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Beschulung ohne Feinmotorik?

Verfasst: Sa 11. Feb 2012, 12:33
von petravera
Wie soll ich beginnen, ohne den Rattenschwanz (schon mal gepostet) noch mit zu erklären?
1. Sohnemann ist getestet (über 130)
2. Betreuung 1 Jahr Krippe, von 2-4 miserable Kita* mit Reduktion aufs Alter, normiertes Spielen mit Gleichaltrigen --> sozialer Rückzug, Quatschmachen, Blockade der Feinmotorik
3. Ergo und Kitawechsel brachten die Wandlung und es war 1 Jahr gut. Sohni ist kein Bastler, redet lieber usw.

Nach 1 Jahr in der zweiten Kita begannen nun erneut die Probleme:
1. Nächtliches Erbrechen hat wieder begonnen (vor 1 Jahr endete es mit Kitawechsel)
2. Das Sprachverhalten ist deutlich anders als daheim
3. Er war frustriert, weil wenn er was erzählt, die Kinder weggehen, aggressiv werden oder er das Gefühl hat, abgelehnt zu werden.
4. Er biss sich zunächst auf die Hände, dann auf die Unterlippe. Die Erzieherinnen beschrieben ihn als "unter Strom und Stress".
5. Er begann zu lesen, rechnen und zu malen.

Ich habe, weil eine Änderung her muss, dem Sohn das Angebot gemacht, Gastkind in einer Schule zu sein.
Der Schulleiter hier am Ort hört sich gern selbst reden und hält sich selbst für Gott, wenn es um HB geht. Dabei schließt er aber individuelle Eigenheiten von Kindern aus, hört weder auf die Eltern noch auf Fachleute. Er fand es einleuchtend, Sohn zu unterstützen, tat aber letztlich nichts. Tipp der Kita: andere Schule!

In anderer Schule wurde ich mit offeneren Armen empfangen. Beim Hospitieren (dauert bereits 2 Wochen) stellte sich raus:
a) Inhaltlich ist er genauso weit wie die Kinder, die seit einem halben Jahr Unterricht haben, vielleicht würde er mit Input sogar noch weiter sein, da er vieles mit einer Erklärung runterleierte.
b) Er fühlt sich akzeptiert und angenommen. Er erzählt mit den Kindern seiner Klasse freier - und seine heisere Stimme ist nun weg!
c) Anders als inder Kita habe ich nun ein Kind, das von seinen Erlebnissen berichtet und total entsprannt ist.

Hier das Dilemma:
Trotzdem er sich total wohlfühlte, war seine Feinmotorik die Katastrophe! Sogar die Händigkeit wechselte – ganz zu schweigen von der Stifthaltung, die er in 90% der Fälle falsch machte... Er hat kaum Materialien in der Schule gemacht, vieles aber daheim freiwillig: Ein Lesedomino, für das er am 1. Schultag 3 Stunden brauchte, hat er in maximalst 10 Minuten daheim gemacht. Er macht und tut hier recht viel und freut sich jedes Mal auf den nächsten Tag. Wären nicht die motorischen Probleme, man hätte Sohn sofort genommen.

Erst dachte ich, es sei die Beobachtungssituation, aber er hat wohl mal eine Bildbeobachtung erklärt und alle beeindruckt – das sprach denn gegen den Druck. Kurz entschlossen bekam ich binnen 5 Stunden einen Ergotermin. Nach dem ersten Eindruck hat mein Kind keine Kraft in den Händen! Es ist also ein Defizit, kein Psychoding... ob ich froh sein soll, weiß ich nicht, denn:

Der Weg zurück in die Kita wird schwierig und ich weiß schon jetzt, dass er wieder Schleim brechen wird und den Diskutierer / Kasper macht. Er schildert ja jetzt immer wieder retrospektiv, dass er sich total unverstanden und abgelehnt gefühlt hat, wenn er Kleinere beschützt oder das Angebot macht, den Kindern vorzulesen. Das beschäftigt ihn auch jetzt, wo er in der Schule hospitiert.

Jetzt suche ich nach Alternativen:

Gibt es einen Mittelweg? Gibt es Beschulungsmodelle für reguläre Grundschulen, bei denen weniger feinmotorisch gearbeitet werden muss und das Wissen dennoch ins Kind kommt? Parallel würde der Ergotherapeut was machen...

Homeschooling wäre jetzt die letzte Lösung, denn für mich ist die soziale Integration und die Stärkung der Person wichtiger als ALLES auf der Welt!

Montag ist Gespräch - und ich weiß keinen Mittelweg...

Re: Beschulung ohne Feinmotorik?

Verfasst: Sa 11. Feb 2012, 16:26
von sogesehen
Hallo,
obwohl Du meinst, dass Du das schon mal gepostet hast, habe ich es nicht gefunden, deshalb ein paar Fragen: welche Händigkeit hat er denn? Wenn er die Händigkeit "spontan" gewechselt hat, liegt es doch nahe, dass der Mangel an Feinmotorik daher kommt? Die Schule, in der er Gast war, nimmt ihn definitiv nicht? Sonst würde ich diese Schule nehmen mit paralleler Ergotherapie. Wenn es wirklich grundsätzliche Defizite wären und Kraftlosigkeit in den Händen wäre Dir das doch sicher auch zu Hause aufgefallen - diesen Punkt versteh ich nicht so recht, warum das plötzlich und ganz unerwartet beobachtet wird.
LG

Re: Beschulung ohne Feinmotorik?

Verfasst: Sa 11. Feb 2012, 17:02
von Fredericke
Hallo,
Vielleicht kannst du mit den Lehrern reden, das er die schriftlichen Sachen in der Schule so weit mit macht, wie er es schafft und ihr den Rest zu Hause aufarbeitet. Das Schriftbild verändert sich eh immer wieder am Anfang. Zurück in den Kiga würde ich nicht unbedingt in Betracht ziehen. Wie sehen das denn die Lehrer. Sind diese denn der Meinung, wenn jemand nur rein von der Feinmotorik noch nicht so weit ist, das das ein Grund für eine Zurückstufung ist. Vielleicht holt er das ja auch mit der Ergotherapie ganz schnell auf.
Lg Frederike

Re: Beschulung ohne Feinmotorik?

Verfasst: Sa 11. Feb 2012, 18:25
von petravera
Ich hatte mal vor 2 Jahren gepostet, als ich feststellte, dass sich mein Kind schneller entwickelt. Dem Vater, der zunächst Interesse am Kind heuchelte, ging dann über Leichen und schreckte noch nicht mal davor zurück, einen Datenschutzverstoß der Erzieherin von Kita 1 hervorzurufen. Verschiedene Beratungsangebote waren ihm wurst, und ich wurde immer wieder dahin beraten, den Spaßpapa in Ruhe zu lassen und mein Kind allein groß zu ziehen. Und ich hab mir's jetzt angewöhnt, mit Leuten zu arbeiten, mit denen ich reden kann und die wissen, was sie tun.
"Unsere" Schule (am Ort) wollte noch nicht mal das Hospitieren ermöglichen, obwohl ich trotz Langzeitarbeitslosigkeit mir nichts anderes leisten kann.... Jetzt muss ich den Limbo schaffen und morgens und nachmittags die Distanz von 17 km fahren (viermal). Es ist keine Spezialschule, sondern eine Grundschule im sozialen Brennpunkt mit der Einstellung, dass ich weiß, was ich tue und immer die Folgen der Entscheidungen trage.

Der Vater und ich sind Linkshänder, der Bub auch. Das Wechseln der Händigkeit sei lt. Ergotherapeuten nach erstem Eindruck der Ausdruck mangelnder Kraft. Ich selbst hatte immer ein Kind, das nach 1 Minute mit dem Malen fertig war, das wenig machte, aber nie wirklich auffiel, weil er andere Dinge intensiv und gern machte. Auch in der Kita schien er eher uninteressiert (allenfalls ungeübt) als unfähig. Als er im Oktober zu basteln und malen anfing, da konnten auch mal 1-2 Stunden ins Land gehen, ohne dass er eine Pause machte. Er sitzt glücklich im Zimmer und malt Wickie-Bilder aus, knobelt usw. Nach eben 2 Monaten Klavierunterricht begann diese beschriebene Wandlung zum Motorischen und ich war seelig. Davor hatte Bub auch Tisch decken müssen, Besteckkasten einräumen oder das Zimmer vom Playmobil befreien... Er ist nicht überbehütet, sondern ich gehe - nachdem ich mich schon beim Kindsvater irrte - davon aus, dass jeder in einem Team mitmacht; Bub erziehe ich, dass er seinen Beitrag zur Familie leistet.

@Fredericke
Ja, geplant war von Anfang an, dass die Ergo engagiert wird, wenn feinmotorische Defizite auftauchen. Es schien aber mir bzw. der Kita (großes Okay zu Hospitation und Einschulung!) erstmal nicht nötig. Er scheint gut mitzukommen - daher wäre zum Sommer eine Einschulung in die 1. Klasse eher langweilig und ein Springen wäre dann früher oder später nötig. Trotz desaströser Feinmotorik stehen die Chancen für eine Einschulung derzeit bei 50:50. Der Ergotherapeut kennt Bub jetzt seit einer halben Sitzung, er kann nicht abschätzen, woher es kommt, dass er keine Kraft hat, kann also auch nicht wissen, wie lang es dauern wird. Was genau soll ich anbieten oder sagen soll am Montag?. Hat denn einer Erfahrung, ob man einen Parallelunterricht oder einen solchen motorikfreien Deal machen kann? Können unsere Kinder denn so viel aufholen?

Re: Beschulung ohne Feinmotorik?

Verfasst: Sa 11. Feb 2012, 20:01
von Bliss
Ich weiss jetzt nicht, wie es bei vorzeitiger Einschulung ist, aber zumindest bei regulärer Einschulung gibt es verschiedene Möglichkeiten, wenn jemand in einem oder mehreren Bereichen festgestellte Defizite hat. Es gibt z.B Nachteilsausgleich in Form von mehr Zeit bei Prüfungen, Befreiung von der Benotung in bestimmen Fächern oder auch einen Schulbegleiter. Wie das ganze abläuft ist allerdings von Bundesland zu Bundesland verschieden. Am ehesten kann dir vermutlich das Schulamt weiterhelfen.

Re: Beschulung ohne Feinmotorik?

Verfasst: So 12. Feb 2012, 16:15
von Fredericke
Hallo petravera,

als unmöglich würde ich es nicht bezeichnen. Ich denke schon, das es möglich ist. Ihr macht ja auch selber viel für die Motorik, Klavier, basteln u.s.w. Ihr könntet die Kraft auch durch kneten trainieren. Wenn ihr ein gutes Gefühl bei der Schule habt und wenn es ihm auch gut dort gefällt, würde ich daran festhalten. Ich kenne auch einen Fall, da war das Kind auch noch nicht so weit von der Motorik und wurde trotzdem vorzeitig eingeschult. In der ersten Zeit hat die Lehrerin die arbeitsblätter der vollständigkeit halber ausgefüllt. Da das Kind intellektuel sehr gut war, war das auch kein Problem. Als die Motorik besser wurde, hat das Kind seine arbeitsblätter immer mehr selbst vervollständigt, bis es keine Hilfe mehr benötigte. Ich muss aber auch dazu sagen das dies sehr kulante Lehrer waren, die dies nie als Problem sahen.
Vielleicht könnt ihr ja eine Art Kompromis finden.
Lg Fredericke

Re: Beschulung ohne Feinmotorik?

Verfasst: So 12. Feb 2012, 20:59
von petravera
Ich denke auch, dass es klappen könnte. Sohnemann grinste nur, als er heute hörte, dass er nun 4 Jahre lang Bastelgeld für nix gezahlt und die Erzieherinnen veräppelt hat. Sein Fußballtrainer war mit dabei und wir haben eben in Sohnis Beisein darüber gequatscht, dass er eben etwas Training braucht... Von Sohnis Seite ist die Sache geritzt. Und ich bin mittlerweile auch sicher, dass für mich die Freude beim Lernen und das soziale Ankommen gerade im Vordergrund stehen.

Ich habe mir schon mal Fragen für morgen zurechtgelegt, was das Soziale und Kognitive betrifft. Wenn er also von den Kindern abgelehnt würde oder man ihn meidet, dann hat das keinen Sinn. Oder wenn er sich auf dem Schulhof verkriechen würde (- typisch wäre allerdings, wenn er erstmal ein halbes Jahr beobachtet). Zum Kognitiven würde ich einfach fragen, wo noch Lücken sind und wie er damit umgeht. ... Die meisten Antworten kenne ich schon, aber vielleicht sind sie eine gute Argumentationsgrundlage.
Na, und man darf auch nicht verschweigen, dass es ein großer Schritt ist, denn Sohn mied (Dank Unterdrückungspädagogik) lange Zeit den Kontakt zu Älteren, jetzt zehnmal mehr bastelt als je zuvor und in der Kita zwar lacht, aber dann unter dem Druck hingehen zu müssen losbricht und eigentlich nur noch rumquietscht als Quatschmacher.

Die Schule scheint kulant und offen, sieht auch seine Potenziale. Ob sich die Lehrerin jetzt aber die Mühe macht, weiß ich nicht. Ich könnte mich mit der Lehrerin zusammensetzen und Eigenheiten der HBs besprechen wie das Verpassen von Anweisungen und Erklärungen, das sofortige Verstehen von sozialen Regeln, wenn sie einfach erklärt werden ... oder den Bub eben ins kalte Wasser springen lassen.

Werde sicherheitshalber morgen mal ein wenig Literatur mit ins Auto nehmen und anbieten.

Ja, die Motorik ist mir einfach wichtig. Heute waren wir "nur" im Indoorspielplatz mit viel Klettermöglichkeiten... zufälligst...

Re: Beschulung ohne Feinmotorik?

Verfasst: So 12. Feb 2012, 23:15
von Fredericke
Hallo petravera,

Das ist immer gut einen Schlachtplan zu haben. Das mit der hb wurde ich auch ansprechen, das denke ich ist wichtig. Beim Anbieten von Fachliteratur wäre ich schon etwas vorsichtiger, manche Pädagogen könnten sich da in ihrer Kompetenz etwas angeriffen fühlen. Ich denke da ganz vorsichtig mal anfühlen und wenn die Lehrer da offen sind, dann ruhig vorsichtig mal anbieten. Ansonsten alles Gute und viel Glück für morgen. Schreib doch mal wie es gelaufen ist.
Lg Fredericke

Re: Beschulung ohne Feinmotorik?

Verfasst: Mo 13. Feb 2012, 10:07
von alibaba
Hi,

auch wenn ich hier immer der Spielverderber bin, aber in der Rolle fühle ich mich ganz gut ;) , merke ich an, das die Feinmotorik eine starke Rolle im Schulalltag spielt. Kinder die das nicht können, werden früher oder später Probleme bekommen. Über das schreiben, egal wo, dreht sich Schulöe. In D, in M, in Kunst....auser in Musik und Englsich. ;) Überall ist Feinmotorik ein Thema. Wie schreibe ich etwas, wie schnell schreibe ich etwas...es klappt nicht, ich bin gefrustet. Oder bekomme ich eine Extrawurst, z.b. einen Computer zum schreiben. Das wäre dann aber schon die 2.Komponente wo ich auffalle. Das kann bedeuten, Kind ist etwas anderes, das kann akzeptiert werden oder eben nicht. Kinder sind grausam.....so ein Kind kann schnell ein Mobbingopfer werden.

Ich verstehe die Diskrepanz zwischen der kognitiven Möglichkeit und der feinmotorischen Entwicklung, jedoch finde ich es für die Meistung des Schulalltages viel besser, wenn die Feinmotorik läuft. Jede Zusatzförderung kann nur erfolgen, wenn das Kind feinmotorisch in der Lage ist, das zusätzliche Arbeitsblatt auszufüllen.

Ich würde nicht einschulen. Lieber normal mit guter Feinmotorik an der man bis dahin massiv arbeiten kann. Sollte dann der kognitive Vorsprung so weit sein, kann man immer noch springen. Möglichkeiten gibt es da sicherlich einige. Aber mit fehlender Feinmotorik sind die Grenzen eng gesteckt.

VLG

Re: Beschulung ohne Feinmotorik?

Verfasst: Mo 13. Feb 2012, 21:42
von sogesehen
ich denke da anders als alibaba. Die Feinmotorik kommt mit der Ergotherapie sicher schnell genug. Abgesehen davon glaube ich ja, dass der Linkshänder die Rechtshänder in der Klasse nachgemacht hat und deshalb plötzlich die Probleme hatte. Hast Du ihm erzählt, dass er ruhig seine linke Hand benutzen darf und der Schule, dass er bisher/eigentlich Linkshänder war?
Diese Angst vor Mobbing verstehe ich zwar, aber dem kann man sicherlich nicht vorbeugen durch Vermeiden vom Auffallen und man zwingt es dem Kind nicht auf durch Zulassen vom Anders sein. Auf der einen Seite kann es jeden treffen, auf der anderen Seite hilft gutes Selbstbewusstsein und soziale Kompetenz (vorzugsweise auch der Lehrer) sicher mehr als alles andere.
bin jetzt auch gespannt, wie es heute gelaufen ist,
lG