unwissende hat geschrieben:
Ein kompletter Bericht mit Kopien aller Ärzte bekomme ich per Post. - Alles in allem gefiel mir die Testungen, bzw. das SPZ ganz gut, auch wenn mir jetzt gerade noch die eigentliche Hilfe fehlt. Sie meinte, mit dem Wissen, dass sie tatsächlich weiter ist als ihre Altersgenossen könnte ich sie vielleicht besser verstehen, aber eigentlich verstehe ich sie schlechter. Denn dann müsste sie doch begreifen, dass es Mist ist, wie sie sich verhält. Wenn sie Unterentwickelt wäre, könnte ich mir ja noch vorstellen, dass sie es nicht extra macht und einfach nix dafür kann....
Glaub mir bitte: sie macht nichts absichtlich, jedenfalls nicht in der Ansicht, euch irgendwelche Schwierigkeiten zu bereiten! Dem Trugschluss "wenn ein Kind intelligent ist müsste es doch auch mitbekommen welches Verhalten von ihm erwartet wird" unterliegen leider viele Menschen. Tja, aber Intelligenz tritt unabhängig von Empathie auf und selbst wenn ein Kind mitbekommt, wie man es gerne "haben würde" bedeutet das noch lange nicht, dass es selbst auch bereit oder imstande ist, sich so zu verhalten.
Ich (selbst HB) war ein sehr schwieriges Kind. Ich liebte meine Eltern sehr, vor allem meine Mutter. Sehr wohl bekam ich mit dass nicht nur ich durch mein Verhalten oft selbst Schwierigkeiten hatte sondern dass es auf sie zurückfiel (Stichwort: "zu lasche Erziehung"). Und genau das wollte ich auf gar keinen Fall! Ich war ein sehr gläubiges Kind und erinnere mich an meine Gebete im Kindergarten- und Volksschulalter. Sie lauteten immer "Bitte, lieber Gott, laß mich braver werden! Lass mich so werden wie die Daniela aus meiner Kindergartengruppe oder (später) wie die Susanne aus meiner Klasse!". Ich suchte mir immer andere Kinder als Vorbilder, von denen ich mitbekam, dass sie mit ihrem Verhalten nicht ständig "aneckten". Die Susanne war die 4 Jahre meiner Volksschulzeit dieses Vorbild: ruhig, schüchtern, sprach nur wenn sie gefragt wurde, nie auffälllig in der Schule, immer gute Noten, nie eine Betragennote...
...Jahre später hat mir der Vater dieser Susanne mal erzählt dass seine Tochter immer begeistert von der Schule heimgekommen ist und berichtet hat, was ich gemacht oder gesagt habe. Sie hat zu Hause häufig erzählt sie wäre gerne so mutig und lustig wie ich. Sogar als Erwachsene war ich noch verwundert wie sehr sich das Bild, welches die Susanne damals von mir hatte, von meinem eigenen damaligen Selbstbild unterschied.
Ich wollte IMMER brav und angepasst sein. Ich wollte das machen, was von mir erwartet wurde: nicht dreinreden wenn Erwachsene sprechen (auch dann nicht, wenn sie Blödsinn sagen), älteren Leuten Respekt entgegenbringen, leiser sprechen, mich nicht ständig schmutzig machen und vor allem nicht immer in irgendwelche Schwierigkeiten geraten so dass meine Mutter in die Schule kommen muss.
Aber ich habe es einfach nicht geschafft. Mein Temperament ist immer sprichtwörtlich mit mir durchgegangen. Durch die Erinnerung an diese Erlebnisse habe ich mehr Verständnis für meinen Sohn, welcher mir von der Wesensart her sehr ähnelt.
Verständnis für einen Menschen (egal wie alt und wie verwandt
) kommt nicht durch ein Testergebnis sondern durch die Akzeptanz seiner Persönlichkeit auch in den Punkten, die einem nicht zusagen. Vergiss alle Vorurteile die du bisher über hochbegabte (oder begabte) Menschen gehört oder Dir selbst "gemacht" hast. Deine Tochter ist ein einmaliger Mensch und auf Grund EINES Aspekts ihrer vielfältigen Persönlichkeit (den IQ) ändern sich die anderen Voraussetzungen, die sie mitbringt, nicht. Es gibt zig-tausende Hochbegabte im deutschsprachigen Raum: extrovertierte, introvertierte, fleißige, faule, anpassungsfähige, rebellische, ruhige, hektische, kooperative und mit-dem-Kopf-durch-die-Wand Typen
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unwissende hat geschrieben: Hast du denn Adressen oder so bekommen, an der du dich wenden kannst? Seit ihr jetzt mit der Therapie angefangen? Bringt sie was?
Die Adresse, welche ich bekommen habe, war von der "Psychotrauma"-Gruppe. Leider wertlos, denn diese Gruppe ist erst für Kinder ab 6 Jahre (da hat die Psychologin einmal mehr nicht aufgepasst).
Dann habe ich auf Anraten der Frühförderin des Kleinen mal einen Ersttermin in "sensorischer Integration" wahrgenommen. Das Gespräch mit der Therapeutin dort hat mich jedoch nicht überzeugt. Sie sprach sehr allgemein von "motorischen Defiziten", die ihre Therapie bessern sollte. Auf meine Feststellung, dass mein Sohn sowohl grob- als auch fein- und visomotorisch sehr fit ist (laut Testung in der Entwicklungsdiagnostik und eigener Beobachtung) ging sie nicht weiter ein, so nach dem Motto "das kann jedes Kind brauchen..." und "die anderen Dinge werden auch besser wenn die Motorik sich verbessert...".
Wir bekamen nach dem Ersttermin einen sehr allgemein gehaltenen Zettel mit Verhaltensempfehlungen mit. Demnach soll mein Sohn viel Sport und Bewegung machen und wir sollen möglichst immer denselben Tagesablauf ohne Stresssituationen anstreben um ihm "mehr Sicherheit" zu geben. Ganz schlecht sind z.B. längere Fahrten in U-Bahnen oder anderen öffentlichen Verkehrsmitteln. Nur: um zu einer 45min-Einheit sensorischer Integration zu kommen müsste mein Sohn 2,5 Stunden in (zur Stoßzeit überfüllten) öffentlichen Verkehrsmitteln fahren.
Empfohlen wurde ein Termin pro Woche vorerst für 6 Monate - was uns ins Summe knapp 2.000 Euro kosten und unseren Tagesablauf am Therapietag arg durcheinanderbringen würde. Wäre ich nur etwas mehr davon überzeugt dass diese Therapie meinem Sohn hilft hätte ich mich dafür entschlossen, aber die vage, allgemeine Art der Therapeutin und die Ignoranz seiner echten Schwierigkeiten (die sicher nicht im motorischen Bereich zu suchen sind) haben mich zur Überzeugung gebracht, es erst mal ohne Therapie zu versuchen.