Meine3 hat geschrieben:
Liebe Rabaukenmama,
ich muss gestehen, dass es mich stört, dass du so um den heißen Brei herumredest

. Wenn du MICH mit dieser Mutter meinst (was ja wohl offensichtlich ist?!), dann schreib es doch auch so? Wenn nicht, dann formuliere es anders

...
Hallo Meine3!
Sorry wenn das so rüberkommt als würde ich dich meinen, aber in der 3. Person schreiben. Und danke fürs aufmerksam-machen weil ich so was selbst nicht merke. Grund für diese "seltsame" Schreibweise ist vermutlich, dass ich seit Jahren in einer Selbsthilfegruppe bin, wo man auf das, was andere gesagt haben, nicht direkt eingehen soll. Andererseits habe ich wirklich nicht nur dich gemeint (sehr wohl aber AUCH dich), weil die Situation, dass der Mutter auffällt "Es stimmt was nicht mit dem Kind", der Vater aber meint, es sei alles in bester Ordnung, sehr verbreitet ist. Also nix für ungut

!
Meine3 hat geschrieben:
Ich weiß nicht, wie das bei euch gehandhabt wird, aber wir leben unsere Ehe als Partnerschaft und auch die Elternschaft ist bei uns kein Ein-Mann-Job. Natürlich hast du recht, ich BIN näher dran an meinen Kindern, vor allem im Alltag mit Schule und Kindergarten, aber mein Mann gehört nicht zu den Männern, die alles mir überlassen und am liebsten mit der Kindererziehung garnichts zu tun haben wollen. Im Gegenteil. Er ist ein sehr engagierter und liebevoller Vater. Er hat nur einfach eine andere (falsche?!) Einstellung zum Thema "Diagnostik", Hochbegabung und Wahrnehmungsstörungen, bzw. dem Umgang mit eben solchen.
Mein Mann hat auch NIE zu den Männern gehört, die alles der Frau überlassen, im Gegenteil. Im Gegensatz zu bekannten Müttern konnte ich die Kinder IMMER ohne Vorbereitung mit ihm beliebig lang allein lassen. Er war auch bei beiden Jungs in Vater-Karenz (NACH meiner Mutter-Karenz) während ich arbeiten gegangen bin. Später, als die Probleme massiver wurden, waren wir gemeinsam bei einer Psychologin vom Kinderschutzzentrum und haben ein 5-teiliges Eltern-Seminar (vom damaligen Hort angeboten) besucht.
Beim jüngeren Sohn, der ohnehin 100% behindert ist, und außerdem damals (im Alter von 4 Jahren) der wesentlich auffälligere Autist war, war es nicht so schwer, ihn zu überzeugen. Aber gerade beim älteren waren wir BEIDE lange Zeit der Ansicht, "es" (das Auffällig, Andersartige) müsse "was anderes" sein. Aber die Autismus-Beauftragte im damaligen Hort, die meinen Sohn unter ca. 80 Kindern als einziges rausgesucht hat, hat zur Diagnostik geraten. Ich wollte mich nicht dagegen stellen, einfach weil ich Klarheit wollte (nicht so sehr, weil ich vom Autismus des Sohnes überzeugt war. Mein Mann hatte mehr Bedenken. Er hat irgendwie geglaubt hat, man würde den Kindern damit einen Stempel aufdrücken, der ihnen im Leben schadet.
Nach längerem nachdenken habe ich ihm dann das Beispiel Fehlsichtigkeit gebracht, welches ich hier auch öfter schon thematisiert habe. Da sowohl mein Mann als auch ich sehr schlecht sehen (auf allen 4 Augen über 40 Dioptrin

) hat das immerhin bewirkt, dass mein Mann mir nichts mehr dagegen gesagt hat, als ich die Diagnostik auf eigene Faust habe machen lassen. Wobei ich eher nicht geglaubt habe, dass die Diagnose tatsächlich gestellt wird. Und wenn, dachte ich, würde mein Sohn maximal "ein bißchen" autistisch sein oder halt einige autistische Züge haben. Ich hatte damals den Klischee-Autisten, der keinen Blickkontakt zulassen wollte, Tics und unerklärliche Wutanfälle hatte, und nur an Zahlen interessiert war, schon zu Hause.
Meine3 hat geschrieben:
Meine Kinder und ich haben nicht viel davon, wenn ich hier Sachen auf eigene Faust durchboxe, die eventuell dann mir helfen (mein Kind besser zu verstehen) oder auch dem Kind (wobei du ja selbst sagst: durch die Diagnose selbst ändert sich für das Kind ja erstmal nix, außer man nimmt Hilfe in Anspruch, wenn es nötig werden sollte und selbst dann: eine Aussicht auf "Heilung" bei ADHS ist ja wohl nicht in Sicht und merkliche Besserung erfahren die wenigsten Familien durch die angebotenen Therapien. Auch du schreibst, dass das wenigste bei deinem Großen bislang langfristig was "gebracht" hat).
Für das Kind ändert sich durch die Diagnose, dass es anders (für mich "besser") verstanden wird. Und allein dafür, dass mein Sohn durch die Diagnose einen heilpädagogischen Hort besuchen darf, hat es sich zumindest für uns allemal ausgezahlt. In der Einrichtung, wo er davor war, hätte er laut Uhr "funktionieren" müssen, obwohl es für ihn damals sehr belastend gewesen sein muss, den Lärm und das Spiel von 25 anderen Kindern stundenlang auf engem Raum aushalten zu müssen. Seine "Auszucker", die rückblickend der Überforderung durch diese Situation geschuldet waren, wurden nach Bedarf auf Erziehungsfehler oder Charakterschwäche geschoben.
Ja, Heilung gibt es keine! Aber das heißt absolut nicht, dass man ohnehin nichts tun kann. Wenn es aus meinen Beiträgen so rübergekommen ist, dann habe ich es sicher falsch formuliert. Es gibt kein Wundermittel (auch kein Medikament), das aus einem Autisten einen neurotypischen Menschen macht. Aber es gibt Einrichtungen, die besser mit den Besonderheiten umgehen können, als andere. So, wie es für gehbehinderte Schüler barrierefreie Schulen gibt, gibt es auch Schule, wo man mit den autistischen Besonderheiten anders umgeht - einfach durch besseres Wissen um die verschiedenen Erscheinungsbilder dieser Störung.
Bei meinem Sohn, der ja außerdem noch eine ADHS-Diagnose hat (das hat er leider von mir

) haben z.B. Medikamenten entweder gar nichts bewirkt oder sie hatten furchtbare Nebenwirkungen. Kinder-Psychotherapie hat auch nichts gebracht, wobei das aber auch daran gelegen haben kann, dass die Psychologin und mein Sohn einfach nicht zusammen gepasst haben. Hingegen glaube ich schon jetzt, nach den ersten 7 Einheiten Neurofeedback, eine deutliche Besserung zu bemerken. Ob das anhält wird sich zeigen.
Es ist halt viel Versuch und Irrtum, das stimmt schon. Aber bei meinem jüngeren Sohn war und ist das ja auch so. Als er 20 Monate alt war haben wir ihm beidseitig Hörimplantate (CIs) einsetzen lassen, in der Hoffnung, ihm damit das hören und das verstehen und erlernen von Lautsprache zu ermöglichen. Gebracht hat das leider gar nicht. Er hört auch mit den Teilen nicht ausreichend und verweigert die meiste Zeit (vermutlich autismusbedingt) sie zu tragen. Wir haben viele Jahre versucht, ihm Kommunikation in Gebärdensprache zu ermöglichen. Lange Zeit ging das sehr schleppend, sein Wortschatz war klein, er hat immer dieselben Gebärden wiederholt, konnte mit 4 Jahren immer noch nicht in Sätzen gebärden. Wir haben alle Tagesabläufe visualisiert (mit Bildern und Symbolen) und als sich herausgestellt hat, dass unser Sohn mit 5 Jahren schon etwas lesen konnte, haben wir auch den schriftlichen Kommunikationskanal mit einbezogen. Als wir die Diagnose "komplett gehörlos" bekommen haben konnten wir unmöglich wissen, was von unseren Versuchen "was bringt" und was umsonst ist. Mittlerweile gebärdet mein Sohn in ganzen Sätzen, wir diskutieren über den Tod und über die Mondphasen und er kann nicht-gebärdensprachkompetenten Personen seine Wünsche aufschreiben. Hören und sprechen kann er immer noch nicht.
So ähnlich ist es auch bei Autismus. Es gibt viele Möglichkeiten, den Betroffenen das Leben zu erleichtern, aber keine Patentlösung. Man muss ausprobieren, was man manchmal ohne Diagnose genauso kann, in anderen Fällen (z.B. bei der Suche nach einem Hort für meinen Sohn) aber nicht.
Meine3 hat geschrieben:
Mir ist daher vollkommen bewusst, dass die Diagnostik überwiegend für MICH um Klarheit zu haben und ggf. was in der Hand zu haben, statt fände und wahrscheinlich würde es dem Kind indirekt helfen, weil ICH damit dann anders/besser umgehen könnte (und eventuell auch mein Mann ein anderes Bewusstsein dafür bekäme mit der Zeit). Aber, wenn es zu einer Ehekrise kommt, weil man eigenmächtig relevante Dinge entscheidet, bei denen der Kindsvater ebenso ein Stimmrecht hat, dann ist auch nichts gewonnen. Mir ist unsere Familie, und dazu gehört AUCH mein Mann

sehr wichtig und manchmal gibt es keine einfache und schnelle oder perfekte Lösung für ein Problem.
Was meinst du mit einfacher, schneller, perfekter Lösung? Ich wollte dich mit meinem Beitrag bestimmt nicht aufstacheln, noch heute über den Kopf deines Mannes hinweg einen Diagnostiktermin zu vereinbaren. Zu was ich dich sehr wohl ermutigen will ist, dran zu bleiben und die Sache immer wieder mal zu thematisieren.
So, wie du deinen Mann beschreibst, wird keine eigenmächtige Entscheidung deinerseits notwendig sein. Wenn die Auffälligkeiten bestehen bleiben oder sich noch verstärken (sollte dein Sohn Autist sein, wird das der Fall sein), gehe ich davon aus, dass auch dein Mann einsehen wird, dass es abgeklärt gehört. Und wenn doch nicht dann kommt ihr um die Ehekrise ohnehin nicht rum, es sei denn, dein Harmoniebedürfnis ist so groß, dass du eben einfach zusiehst, wie es deinem Sohn zunehmend schlechter geht (wovon ich nicht ausgehe).
Abgesehen davon - so schnell geht das mit dem Diagnostiktermin ohnehin nicht. Wenn man nicht bereit ist, dafür viel Geld in die Hand zu nehmen, muss man mit 6-12 Monaten Wartezeit rechnen.
Meine3 hat geschrieben:
Meinem Sohn geht es übrigens nicht "schlecht". Das habe ich auch hier nicht so geschrieben. Er ist sehr unausgeglichen. In der Schule lebt er sich immer mehr ein, er ist nur von Mathe ziemlich genervt. Seine Ausraster sind, glaube ich, belastender für die Umwelt als für ihn selbst, und haben sicher ihren Ursprung teils auch in der neuen Alltagssituation, dann vorher ging es ihm im Frühling und Sommer erstmal merklich besser. Wenn er so einen Wutanfall hat, ist er nach ein paar Minuten ja wieder gut drauf (er ist auch ein Kind, dass sich sehr schnell ablenken oder aufmuntern lässt und schnell wieder fröhlich ist, auch nach einem Streit oder ähnlichem), dem Rest, der das ab bekommen hat, geht das nicht so

.
Diese Ausraster kenne ich nur zu gut, wenn auch in verschiedenen Versionen. Mein jüngerer Sohn hat autistische "Meltdowns", die man etwa mit einem normalen kleinkindlichen Wutanfall hoch 3 vergleichen kann - sowohl was Dauer als auch was Intensität betrifft! So 30-45 Minuten sind die durchschnittliche Dauer so eines Anfalles, der längste dauerte ganze 2 Stunden.
Meine3 hat geschrieben:
Wir haben auch ein sehr inniges Verhältnis. Er erzählt mir sehr viel und unsere Beziehung ist herzlich. Er hat Vertrauen zu mir, erzählt aber grundsätzlich eher wenig über soziale, zwischenmenschliche Probleme (das will er irgendwie immer allein hinbekommen), sondern mehr über den Rest, also was in der Schule dran kam, wann welche Veranstaltung statt findet, was er doof und was er gut fand, was er gespielt hat und mit wem, ob es Streit gab (das aber dann eben eher kurz und knapp

), etc..
Jedoch ist es in letzter Zeit halt so, dass ICH seine Ausraster oder Ungeduld nicht mehr so gut "ertrage" wie früher

... Sein Verhalten ist ein einziges Auf und Ab. An einem Tag ist er aggressiv und unausgeglichen, am nächsten ist er fröhlich und gut drauf

. Tendenziell gibt es grade öfter wieder "schlechte Tage" und dann komme ich zeitweise auch an meine Geduldsgrenzen, deswegen ja auch mein Post.
Beim älteren Sohn sind die Ausraster viel kürzer und schwächer als beim Bruder, aber dafür auch häufiger. Und es wird immer auffälliger, weil er eben kein Kleinkind mehr ist, sondern 9 Jahre alt. Da erwartet die Umwelt schon ein anderes, reiferes Verhalten. Seine Anfälle beginnen damit, dass er spontan laut quietschend aufschreit, was wirklich sehr unangenehm ist und in den Ohren weh tut. Oder er wirft sich, wie ein Kleinkind, kreischend auf den Boden.
Und auch mein Sohn hat gute und schlechte Phasen. Es ist nicht so, dass ein als Autist diagnostiziertes Kind jeden Tag gleich "schwierig" ist. Es gibt Tage, da benimmt er sich FAST wie ein neurotypisches Kind - aber eben nur FAST.
Ich habe keine Ahnung wie es bei dir sein würde, wenn du wüsstest, dass dein Sohn Autist ist. Zumindest bei mir ist es so, als hätte ich zur Diagnose einen Riesenportion Geduld "mitgeliefert" bekommen. Das heißt nicht, dass ich gar keine eigenen Auszucker mehr habe. Aber früher hatte ich diese eigenen Auszucker mehrmals pro Woche und jetzt ist es vielleicht 1x im Monat. Dadurch hat sich die Situation innerhalb der Familie deutlich entspannt.
Wobei ich zugeben muss, dass ich in Phasen, wo ich mit meiner eigenen Geduld Probleme habe, seit einem halben Jahr (ärztlich verordnete) Medikamente nehme. Es sind Seratonin-Wiederaufnahme-Blocker und da ich bisher nie Medis genommen habe, reicht eine verhältnismäßig niedrige Dosis. In bessere Phasen (meinerseits) setzte ich die Medis wieder eigenmächtig wieder ab - das ist so mit meiner Ärztin besprochen. So hatte ich jetzt z.B. eine 4wöchige, gute Phase ohne Medis, und seit 2 Wochen nehme ich sie wieder. Nebenwirkungen merkte ich übrigens (GsD) keine. Aber für diese Entscheidung (selbst Medis zu nehmen, um geduldiger sein zu können) musste ich auch über meinen eigenen Schatten springen.
Meine3 hat geschrieben:Wem es schlecht geht, ist meine Tochter. Da bin ich aber grade dran (habe einen anderen Kita-Platz in Aussicht).
Wenn man sich einig ist, über die Vorgehensweise zu bestimmten Dingen, dann ist das super, aber oft ist es eben nicht so und auch wenn es mir grade "zu langsam" geht oder ich manchmal wünschte, ich könnte einfach alles so machen wie ICH will

, ist es langfristig betrachtet sicher die bessere Lösung, wenn mein Mann damit einverstanden ist, bzw. wir uns einig werden.
Nichts für ungut.
Ich drücke Dir fest die Daumen, dass du einen guten Kindergarten-Platz für deine Tochter findest!
Und ich hoffe, dass ich klären konnte, wie mein post gemeint war!
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)