Du bist doch auch hochbegabt oder nicht?!
Re: Du bist doch auch hochbegabt oder nicht?!
manchmal sehen Menschen das Thema Hochbegabung aus völlig unterschiedlichen Blickwinkeln, damit muss man eben klar kommen
Re: Du bist doch auch hochbegabt oder nicht?!
Ich denke auch, das man das nicht allein am Zeugnis festmachen kann!
Re: Du bist doch auch hochbegabt oder nicht?!
der Beitrag ist zwar schon etwas älter, aber dennoch spricht er mich so an, dass ich mich noch dazu gesellen möchte, leicht verspätet ...
Bei uns in der Familie kam das Thema Hochbegabung auf, als mein sich Neffe (Sohn meines Bruders) im Kleinkindalter im Rahmen einer psychologischen Langzeitstudie (die Mutti, meine Schwägerin, ist Kinder- und Jugendpsychologin) als höchstbegabt entpuppte. Dieser ist heute 17.
Meinen Bruder, der klassische Schulversager und orientierungslose Freigeist , wurde irgendwie neugierig und testete sich auch. Bingo - ebenfalls hochbegabt (sein Sohn hat ihn aber um einiges übertrumpft ).
Als ich dann zu Besuch war, fragte mich mein Bruder (ich war so Mitte 20):" Nora, bist du auch hochbegabt?" Ich war wie vor den Kopf gestoßen.. Eigentlich hatte ich mich immer eher für dumm gehalten, auch meine Tante sagte mal zu mir:"du würdest das Abi nie schaffen, gut, dass du in der Realschule bist..." Mein Vater hatte mich immer testen wollen als Kind (seines Zeichens Psychologe), was ich aber immer vehement verneint habe, ich hatte Angst, das rauskommt, ich sei debil .
Bei einem Intelligenz- und Eignungstest für meine Ausbildung hatte ich aber ein außergewöhnlich hohes Ergebnis gehabt (in Prozentrang angegeben), so hoch, dass die feinen Pinkel, die im Bewerbungsgespräch vor mir saßen, mich explizit noch mal darauf ansprachen... Mir war das nur peinlich, weil ich mich fast wie ein Betrüger fühlte .
Ich dachte nämlich, das wäre nur "Zufall" oder "Glück" gewesen und hatte das nie besonders ernst genommen.
Und dann kam diese FRage von meinem Bruder... Ich antwortete mit:"keine Ahnung" und erzählte ihm aber von diesem Test...
Dieses Thema beschäftigte mich noch ein paar Tage, dann verblasste es wieder und verschwand wieder in der Versenkung.
Als ich dann einige Jahre später beschloss, mein Abitur DOCH nachzumachen (trotz der Unkenrufe aus der Verwandtschaft), machte ich nochmal einen Test im Internet. Damals waren die auch noch halbwegs seriös . Die Aufgaben mussten in einer bestimmten Zeit gelöst werden, wurden immer schwieriger (pro Themenbereich) und umfassten alle mir aus dem ersten IQ-Test bekannten Bereiche, außer einem (Multitasking, aber ich glaube, das hatte meine Ausbildungsstätte noch zusätzlich mit angehängt und gehört nicht standardmäßig in einen IQ-Test). Und siehe da, das Ergebnis deckte sich so ziemlich mit dem ersten Test im Rahmen der Ausbildung, bloß in IQ-Wert ausgedrückt...
Ich machte also die Aufnahmeprüfung für den zweiten Bildungsweg ABITUR und macht mein Abitur. Leider nicht mit LK und GK, sonst wäre das Ergebnis grandios gewesen. Mit dem neuen Abitur und trotz Prüfungsangst, die sich leider im schriftlichen Abi zweimal voll entfaltete, hatte ich aber immerhin einen Schnitt von 1,7...
Damit hatte ich mir endlich "bewiesen": so dumm kannst du garnicht sein ...
Leider half mir das neue Bewusstsein, nicht total debil zu sein, auch nicht weiter, mich beruflich zu orientieren. Es war einfach zu viel interessant, ich konnte mich nie wirklich auf etwas "festlegen".
Das Thema ruhte wieder eine Weile, für hochbegabt hielt ich mich NIE.
Und dann kamen meine Kinder. Schnell wurde klar, die sind alle immer irgendwie schneller und fitter in allem als die anderen Kinder um sie herum... Keine krassen "WUnderkinder", wie man sie aus dem Fernsehen kennt, aber doch manchmal erstaunlich helle für ihr Alter .
So richtig präsent wurde das Thema "Hochbegabung" aber erst, als wir in den neuen Kiga kamen und es dort Probleme gab.
Natürlich habe ich mich dann nochmal auf ganz andere Art und Weise mit dem Thema auseinander gesetzt, unser Sohn wurde getestet und nun sind wir hier.
Nun ist mir auch klar, dass die IQ-Tests bei mir wohl auch nicht "ausversehen" so hoch waren und natürlich setzt das nicht nur wegen meines Kindes, bzw. meiner Kinder vieles in Bewegung in meinem Kopf, sondern auch bezüglich meiner eigenen Kindheit und Jugend. Manchmal werde ich zur Zeit richtig traurig und denke:"was hätte alles aus mir werden können, wäre mein Potential entdeckt und gefördert worden?". Aber dann denke ich wieder:" wenn mein Leben nicht so gelaufen wäre, wie es gelaufen ist, dann wäre ich jetzt nicht so wie ich bin, ich hätte meinen Mann nicht kennen gelernt (wahrscheinlich) und vielleicht hätte ich auch nicht diese wundervollen, lieben, kreativen, klugen Kinder...
Deswegen versuche ich, nicht ZU melancholisch zu sein, wegen meiner verpassten Chancen. Es kommt wie es kommen soll, immer irgendwie.
Liebe Grüße an alle lieben Menschen hier und ihre Kinder
Nora
Bei uns in der Familie kam das Thema Hochbegabung auf, als mein sich Neffe (Sohn meines Bruders) im Kleinkindalter im Rahmen einer psychologischen Langzeitstudie (die Mutti, meine Schwägerin, ist Kinder- und Jugendpsychologin) als höchstbegabt entpuppte. Dieser ist heute 17.
Meinen Bruder, der klassische Schulversager und orientierungslose Freigeist , wurde irgendwie neugierig und testete sich auch. Bingo - ebenfalls hochbegabt (sein Sohn hat ihn aber um einiges übertrumpft ).
Als ich dann zu Besuch war, fragte mich mein Bruder (ich war so Mitte 20):" Nora, bist du auch hochbegabt?" Ich war wie vor den Kopf gestoßen.. Eigentlich hatte ich mich immer eher für dumm gehalten, auch meine Tante sagte mal zu mir:"du würdest das Abi nie schaffen, gut, dass du in der Realschule bist..." Mein Vater hatte mich immer testen wollen als Kind (seines Zeichens Psychologe), was ich aber immer vehement verneint habe, ich hatte Angst, das rauskommt, ich sei debil .
Bei einem Intelligenz- und Eignungstest für meine Ausbildung hatte ich aber ein außergewöhnlich hohes Ergebnis gehabt (in Prozentrang angegeben), so hoch, dass die feinen Pinkel, die im Bewerbungsgespräch vor mir saßen, mich explizit noch mal darauf ansprachen... Mir war das nur peinlich, weil ich mich fast wie ein Betrüger fühlte .
Ich dachte nämlich, das wäre nur "Zufall" oder "Glück" gewesen und hatte das nie besonders ernst genommen.
Und dann kam diese FRage von meinem Bruder... Ich antwortete mit:"keine Ahnung" und erzählte ihm aber von diesem Test...
Dieses Thema beschäftigte mich noch ein paar Tage, dann verblasste es wieder und verschwand wieder in der Versenkung.
Als ich dann einige Jahre später beschloss, mein Abitur DOCH nachzumachen (trotz der Unkenrufe aus der Verwandtschaft), machte ich nochmal einen Test im Internet. Damals waren die auch noch halbwegs seriös . Die Aufgaben mussten in einer bestimmten Zeit gelöst werden, wurden immer schwieriger (pro Themenbereich) und umfassten alle mir aus dem ersten IQ-Test bekannten Bereiche, außer einem (Multitasking, aber ich glaube, das hatte meine Ausbildungsstätte noch zusätzlich mit angehängt und gehört nicht standardmäßig in einen IQ-Test). Und siehe da, das Ergebnis deckte sich so ziemlich mit dem ersten Test im Rahmen der Ausbildung, bloß in IQ-Wert ausgedrückt...
Ich machte also die Aufnahmeprüfung für den zweiten Bildungsweg ABITUR und macht mein Abitur. Leider nicht mit LK und GK, sonst wäre das Ergebnis grandios gewesen. Mit dem neuen Abitur und trotz Prüfungsangst, die sich leider im schriftlichen Abi zweimal voll entfaltete, hatte ich aber immerhin einen Schnitt von 1,7...
Damit hatte ich mir endlich "bewiesen": so dumm kannst du garnicht sein ...
Leider half mir das neue Bewusstsein, nicht total debil zu sein, auch nicht weiter, mich beruflich zu orientieren. Es war einfach zu viel interessant, ich konnte mich nie wirklich auf etwas "festlegen".
Das Thema ruhte wieder eine Weile, für hochbegabt hielt ich mich NIE.
Und dann kamen meine Kinder. Schnell wurde klar, die sind alle immer irgendwie schneller und fitter in allem als die anderen Kinder um sie herum... Keine krassen "WUnderkinder", wie man sie aus dem Fernsehen kennt, aber doch manchmal erstaunlich helle für ihr Alter .
So richtig präsent wurde das Thema "Hochbegabung" aber erst, als wir in den neuen Kiga kamen und es dort Probleme gab.
Natürlich habe ich mich dann nochmal auf ganz andere Art und Weise mit dem Thema auseinander gesetzt, unser Sohn wurde getestet und nun sind wir hier.
Nun ist mir auch klar, dass die IQ-Tests bei mir wohl auch nicht "ausversehen" so hoch waren und natürlich setzt das nicht nur wegen meines Kindes, bzw. meiner Kinder vieles in Bewegung in meinem Kopf, sondern auch bezüglich meiner eigenen Kindheit und Jugend. Manchmal werde ich zur Zeit richtig traurig und denke:"was hätte alles aus mir werden können, wäre mein Potential entdeckt und gefördert worden?". Aber dann denke ich wieder:" wenn mein Leben nicht so gelaufen wäre, wie es gelaufen ist, dann wäre ich jetzt nicht so wie ich bin, ich hätte meinen Mann nicht kennen gelernt (wahrscheinlich) und vielleicht hätte ich auch nicht diese wundervollen, lieben, kreativen, klugen Kinder...
Deswegen versuche ich, nicht ZU melancholisch zu sein, wegen meiner verpassten Chancen. Es kommt wie es kommen soll, immer irgendwie.
Liebe Grüße an alle lieben Menschen hier und ihre Kinder
Nora
Es kann sein, dass nicht alles wahr ist, was ein Mensch dafür hält, denn er kann irren, aber in allem, was er sagt, muss er wahrhaftig sein.
-
- Dauergast
- Beiträge: 2973
- Registriert: So 8. Dez 2013, 21:24
Re: Du bist doch auch hochbegabt oder nicht?!
Hallo Meine3,
bei mir wurde die Hochbegabung beim Einschulungstest erstmals festgestellt. Dabei durfte ich bei dem nur "pro forma" mitmachen, weil mein Sozialverhalten im Kindergarten so auffällig war, dass ich eigentlich noch ein Jahr dort bleiben sollte. Aber da ich nun mal den besten Einschulungstest von 90 Kindern hingelegt hatte, "durfte" ich regulär mit 6 Jahren in die Schule.
In der Grundschule habe ich mir (wie mein älterer Sohn heute) sehr leicht getan und meine 1er immer komplett ohne lernen geschrieben. Trotzdem hatte ich wegen mangelnder Mitarbeit (HÜ nicht gemacht) in Deutsch und Mathe eine 2 im Zeugnis der 4. Klasse (und eine mehr als verdiente in turnen ). Weil mein Sozialverhalten noch immer auffällig war (habe z.B. andere Kinder gebissen) waren meine Eltern nicht sicher ob Gymnasium oder Hauptschule. Also sollte das die Schulpsychologin feststellen, bei der ich in der 4. Klasse einmal pro Woche war. Naja, recht hilfreich war sie nicht, denn die Erkenntnis, dass ich intellektuell imstande bin, das Gymnasium zu schaffen, aber im Sozialverhalten deutlich hintennach, war eigentlich nicht neu, sondern quasi die "Aufgabenstellung" für sie. Wie dem auch sei, ich kam in die Hauptschule, wo ich weiter nichts gelernt habe, halt meine 2er und 3er geschrieben habe, und letztendlich so gemobbt wurde, dass ich im 3. HS-Jahr Schule wechseln musste (in eine andere Hauptschule).
Danach, in der höheren Schule, hätte ich wirklich LERNEN müssen, empfand das aber als Zumutung und habe daher die Schule abgebrochen und eine Lehre gemacht. Mein IQ war eigentlich nie Thema, nur meine Verhaltensauffälligkeiten.
Ich wurde aber immer wieder mal angesprochen, ob ich hochbegabt bin, schon als Kind. Tja, da meine Eltern mir nichts vom Einschulungstestergebnis erzählt hatte, wusste ich es selbst nicht. Mit 15 habe ich mir dann ein Buch gekauft "Teste deine Intelligenz" und daraus den Selbsttest gemacht. Und das Ergebnis war klar im HB-Bereich (wenngleich schlechter als beim Einschulungstest und später beim Mensa-Test). Dann kam die Zeit, wo ich mich für das "verkannte Genie" gehalten habe, weil ich den anderen ja so haushoch überlegen war. Natürlich war diese Einstellung meiner eigenen Unsicherheit und meinem geringen Selbstwertgefühl geschuldet. Ich war nie schön gewesen (dicke Brille, Zahnspange wegen Vorbiss, orthopädische Einlagen wegen Watschelgang, für mein Alter klein und jünger wirkend,...) und auch nie durch brav-sein positiv aufgefallen (eher das Gegenteil ), also glaubte ich, mit dem hohen IQ jetzt etwas gefunden zu haben, wo ich wirklich "gut" war und wollte dafür auch Anerkennung. So, wie sie die schönen Kinder (die ja auch nichts dafür konnten) für ihr Aussehen bekamen und die braven Kinder für ihr Benehmen. Tja, da war aber nichts, mit einem hohen IQ angeben ist nicht nur gesellschaftlich ein NO-GO, man steht auch schnell als Lügner oder Hochstapler da.
Als ich dann, Jahre später, mit Mitte 30 den Mensa-Test gemacht habe, hat sich meine Mutter übrigens meinen IQ-Wert danach aufgeschrieben (um ihn nicht zu vergessen), damit sie damit vor ihren Kaffeehaus-Freundinnen prahlen konnte . Und es gibt immer wieder noch Menschen, z.B. Arbeitskollegen, die mich ansprechen, ob ich nicht HB bin - also so ganz "verheimlichen" funktioniert nicht. Ich bin aber auch nicht mehr gewillt, mich absichtlich zu verbiegen, um vorzutäuschen, NICHT hochbegabt zu sein. Mittlerweile habe ich längst erkannt, dass diejenigen, die mich mögen und schätzen, das unabhängig von meinem IQ tun, und diejenigen, die mich ablehnen ebenso - ich brauche also nicht auf "Norm" zu spielen. Wobei ich aber - ehrlich gesagt - schon probiere, vor allem bei Familientreffen möglichst wenig Fremdwörter zu verwenden, sonst ist wieder die große Diskussion, WAS ich jetzt eigentlich gesagt habe. Dabei hilft mir, im Familienkreis im breitesten Dialekt zu sprechen, denn für die meisten für mich normalen Fremdwörter, die dann eventuell nicht verstanden werden, gibt es keine Dialektform (z.B. explizit, Resilienz, Suizid,...) und ich komme mit ein bisschen nachdenken schnell auf die Entsprechungen in deutsch .
Was du von deiner Familie beschreibst, stimmt mich einfach nur traurig. Ich finde es einfach gemein, Kindern zu vermitteln, dass sie "nicht gescheit" sind, unabhängig vom IQ! Dass du dich beruflich nie auf etwas festlegen konntest liegt vermutlich daran, dass du (wie viele HBs) breit gefächerte Interessen hast. Und wir werden alle erst die, die wir sind, durch unsere Erfahrungen.
Bei mir war der berufliche Weg eigentlich ein Zufall. Mit 14 Jahren habe ich einen "Berufseignungstest" gemacht, mit getesteten Begabungen und abgefragten Interessen. Damals habe ich bei "Technik" 0 Interesse angegeben (auf einer Skala von 0-9). Im Test lag ich aber bei allen technischen Fragen zwischen 7 und 9. Tja, und das Leben hat mich dann über Umwege in den technischen Verkauf gestellt - als einzige Frau unter männlichen Kollegen und 95% männlichen Kunden . Das ist aber nichts, was ich mir bewusst ausgesucht habe, es hat sich einfach so ergeben.
Zum Thema "melancholisch sein wegen verpasster Chancen" - da sehe ich, wie sich die Ereignisse wiederholen. Ich habe jetzt einen vermutlich (nicht getesteten) hochbegabten Drittklässler mit null Ehrgeiz, der lieber in die Hauptschule will als aufs Gymnasium. Ich weiß, dass er die Tragweite so einer Entscheidung nicht annähernd begreift. Selbst habe ich schon oft nachgedacht, was aus mir geworden wäre, hätte ich das Gymnasium zumindest VERSUCHEN dürfen. Ich mache meinen Eltern keine Vorwürfe für ihre damalige Entscheidung, aber sie bewegt mich eben JETZT, wo ich für meinen Sohn vor derselben Entscheidung stehe.
Tatsächlich habe ich keine Chancen verpasst. Ich habe mit Mitte 30 die Studienberechtigungsprüfung gemacht und dann begonnen, neben Beruf und Kind (damals gerade 1 Jahr alt) mein Traumfach (Molekularbiologie) zu studieren. Als mein zweiter Sohn dann schwer behindert zur Welt kam, habe ich abgebrochen. Das Leben wollte wohl nicht, dass ich da weiter mache. Es kommt immer so viel dazwischen, und immer anders als man denkt. Aber meistens passt es dann schon - zumindest bei mir!
bei mir wurde die Hochbegabung beim Einschulungstest erstmals festgestellt. Dabei durfte ich bei dem nur "pro forma" mitmachen, weil mein Sozialverhalten im Kindergarten so auffällig war, dass ich eigentlich noch ein Jahr dort bleiben sollte. Aber da ich nun mal den besten Einschulungstest von 90 Kindern hingelegt hatte, "durfte" ich regulär mit 6 Jahren in die Schule.
In der Grundschule habe ich mir (wie mein älterer Sohn heute) sehr leicht getan und meine 1er immer komplett ohne lernen geschrieben. Trotzdem hatte ich wegen mangelnder Mitarbeit (HÜ nicht gemacht) in Deutsch und Mathe eine 2 im Zeugnis der 4. Klasse (und eine mehr als verdiente in turnen ). Weil mein Sozialverhalten noch immer auffällig war (habe z.B. andere Kinder gebissen) waren meine Eltern nicht sicher ob Gymnasium oder Hauptschule. Also sollte das die Schulpsychologin feststellen, bei der ich in der 4. Klasse einmal pro Woche war. Naja, recht hilfreich war sie nicht, denn die Erkenntnis, dass ich intellektuell imstande bin, das Gymnasium zu schaffen, aber im Sozialverhalten deutlich hintennach, war eigentlich nicht neu, sondern quasi die "Aufgabenstellung" für sie. Wie dem auch sei, ich kam in die Hauptschule, wo ich weiter nichts gelernt habe, halt meine 2er und 3er geschrieben habe, und letztendlich so gemobbt wurde, dass ich im 3. HS-Jahr Schule wechseln musste (in eine andere Hauptschule).
Danach, in der höheren Schule, hätte ich wirklich LERNEN müssen, empfand das aber als Zumutung und habe daher die Schule abgebrochen und eine Lehre gemacht. Mein IQ war eigentlich nie Thema, nur meine Verhaltensauffälligkeiten.
Ich wurde aber immer wieder mal angesprochen, ob ich hochbegabt bin, schon als Kind. Tja, da meine Eltern mir nichts vom Einschulungstestergebnis erzählt hatte, wusste ich es selbst nicht. Mit 15 habe ich mir dann ein Buch gekauft "Teste deine Intelligenz" und daraus den Selbsttest gemacht. Und das Ergebnis war klar im HB-Bereich (wenngleich schlechter als beim Einschulungstest und später beim Mensa-Test). Dann kam die Zeit, wo ich mich für das "verkannte Genie" gehalten habe, weil ich den anderen ja so haushoch überlegen war. Natürlich war diese Einstellung meiner eigenen Unsicherheit und meinem geringen Selbstwertgefühl geschuldet. Ich war nie schön gewesen (dicke Brille, Zahnspange wegen Vorbiss, orthopädische Einlagen wegen Watschelgang, für mein Alter klein und jünger wirkend,...) und auch nie durch brav-sein positiv aufgefallen (eher das Gegenteil ), also glaubte ich, mit dem hohen IQ jetzt etwas gefunden zu haben, wo ich wirklich "gut" war und wollte dafür auch Anerkennung. So, wie sie die schönen Kinder (die ja auch nichts dafür konnten) für ihr Aussehen bekamen und die braven Kinder für ihr Benehmen. Tja, da war aber nichts, mit einem hohen IQ angeben ist nicht nur gesellschaftlich ein NO-GO, man steht auch schnell als Lügner oder Hochstapler da.
Als ich dann, Jahre später, mit Mitte 30 den Mensa-Test gemacht habe, hat sich meine Mutter übrigens meinen IQ-Wert danach aufgeschrieben (um ihn nicht zu vergessen), damit sie damit vor ihren Kaffeehaus-Freundinnen prahlen konnte . Und es gibt immer wieder noch Menschen, z.B. Arbeitskollegen, die mich ansprechen, ob ich nicht HB bin - also so ganz "verheimlichen" funktioniert nicht. Ich bin aber auch nicht mehr gewillt, mich absichtlich zu verbiegen, um vorzutäuschen, NICHT hochbegabt zu sein. Mittlerweile habe ich längst erkannt, dass diejenigen, die mich mögen und schätzen, das unabhängig von meinem IQ tun, und diejenigen, die mich ablehnen ebenso - ich brauche also nicht auf "Norm" zu spielen. Wobei ich aber - ehrlich gesagt - schon probiere, vor allem bei Familientreffen möglichst wenig Fremdwörter zu verwenden, sonst ist wieder die große Diskussion, WAS ich jetzt eigentlich gesagt habe. Dabei hilft mir, im Familienkreis im breitesten Dialekt zu sprechen, denn für die meisten für mich normalen Fremdwörter, die dann eventuell nicht verstanden werden, gibt es keine Dialektform (z.B. explizit, Resilienz, Suizid,...) und ich komme mit ein bisschen nachdenken schnell auf die Entsprechungen in deutsch .
Was du von deiner Familie beschreibst, stimmt mich einfach nur traurig. Ich finde es einfach gemein, Kindern zu vermitteln, dass sie "nicht gescheit" sind, unabhängig vom IQ! Dass du dich beruflich nie auf etwas festlegen konntest liegt vermutlich daran, dass du (wie viele HBs) breit gefächerte Interessen hast. Und wir werden alle erst die, die wir sind, durch unsere Erfahrungen.
Bei mir war der berufliche Weg eigentlich ein Zufall. Mit 14 Jahren habe ich einen "Berufseignungstest" gemacht, mit getesteten Begabungen und abgefragten Interessen. Damals habe ich bei "Technik" 0 Interesse angegeben (auf einer Skala von 0-9). Im Test lag ich aber bei allen technischen Fragen zwischen 7 und 9. Tja, und das Leben hat mich dann über Umwege in den technischen Verkauf gestellt - als einzige Frau unter männlichen Kollegen und 95% männlichen Kunden . Das ist aber nichts, was ich mir bewusst ausgesucht habe, es hat sich einfach so ergeben.
Zum Thema "melancholisch sein wegen verpasster Chancen" - da sehe ich, wie sich die Ereignisse wiederholen. Ich habe jetzt einen vermutlich (nicht getesteten) hochbegabten Drittklässler mit null Ehrgeiz, der lieber in die Hauptschule will als aufs Gymnasium. Ich weiß, dass er die Tragweite so einer Entscheidung nicht annähernd begreift. Selbst habe ich schon oft nachgedacht, was aus mir geworden wäre, hätte ich das Gymnasium zumindest VERSUCHEN dürfen. Ich mache meinen Eltern keine Vorwürfe für ihre damalige Entscheidung, aber sie bewegt mich eben JETZT, wo ich für meinen Sohn vor derselben Entscheidung stehe.
Tatsächlich habe ich keine Chancen verpasst. Ich habe mit Mitte 30 die Studienberechtigungsprüfung gemacht und dann begonnen, neben Beruf und Kind (damals gerade 1 Jahr alt) mein Traumfach (Molekularbiologie) zu studieren. Als mein zweiter Sohn dann schwer behindert zur Welt kam, habe ich abgebrochen. Das Leben wollte wohl nicht, dass ich da weiter mache. Es kommt immer so viel dazwischen, und immer anders als man denkt. Aber meistens passt es dann schon - zumindest bei mir!
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Re: Du bist doch auch hochbegabt oder nicht?!
Rabaukenmama hat geschrieben:Hallo Meine3,
bei mir wurde die Hochbegabung beim Einschulungstest erstmals festgestellt. Dabei durfte ich bei dem nur "pro forma" mitmachen, weil mein Sozialverhalten im Kindergarten so auffällig war, dass ich eigentlich noch ein Jahr dort bleiben sollte. Aber da ich nun mal den besten Einschulungstest von 90 Kindern hingelegt hatte, "durfte" ich regulär mit 6 Jahren in die Schule.
In der Grundschule habe ich mir (wie mein älterer Sohn heute) sehr leicht getan und meine 1er immer komplett ohne lernen geschrieben. Trotzdem hatte ich wegen mangelnder Mitarbeit (HÜ nicht gemacht) in Deutsch und Mathe eine 2 im Zeugnis der 4. Klasse (und eine mehr als verdiente in turnen ). Weil mein Sozialverhalten noch immer auffällig war (habe z.B. andere Kinder gebissen) waren meine Eltern nicht sicher ob Gymnasium oder Hauptschule. Also sollte das die Schulpsychologin feststellen, bei der ich in der 4. Klasse einmal pro Woche war. Naja, recht hilfreich war sie nicht, denn die Erkenntnis, dass ich intellektuell imstande bin, das Gymnasium zu schaffen, aber im Sozialverhalten deutlich hintennach, war eigentlich nicht neu, sondern quasi die "Aufgabenstellung" für sie. Wie dem auch sei, ich kam in die Hauptschule, wo ich weiter nichts gelernt habe, halt meine 2er und 3er geschrieben habe, und letztendlich so gemobbt wurde, dass ich im 3. HS-Jahr Schule wechseln musste (in eine andere Hauptschule).
Danach, in der höheren Schule, hätte ich wirklich LERNEN müssen, empfand das aber als Zumutung und habe daher die Schule abgebrochen und eine Lehre gemacht. Mein IQ war eigentlich nie Thema, nur meine Verhaltensauffälligkeiten.
Ich wurde aber immer wieder mal angesprochen, ob ich hochbegabt bin, schon als Kind. Tja, da meine Eltern mir nichts vom Einschulungstestergebnis erzählt hatte, wusste ich es selbst nicht. Mit 15 habe ich mir dann ein Buch gekauft "Teste deine Intelligenz" und daraus den Selbsttest gemacht. Und das Ergebnis war klar im HB-Bereich (wenngleich schlechter als beim Einschulungstest und später beim Mensa-Test). Dann kam die Zeit, wo ich mich für das "verkannte Genie" gehalten habe, weil ich den anderen ja so haushoch überlegen war. Natürlich war diese Einstellung meiner eigenen Unsicherheit und meinem geringen Selbstwertgefühl geschuldet. Ich war nie schön gewesen (dicke Brille, Zahnspange wegen Vorbiss, orthopädische Einlagen wegen Watschelgang, für mein Alter klein und jünger wirkend,...) und auch nie durch brav-sein positiv aufgefallen (eher das Gegenteil ), also glaubte ich, mit dem hohen IQ jetzt etwas gefunden zu haben, wo ich wirklich "gut" war und wollte dafür auch Anerkennung. So, wie sie die schönen Kinder (die ja auch nichts dafür konnten) für ihr Aussehen bekamen und die braven Kinder für ihr Benehmen. Tja, da war aber nichts, mit einem hohen IQ angeben ist nicht nur gesellschaftlich ein NO-GO, man steht auch schnell als Lügner oder Hochstapler da.
Als ich dann, Jahre später, mit Mitte 30 den Mensa-Test gemacht habe, hat sich meine Mutter übrigens meinen IQ-Wert danach aufgeschrieben (um ihn nicht zu vergessen), damit sie damit vor ihren Kaffeehaus-Freundinnen prahlen konnte . Und es gibt immer wieder noch Menschen, z.B. Arbeitskollegen, die mich ansprechen, ob ich nicht HB bin - also so ganz "verheimlichen" funktioniert nicht. Ich bin aber auch nicht mehr gewillt, mich absichtlich zu verbiegen, um vorzutäuschen, NICHT hochbegabt zu sein. Mittlerweile habe ich längst erkannt, dass diejenigen, die mich mögen und schätzen, das unabhängig von meinem IQ tun, und diejenigen, die mich ablehnen ebenso - ich brauche also nicht auf "Norm" zu spielen. Wobei ich aber - ehrlich gesagt - schon probiere, vor allem bei Familientreffen möglichst wenig Fremdwörter zu verwenden, sonst ist wieder die große Diskussion, WAS ich jetzt eigentlich gesagt habe. Dabei hilft mir, im Familienkreis im breitesten Dialekt zu sprechen, denn für die meisten für mich normalen Fremdwörter, die dann eventuell nicht verstanden werden, gibt es keine Dialektform (z.B. explizit, Resilienz, Suizid,...) und ich komme mit ein bisschen nachdenken schnell auf die Entsprechungen in deutsch .
Was du von deiner Familie beschreibst, stimmt mich einfach nur traurig. Ich finde es einfach gemein, Kindern zu vermitteln, dass sie "nicht gescheit" sind, unabhängig vom IQ! Dass du dich beruflich nie auf etwas festlegen konntest liegt vermutlich daran, dass du (wie viele HBs) breit gefächerte Interessen hast. Und wir werden alle erst die, die wir sind, durch unsere Erfahrungen.
Bei mir war der berufliche Weg eigentlich ein Zufall. Mit 14 Jahren habe ich einen "Berufseignungstest" gemacht, mit getesteten Begabungen und abgefragten Interessen. Damals habe ich bei "Technik" 0 Interesse angegeben (auf einer Skala von 0-9). Im Test lag ich aber bei allen technischen Fragen zwischen 7 und 9. Tja, und das Leben hat mich dann über Umwege in den technischen Verkauf gestellt - als einzige Frau unter männlichen Kollegen und 95% männlichen Kunden . Das ist aber nichts, was ich mir bewusst ausgesucht habe, es hat sich einfach so ergeben.
Zum Thema "melancholisch sein wegen verpasster Chancen" - da sehe ich, wie sich die Ereignisse wiederholen. Ich habe jetzt einen vermutlich (nicht getesteten) hochbegabten Drittklässler mit null Ehrgeiz, der lieber in die Hauptschule will als aufs Gymnasium. Ich weiß, dass er die Tragweite so einer Entscheidung nicht annähernd begreift. Selbst habe ich schon oft nachgedacht, was aus mir geworden wäre, hätte ich das Gymnasium zumindest VERSUCHEN dürfen. Ich mache meinen Eltern keine Vorwürfe für ihre damalige Entscheidung, aber sie bewegt mich eben JETZT, wo ich für meinen Sohn vor derselben Entscheidung stehe.
Tatsächlich habe ich keine Chancen verpasst. Ich habe mit Mitte 30 die Studienberechtigungsprüfung gemacht und dann begonnen, neben Beruf und Kind (damals gerade 1 Jahr alt) mein Traumfach (Molekularbiologie) zu studieren. Als mein zweiter Sohn dann schwer behindert zur Welt kam, habe ich abgebrochen. Das Leben wollte wohl nicht, dass ich da weiter mache. Es kommt immer so viel dazwischen, und immer anders als man denkt. Aber meistens passt es dann schon - zumindest bei mir!
Es macht mir echt Spaß, dir "zu zu hören" ....
Danke für dein MItgefühl. Zum Glück waren NUR mein Vater (Psychologe und kein lieber Mensch ) und meine Tante nicht von meiner Intelligenz überzeugt. Meine Mama und auch mein Bruder hatten da nie Zweifel, dass ich das Abi und noch mehr schaffen KÖNNTE, wenn ich aufhöre mir sozial und emotional im Weg zu stehen ...
Aber wenn man eh schon super sensibel ist und kein hohes Selbstwertgefühl hat, dann kratzt das natürlich trotzdem am Ego. Na ja, ich hab's meine Tante ja "gezeigt" ...
Ich finde es auch SEHR erleichternd und gut zu wissen, dass nich nur ich mit hellem Köpfchen einen mehr als holprigen Schul- und Karrierewerdegang habe. Bei mir wars nicht so wie bei dir, dass ich von Anbeginn zu "frech" oder aufmüpfig war, sondern ich habe mich, grade in der Grundschule total einschüchtern lassen. Da kam zweimal der Kommentar "Streber" von so ein paar Dummbroten aus der letzten Reihe und dann war's um meine Courage geschehen. Also saß ich dann halt oft da, hab vor mich hin geträumt und gemalt und bin dann ausgeschimpft worden, weil ich nicht aufpasse... Dann war ich auch noch länger krank und meine heißgeliebte Lehrerin wurde durch einen Unsymphat erster Güte ersetzt und schon sind die Noten, ausgerechnet in der letzten Klasse nicht mehr repräsentativ geswesen... In der Realschule habe ich mich dann noch mehr "versteckt" und verstellt, bis hin zu Verweigerung und fast sitzenbleiben. Einige Lehrer haben sehr wohl gemerkt, was ich könnte, haben meine Mutter auch drauf angesprochen, aber die war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt als dass sie da irgendwie "reagiert" hätte.
Da konnte es halt auch passieren, dass ich demonstrativ mit dem Walkman WÄHREND einer Französisch-Klausur saß oder einfach raus gegangen bin, weils zu "öde" war und das alles "zu uncool" für mich war ...Aber im Grunde hab ich ja gern "gelernt". Es wurde mir nur schnell madig gemacht... Im zweiten Bildungsweg hatte ich zwar die Herausforderung mit dem Nebenjob und so, und ich war auch nicht immer anwesend in der SChule , aber zumindest konnte und durfte ich da sein, wie ich war und wurde dafür nicht gemobbt. Denn da waren alle Freigeister und ehemalige Querschläger oder "Schulversager" mit Grips (zumindest die, die es dann geschafft haben, es haben viele nicht geschafft und vorher aufgehört oder mussten gehen).
Und mit den vielen Interessen... Ja, ich hätte gern Kunst studiert, aber die Professoren waren mir schon immer zu "versnobbt", oder auch Psychologie, aber Statistik pauken? igitt (ich mag Mathe nicht, Physik fand ich aber immer großartig)..., Kulturanthropologie, oder doch besser Medizin oder Biologie? Aber Erziehungswissenschaften oder Sprachwissensdchaften wäre ja auch cool
Ich hab letztendlich Sprachen studiert, es aber das dann auch abgebrochen . Der Sohn kam dazwischen und noch einiges mehr...
Jetzt arbeite ich im kreativen Bereich.
Hebamme fänd ich aber auch echt spannend . Ich glaube, das hört nie auf
Es kann sein, dass nicht alles wahr ist, was ein Mensch dafür hält, denn er kann irren, aber in allem, was er sagt, muss er wahrhaftig sein.