Gast hat geschrieben:Ich finde es schlimmer, wenn ich mein Kind zu früh in den Cello-Unterricht schicke, und er dann die Lust verliert, da er noch zu klein gewesen ist. Meine Mutter ist Bambusflötenlehrerin, was bedeutet, dass sie mit den Kindern zusammen eine Flöte baut. Mein Sohn ist total begeistert davon! Er wollte das von sich aus. Er will Cello, Kontrabass, Gitarre, Flöte und Trompete spielen. Die Flöte und das Cello kommen aber an erster Stelle. Auch ist die Bambusflöte ideal, um musikalische Grundbegriffe und Notenwerte zu lernen. Es ist zu vergleichen mit der Musikalischen Früherziehung/Grundschule!
Was das Schreiben und Lesen angeht, gibt es sehr wohl einen Zusammenhang: Mein Sohn interessiert sich für etwas, übt es von sich aus. Dann fängt er an, sich selbst unter Druck zu setzen und verweigert sich schlussendlich total, obwohl er es eigentlich gerne tun würde. Dies sagt er ja auch!
Hallo Chiara,
ich verstehe was Du meinst, ich möchte Dir aber gerne einmal einen anderen Blickwinkel geben. Ich stamme aus keiner "Musiker-Familie" und außer mir spielt niemand in meiner Familie ein Instrument (meine Schwester hat es mal mit Gitarre versucht, es aber gleich wieder sein gelassen). Mein Vater hat jedoch sehr viel Musik gehört, vor allem Jazz, Klassik und Blues, das hat mich bestimmt beeinflusst und irgendwann, da war ich 7 Jahre alt, hatte mich vorher mit einer kleinen G-Dur Mundharmonika rumgequält, bekam ich endlich eine Bontempi Orgel geschenkt. Ich habe Stunde um Stunde an dem Gerät gesessen, mir mit Hilfe der beiliegenden Heftchen selbst das Notenlesen beigebracht und solange geübt bis ich nach 6 Monaten die ganzen einfachen Liedchen spielen konnte und die Kernmelodie von Für Elise (das war mein eigentliches Ziel, weil ich das immer toll fand). Ich merkte jedoch schnell, das mich das Tasteninstrument nicht wirklich "bewegt" (das mag auch an dem miserablen Klang gelegen haben) und so habe ich dann viele andere Instrumente ausprobiert, vor allem solche, mit denen ich Stücke spielen konnte, die mir vom Hören gefielen, eines davon war z.B. El Cóndor Pasa in der Version von Simon & Carfunkel, da hatte ich einen Fernsehbericht gesehen und herausbekommen, das man das gut auf einer Blockflöte spielen kann und ich habe wie ein Besessener Wochenlang jeden Tag nur dieses eine Lied geübt, bis das mit Fingervibrato, Tempiwechsel und allem drum und dran so klang wie heute bei den sehr guten Peruanern in den Fußgängerzonen, ich kann das selbst heute noch perfekt spielen und komischerweise auch intuitiv viele andere Lieder, wie Nationalhymnen und zwar aus dem Stand korrekt, ohne Übung und ohne Noten, nur nach Gehör.
Auch wenn ich dutzende Instrumente ausprobiert und ganz passabel spielen gelernt habe (nach dem Motto in die Hand nehmen und los), bin ich letztlich dann jedoch, als ich in die Pubertät gekommen bin, an der Gitarre hängen geblieben, angefangen mit einer Konzertgitarre und später dann E-Gitarre und der Grund war einfach, ich konnte mich mit dem Instrument in Kombination mit meiner Stimme ausdrücken, es war recht einfach eigene Songs zu schreiben und ich konnte die Gitarre überall mitnehmen. Inspiriert hat mich damals übrigens ein gewisser Konzertdirigent Namens Eberhard Schöner, der mit The Police in der Anfangszeit als die noch keiner kannte (Sting, Summers, Copeland) ein paar LPs gemacht hat und dort besonders das Gitarrenspiel von Andy Summers. Später habe ich dann in meiner Band als Leadsänger und Gitarrist gespielt, mit Live-Auftritten & Tonstudio usw. , bis sich dann jedoch nach dem Studium unsere Wege trennten und dann auch nicht mehr die Zeit vorhanden war, um auf dem Niveau in einer anderen Band weiter zumachen.
Heute stehen hier alle Instrumente direkt neben dem Sofa und wenn ich Abends Zeit habe greife ich die Gitarre, oder setze mich an das Keyboard und singe meiner Tochter etwas vor, sie "singt" dann fröhlich mit oder "begleitet" mich auf dem Keyboard, oder ihrer Gitarre, da haut sie fröhlich auf den Saiten herum.
Ich bin sicher kein Virtuose auf irgendeinem der Instrumente die ich spiele, aber ich bin ein Musiker und das ist etwas anderes als jemand der ein Instrument beherrscht. Was meine ich damit? Z.B. damals in unserer Band unser Keyboarder, der war mit Abstand der jüngste, während wir schon alle studierten, ging er noch in die Oberstufe, er war wirklich gut an seinem Instrument, er hatte seit seinem 5 Lebensjahr Klavierunterricht gehabt und selbst als er bei uns spielte, ging er noch mindestens 2 mal in der Woche zum Unterricht. Aber auch wenn er das Instrument beherrschte und nach dem Blatt fehlerfrei spielen konnte, so viel es ihm doch unglaublich schwer sich auf die Musik einzulassen und sich treiben zulassen, er war so fixiert auf das "perfekte Spiel" das er den eigentlich Sinn der Musik nicht erfassen konnte, der da lautet die Herzen und die Seelen von Menschen zu erreichen. Das gleiche wenn auch in anderer Form, galt für unseren Lead-Guitaristen, der spielte im Vergleich zu mir wie ein Gitarrengott, aber das verleitete ihn auch immer alles zuzubraten und mit endlosen Solos die Stücke für seine Zwecke zu missbrauchen und dadurch zu zerstören. Deshalb gab oft den typischen Band-Knatsch, denn schließlich waren das Songs die ich geschrieben hatte und die ich sang und man glaubt gar nicht wie anstrengend so ein Position als Bandleader sein kann.
Was möchte ich mit all dem sagen?
Ich kann leider nicht herauslesen aus Deinen Beiträgen welchen Stellenwert letztlich die Musik selbst bei euch spielt, also die Frage ob das Erlernen eines Instruments im Vordergrund steht, oder der Inhalt der Musik, dessen Wesen, dessen Entstehung und dessen Dynamik? Für mich ist letztlich ein Instrument nichts weiter als ein Hilfsmittel um meine Gefühle in musikalischer Form zum Ausdruck zu bringen und ob ich das nur mit meiner Stimme, oder einem Holzklotz, mit einer Blockflöte, einer Gitarre, einer Band oder einem ganzen Orchester mache ist letztlich nur eine technische Frage der Umsetzung, das Wesen meiner Musik ändert sich dadurch nicht sie bleibt immer gleich.
Dazu ein Beispiel, Nothing else Matters von Metallica
http://www.youtube.com/watch?v=NcbAibPA2yY (Studio-Version)
http://www.youtube.com/watch?v=RSMXMv0n ... re=related (Cover von Apocalypitca auf Cellos)
http://www.youtube.com/watch?v=DV9ivDFG ... re=related (Gesungen von einer Frau am Klavier mit Band)
http://www.youtube.com/watch?v=4sZK4Hd28VA (Solo am Piano)
http://www.youtube.com/watch?v=lO0mWPMODUQ (hausgemacht mit Flöten und Gitarren)
… egal mit welchen Hilfsmitteln wie man dieses Lied spielt, es bleibt im Wesen gleich und das hat nichts mit dem Instrument oder den Interpreten zu tun, sondern mit der Musik selbst.
Und ich denke (gerade jetzt als Vater), es ist wichtig seine Kinder mit auf die Reise in diese Welt zu nehmen, sie nicht mit Instrumenten zu knechten, sondern ihnen die Seele der Musik zu vermitteln. Ich sitze neben dem eigenem Spiel hier auch oft mit meiner Tochter und mache per Youtube eine Reise durch diese Welt (ich habe hier an meinem Rechner ein Dolby Surround System, das klingt also auch gut) und wir hören alles was es gibt und sie ist bewegt, weil auch ich bewegt bin, sie ist dabei und geht auf die Musik ein und sie zeigt auf die Vorschaubildchen, welche Stücke sie hören will und sie summt Habanera, Ode an die Freude, sie mag Glenn Miller, sie mag Bob Marley, sie mag Tschaikowski und Mozart etc … und ich werde einen Teufel tun und ihr später den Zugang zur ihrer eigenen Musik dadurch zu verwehren, dass ich künstlich den Zugang zu Hilfsmitteln wie Musikinstrumenten versperre und dadurch deren Bedeutung für die Musik überhöhe, wenn sie ein Instrument ausprobieren will um damit ihre Gefühle zum Ausdruck zubringen, dann kann sie das tun, wann immer sie will.
Sie wird jetzt bald ja 2 Jahre alt und hat morgen ihren ersten Tag an der Musikschule, mal sehen wie ihr das gefällt.
Liebe Grüße
Heiner