Rabaukenmama hat geschrieben:
Was für ein Buch ist das, in dem so was steht? Kommt mir sehr nach irgendwie in den Raum geworfenen Theorien vor und als würde der Autor (oder die Autorin) glauben, zu wissen, wie Kinder generell lernen.
Jetzt komme ich endlich dazu, ausführlicher zu antworten. Das Buch heißt: "Positiv lernen", von Jansen und Streit. Da geht es um das "IntraActPlus-Konzept". Ich mache es mir mal einfach, da ich eben deren Internetseite entdeckt habe, und verweise mal:
http://www.intraactplus.de/index.php?id=7
Dort steht einiges zu dem Konzept.
(ich bin übrigens auf das Buch gestoßen, als ich wegen "Mein Kind kann nicht puzzeln" googelte. Weil das während seiner Frühförderstunden ständig erwähnt wurde, daß er sich damit schwer tut, wollte ich wissen, was am puzzeln denn nun so toll sein soll, daß man es können sollte oder in Begeisterungsstürme ausbrechen muß. Und habe den Hinweis gefunden, daß das ein Anzeichen für spätere Lese-Rechtschreibschwäche sein KANN. Dann habe ich zu diesem Thema geforscht und bin auf irgendwelchen Ergotherapieseiten gelandet, bzw. Foren, und da wurde öfter dieses Konzept empfohlen. Also habe ich bei Amazon geschaut, mir die Bewertungen durchgelesen und das Buch besorgt. Mittlerweile ist meine Panik, mein Sohn könnte an sonstwas leiden zwar vorbei (nicht wegen dem Buchinhalt), aber das Buch war sicher nicht umsonst gekauft. Bin erst auf Seite 128 gelandet, d.h. da wird noch sehr viel spannendes kommen).
Rabaukenmama hat geschrieben:
Wenn der Autor des von dir erwähnten Buches dazu rät, die Kinder nicht nach Gehör schreiben zu lassen, dann frage ich mich, ob er noch nie darauf gekommen ist, dass es Kinder gibt, die einfach von sich aus beginnen, nach Gehör zu schreiben. Wie dann agieren? Ihnen das schreiben überhaupt verbieten oder jeder falsch geschriebene Wort korrigieren und noch mal richtig schreiben lassen?
Doch natürlich weiß er, daß es solche Kinder gibt.
Ich weiß gar nicht so recht, wie ich jetzt anfangen soll, da das Buch doch sehr komplex ist. Es fallen Begriffe wie Eigensteuerung, Selbstregulierung, Unteraktivierung beim Lernen. Er geht auf den Blutdruck ein (im Zusammenhang von Kindern mit Lernstörungen z.B.), er schreibt, daß ein erniedrigtes Aktivierungsniveau die Lern- und Leistungsfähigkeit vermindert und dadurch auch das Gefühl, was dann wieder zu xy führt. Dann geht es um die Bezugspersonen und deren unbewußte Verhaltensreaktionen, was einen großen Einfluß auf das Lernverhalten der Kinder hat, und wie man dies an sich selbst wahrnehmen und verändern kann. Es geht um das Kurzzeit und Langzeitgedächtnis, und wie man das Wissen in den Langzeitspeicher bekommt, damit es automatisch abrufbar ist. Er geht auf leistungsstarke und schwache Kinder ein. Usw.
Es geht vor allem um das Automatisieren von Lerninhalten bzw. Verhalten eines Menschen. Da hat er z.B. folgendes geschrieben (auf einen Reiz wird immer mit gleichem Verhalten reagiert - erste Bedingung der Automatisierung):
"Schreibt das Kind die Vorsilbe "ver-" manchmal mit "v", häufig aber auch mit "f" als erstem Buchstaben, so wird eine Automatisierung der richtigen Schreibweise verlangsamt oder verhindert. Ähnliches schreibt er zum Thema Geige lernen: mal den Ton sauber spielen, mal nicht - es entsteht keine Automatisierung. Einmal soll das Kind die Jacke anhängen, am nächsten Tag wird nicht darauf geachtet - es folgt keine Automatisierung.
Zweite Bedingung wäre: hohe Anzahl von Wiederholungen, damit das Gelernte aus dem Kurzzeitspeicher in den Langzeitspeicher wechselt. Sein Beispiel: Kind wird ein Buchstabe aufgeschrieben und benannt. Kind nimmt dies zunächst im Kurzzeitspeicher auf. Durch gewisse Anzahl von Wiederholungen (bei dem einen reichen 3, bei einem anderen 20 oder mehr) ist er im Langzeitspeicher gelandet und auch nach Stunden oder am nächsten/übernächsten Tag abrufbar. Ist das dann schließlich automatisiert - also Kind braucht sich nicht mehr anstrengen, um den Buchstaben zu bennen - kann es sich weiter entwickeln. Buchstaben zum Wort zusammen setzen, z.B.
Und so baut das aufeinander auf. Ist an einer Stelle etwas nicht automatisiert worden, wird es später zu Problemem kommen. Sein Beispiel: das Diktat. Wenn das Kind hier über die Regeln nachdenken muß (d.h. nicht automatisch weiß, daß z.B. Hund groß geschrieben wird), kommt es zur Überforderung, verpaßt es den Anschluß.
Jetzt das Thema "Schreiben wie man hört".
Er schreibt, daß Kinder oft bis zu zwei Jahre lang alle Wörter so schreiben sollen, wie sie sie hören. Und das führt dann eben zu einer Automatisierung des falsch Geschriebenen. (Bei meinem Neffen in der Schule wird das tatsächlich noch so gehandhabt. In der ersten Klasse schreiben die Kinder nur nach Gehör. Wann sich das ändern wird, weiß ich nicht - also ob es dann in Klasse 2 anders wird. Was ich auch krass fand ist, daß die Lehrerin sich beschwert, daß er die Buchstaben von unten nach oben schreibt, denn das würde doch heute in jedem Kindergarten richtig beigebracht werden, und wäre nicht Aufgabe der Schule. Das kann's ja wohl echt nicht sein.)
Sein Ansatz: es ist wichtig, das die Kinder zu Beginn des Schreibens, lernen, gesprochene Wörter zu schreiben. "Hierbei sollten jedoch nur Wörter verwendet werden, die man genauso schreibt, wie man spricht. (Eine Ausnahme ist lediglich das spontane freie Schreiben des Kindes.) Sobald ein Kind in der Lage ist, Gehörtes in Buchstaben umzusetzen, sollte mit einem systematischen Rechtschreibtraining begonnen werden."
Was dann nach seiner Ansicht vermieden werden soll, weil die Automatisierung behindert werden kann:
- zeitnahe Einführung ähnelnder Lerninhalte (b-d-p), weil es häufig zu Verwechslungen kommt. Vor allem schwächere Kinder sind von einer zeitnahen Einführung besonders betroffen.
- Buchstaben durch Maßnahmen wie Schreiben auf dem Rücken, Erfühlen auf Sandpapier... usw. Weil: mal wird der Reiz, mal die Antwort ausgetauscht. Zusätzlich wird Zeit darauf verwendet, jeweils neue Hilfestellungen zu erlernen und durchzuführen.
- zuviele Wörter, die gleichzeitig eingeführt werden (Automatisierung kann so verhindert werden, weil keine Zeit bleibt, jedes Wort entsprechend oft zu wiederholen, so daß es im Langzeitspeicher landet).
Und so folgt noch etliches. Z.B. erwähnt er auch die Lüksysteme und ähnliches - "hier muß geprüft werden, inwieweit das Verfahren zur Verwendung der Zusatzmaterialien zunächst selbst automatisiert werden muss, bevor es zur Automatisierung der eigentlichen Inhalte verwendet werden kann."
(das konnte ich gut an meinem Sohn beobachten, als er einst zum Test mußte. Er kannte das Lüksystem, und sollte dort nun andere Aufgaben erledigen, hat aber immer gezögert, weil er versucht hat, daß was von ihm verlangt wurde, mit dem zu vergleichen, was er kennt. Bis er dann begriffen hat, daß nun was anderes von ihm verlangt wird, bzw. das es eben auch ganz andere Möglichkeiten gibt, etwas umzusetzen. Jetzt wo er das weiß, hat er aber keine Probleme mehr damit).
Im Buch wird oft erwähnt, daß vor allem leistungsschwache Schüler unter diesen genannten Dingen leiden. Weil sie eben länger brauchen, bis sie ihr Wissen automatisiert haben. Das ist ja dann auch das Leid der Begabteren, daß sie den Stoff viel schneller packen, und sich dann langweilen. Der Weg ist aber für alle dergleiche. Durch Wiederholungen zur Automatisierung kommen, zum Abspeichern im Langzeitspeicher. Darauf baut alles weitere auf.
Ein anderer Bereich ist dann die Selbstregulierung und Eigensteuerung die wichtig zum Lernen ist, die Motivation, Selbstbelohnung etc. Dazu schreibt er auch sehr viel.
Später im Buch geht er (nein, gehen sie, die Autoren) dann auf Lese-Rechtschreibschwäche, ADHS und ähnliches ein, und wie man mit den Betroffenen lernen kann. D.h. es schafft, daß der Lerninhalt im Langzeitspeicher landet, automatisiert wird, trotz aller Probleme, die die Betroffenen haben. Und es geht auch viel um die Bezugspersonen, wie sie sich verhalten können, den Lernenden unbewußt beeinflussen etc. (was dann aber wieder für alle gilt, nicht nur Lernschwache).
Und es gibt einen Trainigsplan, für Rechtschreibung und Mathe, den ich sehr interessant finde. Und mit dieser Mothode wollte ich mich dann im Vokabellernen austoben - sofern ich jemals im Leben Zeit dazu finde.
Ich hoffe, daß war jetzt nicht zu wirr, sondern halbwegs verständlich. Ich finde das Ganze jedenfalls sehr interessant.