er dagegen in der Jugendherberge die Reinigungsfrau laut "alte Stinketonne" nennt dann ist natürlich eine Grenze überschritten, auch wenn die Frau tatsächlich wie eine Tonne aussieht und einen unangenehmen Geruch verströmt...
Na Talie hat geschrieben: Seit Jahren rennen wir gegen Windmühlen an, sind ständig dabei unser Kind zu verteidigen. Müssen uns immerzu gegen Vorurteile wehren, er ist nicht erzogen oder hätte ADHS.
Oh, das habe ich auch schon einige Male gehört. Vor allem von Eltern von Kindern, die mich eher an Schlaftabletten erinnern...

Na Talie hat geschrieben: Nach der Testung ist uns gesagt worden, daß wir im Grunde genommen gar nichts für ihn tun können.
Der Psychologe (vom Kindergarten bestellt!!) hat uns hinterher mitgeteilt, daß das Testergebnis zwar ganz nett ist mit seinem Sozialverhalten aber nichts zu tun hat.
Wenn wir ehrlich sind, fühlen wir uns veralbert und wirklich wirklich allein gelassen.
Der Psychologe hat aber trotzdem mit seiner Aussage recht. (Hoch-) Begabung und Sozialverhalten sind so verschiedene Dinge wie Hochbegabung und Haarfarbe (oder Körpergröße). Mittlerweile bin ich mir sicher dass beides miteinander nichts zu tun hat. Es gibt etliche hochbegabte Kinder die sozial keine Probleme haben oder machen. Und der IQ kann ein unpassendes Sozialverhalten weder erklären noch entschuldigen. Ich habe nur die Beobachtung gemacht, dass sogenannte "mißfits" (in dem Fall: Kind und Umwelt/Umgebung passen nicht zusammen) bei klugen Kindern dann häufiger auftreten wenn ihre Umgebung (in eurem Fall z.B. die KindergärtnerInnen und die TurnlehrerIn) sie nicht so behandelt, wie sie SIND sondern so, wie sie annehmen dass Kinder dieses Alters zu sein HÄTTEN.

Der Trost: Sozialverhalten ist erlernbar! Ich selbst bin ebenfalls HB und war als Kind sozial extrem unangepasst. Andere Kinder gebissen habe ich bis ich 12 war und wegen der "fehlenden sozialen Reife" kam ich auch nicht aufs Gymnsium sondern in die Hauptschule, wo ich derart gemobbt wurde, dass ich mit 12 einen Nervenzusammenbruch und Selbstmordgedanken hatte. Natürlich will ich so was meinem älteren Sohn (der mir von der Wesensart her sehr ähnlich ist) ersparen, weiß aber, dass ich das nicht kann. Aber wenn ich mich heute so ansehe bin ich ganz zufrieden: ich habe im jugendlichen und erwachsenen Alter die softskills für Sozialverhalten nachgeholt und kann heute sowohl zu meinen Fähigkeiten als auch zu meinen Schwächen stehen. Und ich traue meinem Sohn zu, das auch zu erlernen - nicht unbedingt dann, wenn ANDERE glauben dass er es lernen sollte, aber dann, wenn ER SELBST so weit ist :) .
Na Talie hat geschrieben: Hat vielleicht jemand eine Tipp für uns oder kann uns Stellen nennen an die wir uns wenden können?
Es kann doch nicht sein, daß ein Kind so unter die Räder gerät.
Vielen Dank schon mal. :-)
Voriges Jahr im August war ich so verzweifelt dass ich auf ein Zeitungsinserat reagiert habe. Wortlaut "Wenn Sie mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert sind wird Ihnen hier rasch und unbürokratisch geholfen". Die Telefonnummer dabei war vom Kinderschutzzentrum, wo wir auch schnell einen Termin bekamen. Zuerst dachte ich die würden sich meinen Sohn ansehen und mit ihm reden oder "irgendwas machen", aber nach dem ersten Termin (wo wir uns intensiv über das Verhalten unseres Sohnes "ausgejammert" hatten) bekamen mein Mann und ich einfach den nächsten Termin. Und dann noch einen, und noch einen,...

Es lief darauf hinaus dass wir beide einmal in der Woche bei der Psychologin offen jammern "durften" und sie uns ermutigt und bestärkt hat. Es hat total gut getan Verständnis bei einem "Profi" zu finden, der nicht ständig irgend welche Fehlverhalten von uns in den Raum gestellt hat sondern sogar auch von anderen Kindern mit ähnlichen Verhaltensweisen berichten konnte. So hatten wir das Gefühl, nicht mehr so allein mit den Problemen zu sein. Nach und nach besserte sich dann das Verhalten unseres Sohnes ganz von selbst. Vielleicht hat auch mitgeholfen dass wir gelassener waren, nachdem wir einmal in der Woche "abladen" durften ;) .

Nach einiger Zeit wurden die Termine dann seltener, zuerst 14tägig und dann alle 3-4 Wochen. Vor Weihnachten waren wir vorläufig zum letzten Mal dort und wir haben die Zusage, jederzeit wieder Termine zu bekommen, wenn es wieder schlechter wird. Das Ganze ist übrigens sehr niederschwellig (keine Sozialversicherungsnummer o.ä. erforderlich) und kostenlos. Ich habe nicht herausgelesen ob ich aus D oder Ö seid, aber wenn ihr aus Wien seid sende ich euch gerne die Telefonnummer per PN.

Alles Gute jedenfalls, schön dass Du hier bist und berichte einfach weiter was so passiert :) !
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Na Talie
Beiträge: 4
Registriert: Mi 16. Mär 2016, 21:43

Re: Stelle mich verzweifelt vor...

Beitrag von Na Talie »

Ihr Lieben,
Es hilft mir gerade sehr auf dieses Form gestoßen zu sein. :-)
Zum ersten mal sehe ich, daß es (leider) noch viele andere gibt denen es so ergeht wie uns. Zum ersten mal muß ich mir nicht mehr vorkommen wie etwas negatives Besonderes.
Ich danke euch sehr für die Antworten. :-)
Wir glauben schon, dass wir jetzt Kontakt zu einer KPJ aufnehmen werden. Schaden tut es nicht und wir möchten erstmal ein unverbindliches Gespräch.
Auch vielen Dank für den Buchtipp. Das werde ich mir auf jeden Fall besorgen. (Ist schon bestellt ;-) )
Heute mußte ich schon wieder zum Gespräch in die Kita. A never ending Story...
Liebe Grüße
orangenminze
Dauergast
Beiträge: 123
Registriert: Sa 27. Dez 2014, 21:32

Re: Stelle mich verzweifelt vor...

Beitrag von orangenminze »

Hallo,

gerade habe ich Deine Vorstellung gelesen und dachte so oft, ach, das kommt mir aber bekannt vor. Also laut ist unser Sohn auch... wenn er in Auseinandersetzungen mit anderen Kindern verwickelt ist, dann ist das auf jeden Fall hörbar. Bei anderen Kindern bekommen die Erzieherinnen das glaube ich oft gar nicht mit, was da so alles passiert, wer mit wem streitet und so. Wenn unser Sohn involviert ist, bekommen sie es mit. Und auch sonst, wenn wir unterwegs sind, ist er oft laut, übermütig, unterhält sich mit jedem der dazu Lust hat (oder auch nicht), erfindet singend neue Lieder, stellt laut alle möglichen Fragen; egal wo wir sind und wer gerade zuhört. Und gerade heute hatte ich mit Sohnemann einen Nachmittag, an dem ich mich ernsthaft gefragt habe, ob unser Kind das soziale Verhalten, das es anscheinend (s. anderer Thread) im Kindergarten zeigt, tatsächlich verinnerlicht hat, oder ob das abgespeichert ist unter, so muss es im Kindergarten laufen, ansonsten aber....
Ich glaube auch, dass in der Wertung/Gewichtung von bestimmten Verhaltensweisen Kindergärten/Erzieherinnen sehr unterschiedlich sein können. Vielleicht wäre es auch eine Möglichkeit, den Blick ein wenig weg zu lenken von dem, was immer störend ist und die Erzieherinnen mal zu fragen, was denn eigentlich gut lief an diesem Tag oder nachzufragen, was genau Euer Sohn gespielt hat und mit wem...denn ich glaube nicht, dass es ein Kind schafft, durchgängig vier Stunden oder länger pro Tag anzuecken und falls doch, stimmt mit der Einrichtung etwas nicht.
viel Kraft und lasst nicht zu, dass Euer Kind in die Schublade des "Störers" gesteckt wird, denn kein Kind stört (nur), kein Kind ist falsch, so wie es ist. Klar, manchmal müssen wir etwas gemeinsam mit dem Kind ändern, aber das ist frei von irgendwelchen Zuschreibungen, das tun wir dann, weil wir uns lieben oder mögen oder einfach nur gut miteinander auskommen wollen

lg orangenminze
alibaba

Re: Stelle mich verzweifelt vor...

Beitrag von alibaba »

Hallo,

es ist in der Tat so, eine mögliche HB hat mit dem sozialen Verhalten erst einmal nichts zu tun. Dazu wäre der gemessene IQ auch zu niedrig. Man sagt ja, je höher der IQ um so schwerer können sich solche Personen mit ihrer Umwelt arrangieren, aber da nimmt man die wirklich Höchstbegabten die dann einfach durchaus "schrullig" sein können.

Mich macht stutzig, das es in jeder sozialen Einrichtung Probleme gibt und auch außerhalb der Familie. In beiden Kindergärten als auch im Kinderturnen. Ich würde also auf jeden Fall einen Kinder- und Jugenpsychiater hinzuziehen. Das lege ich Euch ans Herz. Ich denke Ihr könnt die Auffälligkeiten nicht alleine lösen. Spätestens ab Schule ist dann auch Schluß mit lustig. Ihr solltet hier also dringend eine Fachperson hinzuziehen.

Ich tippe nicht auf eine HB plus Hochsensibilität. Denn diese Kinder haben sehr oft, sehr feine Antennen und wissen wie sie auf ihre Umwelt reagieren sollen. Ich habe zwei sensible Kinder. Diese sind zwar unterschiedlich in ihrer Sensibilität, aber diese zeichnet sich eher durch eine hohe, bei meiner Tochter durch eine sehr hohe, Sozialkompetenz aus.

Es gibt auch Nachteile. Gerade meine Tochter ist, nach manch einem langen, anstrengenden Tag, dann am Abend doch etwas überfordert, was sich durch schreien, treten und ausrufen von Gemeinheiten äußdert. Das ist aber eher selten und definitiv in den späten Abendstunden und immer aus der Situation heraus erklärbar.

In Einrichtungen, wie Kiga oder Schule fallen meine Kinder eher durch ein positives soziales Verhalten auf. Auch bei meinem Sohn, der, vom IQ her, deinem ähnelt.

Wenn man hier also "Schuld" sucht, wer hat Schuld, dann muss man dazu einen Experten zu Rate ziehen. Ich vermute andere Baustellen als die des hohen IQ's.

Geht das an. VG
lissi74
Dauergast
Beiträge: 53
Registriert: Do 4. Feb 2016, 14:46

Re: Stelle mich verzweifelt vor...

Beitrag von lissi74 »

Hallo,

Koschka spricht genau das aus, was ich auch schreiben wollte.
Unser Sohn ähnelt deinem sehr stark. Wir haben so ungefähr alles gemacht was man sich vorstellen kann bevor wir uns tatsächlich an eine richtige Entwicklungsdiagnostik gewandt hatten. Auch unsere Hoffnung war immer, dass sich das verwächst und natürlich gab es auch Hochphasen in denen wir eine ganz einfache Situation hier hatten. Aber irgendwann kam ein Tief und das war meist schlimmer als das davor :(.
Bei unserem Sohn wurde ADHS diagnostiziert und ich muss sagen, das hat uns am Ende doch sehr weiter geholfen. Wir haben Unterstützung bekommen auch in der Schule und eine klare Richtung was möglich ist und was nicht.
Du erkennst ja selber den Unterschied zwischen deinem ersten Sohn und dem Zweiten. Nur weil die Eltern ihn so akzeptieren wie er ist tut das aber der Rest der Welt noch lange nicht. Und das was dein Sohn da ausdrückt zeigt eigentlich sein Leid und da wäre für mich einfach Handlungsbedarf. Denn in der Schule wird das noch viel härter. Da kommt er nicht mehr durch, glaub mir das. Und wenn man sich nicht früh genug drum kümmert (wir wollten auch erst die Einschulung abwarten) dann steht man bei der Schule schnell vor der Entscheidung ob das Kind in die Förderschule muss. Da ist denen auch der IQ FAST egal. Mein Sohn ist im Wert leicht höher als deiner aber nicht HB. Unser Sohn weiß was er möchte, er weiß was er im Stande ist zu tun, aber hat gar keine Chance das umzusetzen und das macht ihn unglaublich wütend. Mein Sohn litt auch unter der starken Ausgrenzung und war sehr lange sehr traurig. Keine Freunde zu haben, da hilft eben auch die Mama nicht weiter... Jetzt hat er langsam ein paar feste Freunde und freut sich darüber. Ich hoffe das bleibt so.
Ich kann dir nur raten, das anzugehen. Das ist weder schlimm noch von irgendjemanden zu verurteilen. Mein Sohn fand die Tests gut und den Doc ärgert er immer noch ein bisschen, aber das wird auch besser. Ich bin schon recht zufrieden mit seiner Entwicklung und ich verstehe vieles besser und kann es besser ertragen. Das wichtigste ist, dass er weniger leidet. Die soziale Ausgrenzung die eine Folge von ADHS sein kann ist meiner Meinung nach schädlicher als irgend eine Diagnostik.
Und glaub mir ich hab es mir auch lange schön geredet und rausgezögert und wirklich alles andere versucht. Aber wenn es an ALLEN Stellen Probleme gibt, dann steckt da mehr dahinter!
LG
Antworten