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Wie kann man bei Versagungsängsten motivieren?
Verfasst: Sa 24. Mär 2007, 13:32
von Janna
Wenn mein Sohn Leander mit irgendetwas ankommt, was er machen möchte, artet das meist früher oder später in einer Krise aus - weil er, meist gerade bei dem einfachen Teil der Situation, plötzlich aufkreischt: "Das kann ich nicht!" und dann ist es vorbei bei ihm. Dasselbe kann passieren, wenn man sonstwas von ihm erwartet, was er eigentlich kann und sonst auch macht - er seine Schuhe anzieht, plötzlich hysterisch loskreischt, dass er das nciht könne, die Schuhe in die Ecke pfeffert und ist nicht mit Schimpfen, guten Worten oder sonst irgendeiner Reaktion der gesamten Erziehungstechnischen Palette dazu zu bewegen, es wieder zu probieren und schon gar nicht mit gutem Willen.
Erschwerend kommt hinzu, dass er feinmotorisch tatsächlich nicht sehr geschickt ist (was auch, aber sicher nicht nur, mit seinem Linkshändersein zusammenhängen mag) und wenn er ankommt, und was schreiben will, es eben dran scheitert, dass er die Buchstaben nicht so geschrieben bekommt, wie er das gern hätte. Oder er bei PC Spielen einfach die Maus nicht gehändelt bekommt. Oder er die Löcher an der Blockflöte nicht zuhalten kann - es handelt sich um Dinge, die ich nie von ihm erwartet habe - er kam selber damit an, will sie machen und es geht nicht, weil eben nichts auf Anhieb klappt, bei keinem Menschen. Gibt aber auch nicht wenigstens einfach auf, das wäre dann ja ne Lösung (mit vier muss er wirklich noch keine Blockflöte lernen) sondern knatscht und kreischt und bekommt ne Krise...
HBler Eltern kennen das sicher. Ich denke nicht, dass Leander hb ist, aber das Problem bei ihm dürfe dennoch dasselbe sein.
Die Frage: Wie kann ich ihm helfen, mit solchen Situation klar zu kommen? Wie schaffe ich, durch diese Mauer zu kommen, die er um sich aufbaut, die dazu führt, dass er überhaupt nicht mehr zugänglich ist, nicht für Motivation, nicht für gute Wort, nicht für Trost, nicht für vernünftige Erklärungen, nicht für Hilfe, nicht für Ratschläge.
Wenn es sich um Dinge handelt, die er kann und auch zur Selbständigkeitserziehung allein machen soll (Schuhe anziehen), ist er nur damit zu beruhigen, dass ich es dann mache - aber das will ich natürlich nciht. Bei Dingen die er tatsächlich nicht schafft, ist gar nichts zu machen - da macht er dicht, völlig! Da will er sich auch nicht helfen lassen. Und es endet regemässig in Tränen, hysterischem Geschrei...
In beiden Situationen weiss ich mir keinen Rat mehr...
Denn mit diesem Verhalten bekommt er auch mal in der Schule massive Probleme.
Re: Wie kann man bei Versagungsängsten motivieren?
Verfasst: Mi 28. Mär 2007, 10:18
von Sylke
Hallo, Janna,
ich hab auch so ein Kind, das den Perfektionismus auf die Spitze treibt. Inzwischen sind die "Anfälle" aber selten geworden und sie hat gelernt, damit umzugehen. Mit guten Worten habe ich bei ihr allerdings selten was erreicht, wenn der Anfall einmal da ist, hilft nur die harte Tour, also: wenn es etwas ist, was sie noch nicht können muss (wie bei dir Blockflöte oder Computer), nehme ich ihr das entsprechende Teil weg, bis sie sich beruhigt hat und meist klappt es später dann viel besser. Bei Schuhe anziehen usw., wenn ich weiß, dass sie es kann, muss sie eben im Extremfall in Hausschuhen aus dem Haus (ist noch nie vorgekommen, die Drohung allein reicht).
Das Wichtigste ist aber wohl, dass dein Sohn lernt, Fehler zu akzeptieren und daraus zu lernen. Ich habe mit meiner Tochter viel darüber gesprochen, vielleicht helfen dir ein paar von meinen Argumenten:
- Fehler macht jeder Mensch, (auch Mama!), also selber Fehler eingestehen, drüber reden, was man daraus gelernt oder wie man es besser gemacht hat.
- es wär doch langweilig, wenn man alles gleich könnte, die Freude ist viel größer, wenn man sich etwas erarbeitet hat. Da muss dann auch das entsprechende Lob und die Mitfreude kommen, wenn er etwas intensiv geübt und dann geschafft hat, und auch der Hinweis, dass er das nur mit der entsprechenden Anstrengung geschafft hat und weil er nicht gleich aufgegeben oder gebrüllt hat.
- viele bedeutende Entdeckungen sind nur als Resultat von Fehlern gemacht worden (Bsp. Fleming, als er das Penicillin entdeckt hat, das hat bei meiner Tochter einen bleibenden starken Eindruck hinterlassen)
Sehr lehrreich in dieser Beziehung sind auch die Löwenzahn-Sendungen mit Peter Lustig (jetzt Fritz Fuchs, aber wir haben auch noch viele der alten Folgen auf Video), der auch öfter Fehler macht oder etwas nicht weiß oder kann, und sich dann Hilfe sucht, um sein Problem zu lösen.
Viele Grüße von Sylke
Re: Wie kann man bei Versagungsängsten motivieren?
Verfasst: Mi 28. Mär 2007, 21:30
von Janna
Liebe Sylke,
Danke für deine Antwort!
Nur eins deiner drei Argumente habe ich bereits ausprobiert und das beeindruckt ihn überhaupt nicht - Vergleiche mit anderen, nicht mal mit Mama, wenn er in einer Situation steckt, wo er selber mit sich unzufrieden ist. So nach dem Motto: "Was andere machen, ist mir egal, ICH wollte das jetzt schaffen und schaffe es nicht".
Aber Argument zwei und drei werde ich ausprobieren - und vor allem Argument drei. Und vielleicht sogar gerade das mit dem Penicillin, denn er interessiert sich gerade für Körper und Abwehrkörper und Blutkörperchen und sowas - und muss ausgerechnet im Moment auch noch Penicillin schlucken (hatte Scharlach) - das passt also. Wie ich ihn kenne, müsste ihn dass auch beeindrucken - mal sehen, wie es dann später in so einer Krisensituation weiterhilft, wenn ich ihn dran erinnere. ..
Löwenzahn sieht er jetzt seit kurzem auch mit Begeisterung (habe ihm die alten Folgen mit Peter Lustig auf DVD besorgt - und die neuen sehen wir parallel auch) : Allerdings bin ich nie auf die Idee gekommen, ihm die Sendung auch unter dem Gesichtspunkt zu zeigen "Guck mal, die machen auch Fehler" "Der weiss das jetzt auch nicht und muss Hilfe suchen". - Das werde ich aber mal machen -
überhaupt Danke für den Tipp, den Akzent verstärkt mehr darauf zu legen, dass er seine Fehler akzeptieren muss, anstatt ihn einfach "nur" motivieren zu wollen. Leander ist da in ruhigen Minuten auch vernünftigen Argumenten und einer Unterhaltung von Mama zu "grossem" Sohn sehr zugänglich. Da erreicht man eine Menge bei ihm.
Und ich werde auch ab und zu das mal die harte Tour ausprobieren, wenn es sich anbietet - da war ich bisher immer unsicher, ob das gut ist... er hat leider auch die Tendenz etwas in Falle eines momentanen Misserfolges ganz hinzuschmeissen. So zum Bsp Fahrrad fahren. Er kann seit er Ende drei ist, ohne Stützräder Fahrrad fahren. Aber als er an einem Tag, als er nicht so gut drauf war, das Anfahren allein nicht so gut geschafft hat, hat er seine "Krise" bekommen und das Teil hingeworfen und erklärt, er würde nie, nie wieder Fahrradfahren - und das halt er leider wahr gemacht - seit vier Monaten rührt er das Fahrrad nicht mehr an! Und das hat mir gezeigt, dass er da leider auch sehr konsequent sein kann, wenn es darum geht, etwas ganz aufzugeben, wenn es nicht so klappt, wie er das möchte.
Aber es beruhigt mich, dass du es bei deiner Tochter geschafft hast, sie mit ihrem Fehler machen etwas auszusöhnen. Wie alt ist deine Tochter?
Re: Wie kann man bei Versagungsängsten motivieren?
Verfasst: Do 29. Mär 2007, 23:36
von Sylke
Meine Tochter ist jetzt 6 Jahre alt. Ihre schlimmste Phase hatte sie aber auch so mit vier. Vielleicht ist das ja so ein kritisches Alter. Sie hat damals unheimlich viel gelernt und ausprobiert und sich mit ihren Ansprüchen an sich selbst immer an Größeren orientiert und da passieren eben auch öfter Fehler.
Das mit dem Penicillin haben wir übrigens auch bei Peter Lustig gesehen, in der Sendung, wo es um die Killerpilze geht.
Mein erstes Argument mit dem persönlichen Vorbild habe ich eigentlich nicht als Hilfe im Krisenfall gedacht, nach meiner Erfahrung hilft da überhaupt kein Argument, weil, wie du ja auch merkst, in dem Moment nur das eigene Versagen wichtig ist. Ich nehme das mehr als Vorbeugung, um vielleicht zukünftige Krisen zu vermeiden. Zum Beispiel wenn mir irgendwas kaputt gegangen ist, hab ich meine Tochter gefragt, ob ich jetzt toben oder heulen soll und ob das Teil dann davon wieder heil wird oder ob wir es doch nicht lieber reparieren sollen. Auf so was reagiert sie meistens sehr vernünftig und mit der Zeit hat sie dann auch etwas davon für sich übernommen und geht jetzt eben doch lockerer mit ihren eigenen Mißgeschicken um.
Das mit dem "hinschmeissen", wenn etwas nicht klappt, würde ich nicht so eng sehen. Bei uns gab es das auch schon, aber entweder hat sie von selber wieder damit angefangen, meistens ganz alleine für sich, bis sie es richtig konnte, oder es war eben nichts für sie. Und vielleicht entdeckt dein Sohn ja auch das Fahrrad wieder, schließlich wird jetzt Frühling und wenn die ganze Familie auf Fahrradtour geht und er sonst in den Kindersitz müsste, will er es ja unter Umständen doch noch mal versuchen, oder?