
ich wollte mal sagen, dass diese Diskussion gar nicht so ungewöhnlich ist, denn ich habe das Problem auch mit meinem Mann und meiner Mutter. Die sagen, dass Amelie so früh und so präzise sprechen gelernt hat, weil das einfach bei uns in der Familie liegt. Meine Mutter ist Sprachwissenschaftlerin hat ziemlich gut promoviert und ich selber hatte einen ganz guten Zugang zu Fremdsprachen (Englisch und Latein). Ich kann mir ziemlich gut Vokabeln merken und finde Grammatik faszinierend. Aber wenn man es genau nimmt, hatte meine Mutter auch in der Schule eine 5 in Latein. Also wenn es einfach nur daran liegt, dass es in der Familie liegt, hätte sie auch in Latein so gut sein müssen oder täusche ich mich da?
Es hieß auch, dass Kinder so früh sprechen lernen, wenn die Eltern viel mit ihnen sprechen, aber dann dachte ich auch wieder, eigentlich spreche ich genauso viel mit meinen Kindern, wie alle meine Freundinnen auch. Es gibt auch Zweitgeborene unter den Kindern meiner Bekannten, die erst kurz vor ihrem zweiten Geburtstag mit dem Sprechen angefangen haben, obwohl sie immer schon Vorgesungen und Vorgelesen bekommen haben und das Vorbild ihrer großen Geschwister hatten.
Für mich ist auf jeden Fall klar, dass es nichts damit zu tun hat, was wir Kindern (bewusst) vorsprechen, sondern mit dem Zugang, den Kinder zur Sprache finden. Für viele Kinder ist die Sprache ein Mittel zum Zweck und so wird sie auch gelernt. Ich möchte etwas haben, also muss ich auch lernen, zu artikulieren, was ich möchte. Bei Amelie ist uns aber immer schon aufgefallen, dass sie viele Wörter kannte, mit denen sie überhaupt nichts anfangen konnte, wo man aber das Gefühl hatte, dass ihr der Klang des Wortes gut gefällt. Eines dieser Worte war für Amelie immer "Zebrastreifen". Das hat sie aus einem Lied von Rolf Zuckowski und da konnte sie noch nicht einmal laufen, aber sie konnte es schon aussprechen. Bis heute ist ein Zebra für sie "ein Pony mit Zebrastreifen". Es ist nur ein Beispiel, aber es gibt eben Kinder, die zeigen früh Interesse an Buchstaben und Zahlen, während manche Kinder einfach ein anderes "Steckenpferd" kultivieren.
Ich finde, eine Begabung kann man daran erkennen, ob ein Kind die Sachen lernt, um damit etwas zu erreichen, oder ob es das lernen will, um damit zu jonglieren.
Ich habe auch das Gefühl, dass Amelie auch so mit Farben umgeht. Sie malt immer noch Krickelkrackel-Bilder, aber sie hat großen Spaß, die Farbtöne zu bennen. Sie unterscheidet z. B. schon lila, rosa, pink und "wie eine Aprikose" genauso wie hellgrün, dunkelgrün und türkis. Das ging sogar so weit, dass sie irgendwas Vorgegebenes (z. B. einen Tannenbaum) anmalen sollte und sie dann meinte, sie könnte das nicht, weil sie nicht die richtige Farbe bei ihren Buntstiften hätte. Dann weigerte sie sich, den Baum anzumalen. Hauptsache bunt gibt es bei ihr nicht, es muss dann schon alles passen.
Mein Mann ist da völlig am Verzweifeln, denn er ist vermutlich farbenblind

Meine Mutter hat mir freundlicherweise gesagt, dass sie das für Blödsinn hält und dass sie es sich eben gut merken kann. Aber die große Frage ist doch: Warum merken sich Kinder solche Sachen? Was bringt ihnen das? Und da zeichnet sich dann schon ab, ob die Kinder reproduzieren oder transferieren. Ich finde, dass es schon eine hohe Übertragungsleistung ist, wenn man den Farbton einer Sache mit dem Farbton einer anderen Sache vergleichen kann, obwohl man nicht beides vor Augen hat. Oder täusche ich mich da? Bitte ehrlich antworten, falls ich übertreibe.