Siegele hat geschrieben:
Na, da war "diagnostiziert" wohl eher der falsche Begriff in meiner Erklärung. Das Verhalten meines Kindes wurde oftmals "latent authistisch" bezeichnet. Abwesend und in anderen Sphären zu gange. Das war aber auch vor ein paar jahren. Hat sich mittlerweile aber auch wieder gelegt.
Ja "halbwissende Pädagogen"...durch die Schule musste ich auch erstmal gehen und habe eine Menge "Hobby-Psychologen" vor mir gehabt...
War halt zu Beginn so, das jeder irgendwas zu dem thema beisteuern wollte, bzw. "dem Kind einen namen" geben. "Gut gemeint" ist halt gleich "gut gemacht". PLUS: Ich hatte ja von der ganzen Materie sowas von garkeinen Schimmer...und das ist ja meist der Moment, in dem auf einmal jeder ein "Diplom" an der Wand hat.
Genau das meinte ich und das kenne ich auch sehr gut. Ich erinnere mich da noch an eine Mutter mit einem Kind, welches mit ca. 2 Jahren tatsächlich über eine Stunde auf ein- und derselben Stelle in der Sandkiste gesessen ist und rumgegraben hat. Für diese Mutter war klar, dass mein lebhafter, neugieriger älterer Sohn (damals auch ca. 2 Jahre alt) ADHS haben muss

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Siegele hat geschrieben:Wie verhält es sich denn bei deinem Kurzen? Wann hast Du festgestellt, das er ein wenig anders tickt als die anderen Kinder, die man zuvor so vor sich hatte? Bzw. was haben die Ärzte/Pädagogen &Co gesagt, als Du anfingst Fragen zu stellen?
Naja, anders als andere Kinder ist mein jüngerer Sohn (rein von der Körpergröße her eher der "Lange" als der "Kurze"

) allein durch seine Gehörlosigkeit ja von Geburt an. Nur dachte ich lange Zeit er würde so spät sprechen und so schwer Blickkontakt herstellen weil ich zu schlecht Gebärdensprache kann und ich würde irgend etwas grob "falsch" machen weil er nicht bereit war, seine Horchis zu aktzeptieren.
Als mein Sohn etwa 3 Jahre alt war nahm ich mit ihm an einem Gehörlosen-Familientreffen (3 Tage) teil. Dort war unter anderem ein 9 Monate altes Baby das einen größeren Gebärdensprach-Wortschatz hatte als mein Sohn. Das kam mir schon sehr ungewöhnlich vor. Auch das fehlen von Fragen ist mir aufgefallen. Im Alter von 3 Jahren hat mir mein älterer Sohn Löcher in den Bauch gefragt, vom kleinen kam nie was.
Diagnostik ist bei einem gehörlosen Kind, welches nur in Gebärdensprache kommuniziert, nicht so leicht. Mit einem gesunden Kind hätte ich einfach auf
www.autistenhilfe.at recherchieren können, wer in der Nähe eine Diagnostik macht. Das hat sich bei uns erübrigt, denn das einzige Krankenhaus in Österreich, welches Entwicklungsdiagnostik für Gehörlose in Ö anbietet (und wo man sich auch mit Autismus gut auskennt), sind die Barmherzigen Brüder in Linz.
Mit der Diagnostik dort war ich sehr zufrieden. Zwei etwa 2-stündige Termine, wo man sich viel Zeit genommen und viel mit meinem Sohn probiert und ausgetestet hat. Einfühlsame, freundliche Ärzte, mit denen man auf Augenhöhe reden konnte und wo man nie das Gefühl der Stigmatisierung hatte. Es hieß unter anderm, das "autistische Spektrum" sei groß, mein Sohn wäre kein besonders schwerer Fall und man könne nicht vorhersehen, wie er sich in den nächsten Jahren noch entwickeln wird.
Mir hat die Diagnose insofern eine Belastung von der Seele genommen, weil ich bis dahin gedacht hatte, mein Sohn würde die Horchis so vehement ablehnen weil ich nicht konsequent genug bin oder sonst was falsch mache. Durch die Diagnose ist mir klar geworden dass die Wahrnehmung meines Sohnes einfach so "anders" ist, dass ihm hören offensichtlich eher lästig als notwendig erscheint. Und ich habe mich nach der Diagnose auch entschlossen, zu akzeptieren, dass er die Horchis "nicht braucht" - so wie er es gebärdet. Allein das war eine gewaltige Erleichterung für die ganze Familie

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Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)