Ein kurzes Hallo

Einfach nur über sich und seine Kinder erzählen
sinus
Dauergast
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Re: Ein kurzes Hallo

Beitrag von sinus »

radfahrerin hat geschrieben:Hm, habe jetzt nach einem Platz gesucht um noch etwas mehr von uns zu erzählen, habe aber nicht so recht etwas gefunden.

Also lege ich hier noch mal los.

Wie ich schon schrieb sind meine Mädels jetzt gerade 4.
Sie waren schon immer nicht einfach.
Als Babys haben sie nur zu Hause Ruhe gefunden. Am besten bei mir im Arm oder auf dem Bauch. Woanders sein und einfach mal hinlegen so wie bei anderen Babys? Ging nicht.
Bis heute schlafen sie bei uns im Bett. Sie brauchen einfach diese Nähe.

Eine Zwillingssprache hatten sie zum Glück nie.
Wenn man mit ihnen zu einem Besuch fährt müssen sie erstmal ankommen und schauen. Sie sind keine Kinder die sich einfach so von jedem knuddeln lassen oder jeden anlächeln. Dafür haben sie einen riesigen Wortschatz und bauen ellenlange Sätze.
Farben konnten sie schon alle mit 2 benennen.
Kurze Zeit später wussten sie wem welche Schuhe gehören, da sie beschriftet sind und sie ihren Anfangsbuchstaben erkannt haben. Mit 3 wurde der Buchstabe geschrieben. Mit 3 Jahren und ca 8 Monaten der Name. Jetzt das ganze Alphabet. Sie fangen an mit uns zu diskutieren wie Worte geschrieben werden und ziehen erste Buchstaben zusammen. Sie lieben Wortspiele und haben teilweise einen recht trockenen Humor. Sie erkennen Ironie.
Inzwischen zählen sie bis 30, fangen im 10er Bereich an zu rechnen.

Sie lieben Bücher. Für ein Buch lassen sie alles liegen.
Mit Puppen, lego oder Playmobil wird selten bis gar nicht gespielt. Rollenspiele sind ihr Ding.
Sie haben kein festes Lieblingskuscheltier. Das wechselt immer mal wieder.
Sie malen und zeichnen liebend gerne und das für ihr Alter sehr gut.
Zudem haben sie ein Gedächtnis wie ein Elefant. Erinnern sich an Dinge die schon gut mehr als 1 Jahr her sind.

Dafür sind sie sehr emotional. Manchmal reicht eine Kleinigkeit um sie zur Explosion zu bringen. Oft kommt es auch daher das Dinge verlangt werden die vorher nicht erklärt wurden. Sie wollen alles wissen und verstehen.
Manchmal hat man das Gefühl der Kopf ist ihnen im Weg.
Empathie ist nicht ihre Stärke.
Na, da kommt mir ja Einiges sehr bekannt vor! Es könnte ebensogut eine Beschreibung meiner großen Tochter sein!

Was mich interessieren würde: "Empathie ist nicht ihre Stärke" - woran machst du das fest, wie zeigt sich das?

Ich habe das von meiner Tochter auch eine Weile lang gedacht, weil sie z.B. kein Kind ist, was spontan auf ein anderes Kind zuläuft, um es zu trösten, nicht mit Puppen gespielt hat, sich ungern mit jüngeren Kindern beschäftigt.

Ich glaube inzwischen, dass das ein Irrtum war. Manchmal denke ich sogar, sie kann sich womöglich zu gut in andere hineinversetzen, nimmt dabei viel mehr wahr, als andere und das ist ihr dann zu viel und überfordert sie und darum verschließt sie sich bzw geht solchen Situationen aus dem Weg.
Hinzu kommt, dass viele Kinder, vor allem jüngere, anders reagieren, als sie selbst es tun würde. Sie sind aus ihrer Sicht darum oft unberechenbar, was sie verunsichert.
In Erwachsene/ältere Kinder kann sie sich viel besser hineinversetzen!

Ich glaube, Kinder, die sehr viel Rollenspiele spielen - so wie meine, seit dem 2. Geburtstag bis heute (sie ist 6einhalb), lebt sie fast nur in Rollen - können sich ausgesprochen gut in andere hineinversetzen! Wie sonst könnten sie die Rollen übernehmen und so intensiv ausleben?

Meine Tochter spielt übrigens nie Menschen, Prinzessin, Räuber, Ritter oder sowas. NIE.
Sie spielt ausschließlich Tiere nach. (Malen tut sie auch fast nur Tiere)
Lange habe ich überlegt, woran das liegen mag und mich sogar etwas gesorgt. Sind ihr Menschen so fremd? Mag sie Menschen womöglich nicht? Hat sie gar Züge von Asperger?
Die Kindergärtnerin meinte beim Entwicklungsgespräch mit 4 Jahren, sie schaue den Erziehern z.B. auch nicht in die Augen und man sähe ihr ihre innere Verfassung oft nicht an. Das hat mich damals schon verunsichert. Aber im gewohnten Umfeld, zu Hause, in der Großfamilie, unter Freunden trifft das alles genau gar nicht zu! Da ist sie nämlich schon recht "emotional" und auch eher selbstbewusst.

Mein Bruder meint, die Bevorzugung von Tieren liegt evtl einfach daran, dass ihr die Tiere eine größere Bandbreite an Eigenschaften und Erlebnissen bieten.
So kann sie gefährlich und sanft sein, eine starkes oder ein schwaches Tier, eine ängstliches, ein mutiges, sie kann fliegen, schwimmen etc.
Ich finde diesen Ansatz sehr interessant, zumal die Auswahl des aktuell gespielten Tiers in der Tat irgendwie immer ihrer momentanen Seelenlage entspricht. (Hat sie z.B. gerade Probleme mit den Jungs im Kindergarten, spielt sie ein starkes Tier, ist ein Wolf, ein Greif, ein Drache. Will sie wie die kleine Schwester betüttelt werden, ist sie ein Häschen oder ein anderes schwaches Jungtier usw)
Aber vielleicht mag sie ja Tiere u.a. auch deswegen lieber, weil sie Menschen und ihre Emotionen mitunter etwas überfordern...?!

Wenn man sie genau beobachtet und ihr zuhört, merkt man jedenfalls, dass es ihr ganz und gar nicht nicht an Empathie fehlt, wenn das im Sinne von "mitfühlen und Gefühle erkennen" gemeint ist. Eher im Gegenteil.
Sie mag sich aber gewissen emotionalen Situationen schlicht nicht gern aussetzen.
(Genauso, wie sie Wettspiele nicht mitspielt, um sich nicht der Situation aussetzen zu müssen, eventuell Verlierer zu sein ;) )

Mal ein Beispiel: Neulich war sie mal relativ grundlos/unvermittelt sehr traurig (sie ist derzeit etwas launisch, himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt... ich vermute die "Zahnlückenpubertät" als Ursache) und weinte abends und erzählte mir, was ihr alles Sorgen bereite und dass es so vieles sei... (Zum Glück war es nichts Existenzielles, Schlimmes, darum vermute ich auch eher Hormone als Ursache...)
Am Ende sagte sie jedenfalls schluchzend: "Es tut mir so leid, Mama, ich weiß, dass du dir jetzt bestimmt auch noch Sorgen machst um mich, weil ich so traurig bin". Und dann weinte sie noch eine Runde darüber, dass sie mir Sorgen bereitet...
Ich finde, das spricht nicht gerade für mangelnde Empathie, wenn sie in all ihrem eigenen Kummer auch noch an meine Gefühle denkt...
Zuletzt geändert von sinus am Fr 10. Apr 2015, 11:19, insgesamt 6-mal geändert.
Die Blätter sind bunt
nun bellt der Hund
nun lacht der Mund
Raureif liegt auf dem Gras.
Der Has`
friert um die Nas.

(Herbstgedicht der 6jährigen)
sinus
Dauergast
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Re: Ein kurzes Hallo

Beitrag von sinus »

PS:
In den letzten beiden Jahren hat sich bei meiner Großen nochmal sehr, sehr viel getan übrigens.
Viele Sorgen, die ich mir gemacht habe, als sie so 4 war, haben sich komplett in Luft aufgelöst.
Damals ging sie z.B. auch nur ungern in den Kindergarten und spielte dort auch fast nur allein.
Jetzt hat sie viele Freunde und Freundinnen, wenns nach ihr ginge, hätten wir jeden Tag Spielbesuch.
Und sie hat sich jetzt auch gut in die Gruppe integriert, spielt nicht mehr nur mit einzelnen Kindern, sondern auch mal in der "Rotte" mit.
Sie kümmert sich gut um ihre jüngere Schwester (grad 1 geworden) und spielt sogar ab und an mal bei Wettspielen mit.

Das alles ganz und gar ohne Interventionen, um irgendwas an diesen früheren "Baustellen" zu fördern.
Sie ist da schlicht in den letzten Jahren und Monaten hineingewachsen und gereift.
Kognitives Hinzulernen ist bei ihr dabei übrigens eher in den Hintergrund getreten, sie hat offensichtlich ihre Energie eher in "soziales Lernen" investiert. :D
Bei der "Ausgangslage", die wie hier mit 3, 4 Jahren hatten, genau richtig!

Ich würde darum sagen:
Beobachte genau, aber sorge dich nicht zu viel. Die Kinder wachsen und lernen bis zum Schulalter wirklich noch sehr viel.
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(Herbstgedicht der 6jährigen)
radfahrerin
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Re: Ein kurzes Hallo

Beitrag von radfahrerin »

@ rabaukenmama
Natürlich muss man jedes Kind einzeln beurteilen

Allerdings kannst du eine Erzieherin mit 45 Fragen und sie wird sofort trennen rufen. Fragst du eine junge Erzieherin heißt es zusammen lassen.
So wird es Ihnen beigebracht.
Ich bin dankbar dafür, dass wir in der Krippe 3 ganz tolle Erzieherinnen hatten die sich für all ihre Kinder wirklich stark machen und wirklich jedes Kind einzeln sehen.
Eine dieser 3 sagte mal etwas ganz tolles: " Bei fast jedem Entwicklungsgespräch werden wir nach den Schwächen des Kindes gefragt. Kaum ein Elternteil fragt danach was sein Kind besonders gut kann und ist damit zufrieden. Dabei entwickelt sich jedes Kind in seinem eigenen Tempo." Das fand ich sehr schön.

LG
radfahrerin
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Re: Ein kurzes Hallo

Beitrag von radfahrerin »

@ sinus
Vielen Dank für deine Antwort.

Du hast mir da echt einen Denkanstoß gegeben, denn in vielem erkenne ich meine Mäuse wieder.

Meine Mädels kümmern sich sehr umeinander und trösten sich auch. Freunde werden stehen gelassen wenn die Schwester weint ... Zu mindestens im Kindergarten. Zu Hause ist das nicht immer so.
Bei anderen Kindern ist es anders. Da kann geweint werden, es wird höchstens mal geschaut oder einen Erwachsenen gefragt was denn los sein. Aber trösten oder gar darauf eingehen tun sie nicht.
Andererseits sind sie sehr emotional. Sie haben sogar bitterlich geweint als mein Mann ihnen das 1. mal Das hässliche Entlein vorgelesen hat. So sehr, dass ich dazu kommen musste. Sie fanden es so furchtbar, dass das arme Entlein niemand mag. Also schon sehr viel Mitgefühl. Ihnen werden Dinge auch oft zu spannend oder aufregend. Dann halten sie sich die Ohren zu. E. hat beim Abspann des Sandmännchens mal schon geweint, weil sie so traurig war, dass es schon vorbei war. Sie weint auch ab und an abends, weil sie ins Bett soll und der Tag für sie zu kurz war. Manche Lieder darf ich Ihnen nicht vorsingen, weil sie sie so traurig machen. Z. B. Dezember aus Anastasia.

Auch das aus dem Weg gehen von Wettkampfsituationen kenne ich von E. sehr gut. Sie ist sehr ehrgeizig und kann einfach nicht verlieren. Am liebsten immer die 1. sein. Daher spielt sie manche Sachen erst gar nicht mit. Sie könnte ja verlieren.

Du merkst schon S. scheint etwas "pflegeleichter" als E. zu sein.
Aber sie hat andere "Macken ". Einmal ist sie schreiend vor mir weggelaufen weil ich ihr mit dem Reißverschluss helfen wollte. Wir wissen, dass sie es kann und lassen sie auch machen, aber er hatte sich verhakt. Im Endeffekt standen wir dann 2 m von ihr entfernt und es dauerte ca 10 min bis sie es geschafft hatte. Im Vorbeigehen hat sie dann auch noch nach meinem Mann gehauen weil sie immer noch so wütend war weil wir helfen wollten. Wir waren übrigens in einem Möbelhaus.

Vielleicht sind sie wirklich einfach zu emotional und müssen sich Grenzen schaffen um für sich mit allem klar zu kommen.

LG
radfahrerin
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Re: Ein kurzes Hallo

Beitrag von radfahrerin »

Ach ja, Freunde haben sie. Es vergeht kaum ein Tag an dem ich nicht von irgendeinem Kind nach einer Verabredung gefragt werde. Meist stehen sie dann mit großen Kulleraugen zu dritt vor mir.
Ein Mädchen heute hat sich lieber mit ihrer Mutter angelegt als ohne die Beiden den Kindergarten zu verlassen. ;)
Rabaukenmama
Dauergast
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Re: Ein kurzes Hallo

Beitrag von Rabaukenmama »

radfahrerin hat geschrieben:@ rabaukenmama
Natürlich muss man jedes Kind einzeln beurteilen

Allerdings kannst du eine Erzieherin mit 45 Fragen und sie wird sofort trennen rufen. Fragst du eine junge Erzieherin heißt es zusammen lassen.
So wird es Ihnen beigebracht.
Widerspricht sich für mir mit der Erstaussage man muss jedes Kind einzeln beurteilen. Vor allem stört mich die Begründung, es würde eben "heute" so gemacht und nicht anders. Damit ist man automaisch altmodich wenn man selbst anderer Ansicht ist.

Dabei habe ich selbst keinerlei Präferenz wir man Zwillinge im Kiga unterbringen soll (gemeinsam oder getrennt). Mir fällt nur eine Stelle aus einem Reinhard-Mey-Lied ein, wo es heißt "Nur altes Vorurteil ist jetzt durch neues Vorurteil ersetzt, zu Theorien aufpoliert..."


radfahrerin hat geschrieben:Ich bin dankbar dafür, dass wir in der Krippe 3 ganz tolle Erzieherinnen hatten die sich für all ihre Kinder wirklich stark machen und wirklich jedes Kind einzeln sehen.
Eine dieser 3 sagte mal etwas ganz tolles: " Bei fast jedem Entwicklungsgespräch werden wir nach den Schwächen des Kindes gefragt. Kaum ein Elternteil fragt danach was sein Kind besonders gut kann und ist damit zufrieden. Dabei entwickelt sich jedes Kind in seinem eigenen Tempo." Das fand ich sehr schön.

LG
Sehe ich genauso. Generell ist der Eltern-Fokus viel zu sehr auf den Defiziten und den Dingen, die nicht so gut funktionieren. Und ich bin auch sehr froh, mit den Kindergarten meines Buben (die auf Grund der Behinderung des Kleinen getrennt untergebracht werden mußten) Grlück zu haben. Denn beide fühlen sich wohl und werden so angenommen, wie sie sind :D .
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Momo
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Re: Ein kurzes Hallo

Beitrag von Momo »

Hallo Radfahrerin,
zum Thema Trennung der Zwillinge im Kindergarten sagt mein Gefühl bei der Beschreibung Deiner Kinder ganz klar nein ;) Wozu ihnen die Sicherheit nehmen, die sie im Moment durch die Schwester haben? Nach außen werden sie sich ganz von alleine orientieren, dies braucht einfach noch etwas Zeit und es beginnt Deinen Beschreibungen zufolge ja schon. Meine Tochter war bisher ja auch sehr stark auf mich als Mutter fixiert, hat zwar auch viele liebe Freunde, doch meine Gegenwart war ihr trotzdem immer sehr wichtig. Jetzt mit 4,5 Jahren ist ein plötzlicher Wandel zu spüren, total klar und sicher- sie will mit anderen Kindern zusammen sein, möchte neue Kinder kennenlernen und auch ohne mich und andere Beaufsichtigung spielen. Sie geht auf fremde Kinder zu, kann sich von mir aber auch von anderen Kindern abgrenzen und handelt sehr verantwortungsbewusst. Nun fällt es mir leicht, sie gehen zu lassen, sie ist bereit und fordert diese Eigenständigkeit ein. Ist das nicht großartig? Alles kommt ganz von alleine, wir müssen als Erwachsene überhaupt nichts anbahnen oder forcieren. Meine Tochter hat sogar von sich aus den Wunsch geäußert, in den Kindergarten gehen zu wollen (nach einem missglückten Eingewöhnungsversuch im letzten Jahr betreuen wir sie bis heute zu Hause) und diesen Wunsch erfüllen wir ihr natürlich sehr gerne. Also, Zeit und Vertrauen, das können wir unseren Kindern schenken und sie werden sich wunderbar entwickeln!

Liebe Grüße von Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
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