Diskussionsthema Schule

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
Rabaukenmama
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Rabaukenmama »

Maca hat geschrieben:Ich habe das Glück zwei völlig verschiedene Kinder zu haben,die mir tagtäglich zeigen wie vielfältig auch Lernen sein kann.
Mir geht es ähnlich, auch wenn meine Kinder noch nicht in die Schule gehen. Aber sie haben schon jetzt, im Kindergartenalter, vollkommen unterschiedliche Herangehensweisen und Fähigkeiten.
Maca hat geschrieben: Aber komischerweise sind es die Lehrer meiner Tochter,die uns versichern,wie toll sich unsere Tochter ,trotz der Probleme in der Schule macht,und was für eine Bereicherung ihre klugen und sehr reflektierten Beiträge im Unterricht für alle sind.
Ich finde immer wieder interessant dass die Lehrer so hinter Deiner Tochter stehen. Das ist für mich auch ein positives Beispiel in Sachen differenzieren. Das Wahrnehmen eines Menschen als Persönlichkeit, dessen Schwächen und Stärken nicht nur behrrschen oder nicht-beherrschen des Unterrichtsstoffes bestehen, ist für mich eine der schönsten Formen von Differenzierung :) .
Maca hat geschrieben:
Und manchmal ,wenn ich meine Kinder so beobachte und meinen durch und durch logisch,analytischen Sohn mit meiner hoch empathischen,sehr reflektierten,extrem Ganzheitlich orientierten und sozial bemerkenswert kompetenten Tochter vergleiche keimt in mir der Gedanke auf,
WARUM sollten dem einen Kind alle Chancen auf einen späteren,gut bezahlten Job offenstehen und dem anderen nicht?
Im Zweifelsfall würde ich heute davon ausgehen,daß meine Tochter mindestens genauso wertvoll für die Gesellschaft sein könnte wie mein Sohn.
Das sehe ich ganz genauso!
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Rabaukenmama »

Bliss hat geschrieben:
Rabaukenmama hat geschrieben: Dabei wäre das gar nicht nötig wenn die Schüler individuell lernen dürften - eben in klassenübergreifenden Lerngruppen, wo auf Fähigkeiten und Lerngeschwindigkeit der einzelnen Schüler viel besser eingegangen werden kann. Dann käme es gar nicht zu der Situation dass der "arme" Gymnasialprofessor sich mit all diesen Kindern herumschlagen muss, die "ohnehin nicht lernen wollen oder können" und deshalb die wirklich "guten" Kinder zu kurz kämen.
Klingt erstmal gut. Nur was ist, wenn am Ende wie bei Koschka geschildert alle das Abitur anstreben? Da kann man eigentlich nur über die Zeit, die es bis zum Abitur braucht differenzieren, also Klasse überspringen oder wiederholen.
Wieso? Wenn in klassenübergreifenden Gruppen in verschiedenen Tempi gearbeitet wird braucht keiner die ganze Klasse wiederholen weil er in einem oder zwei Gegenständer nicht so gut oder langsamer ist. Schlimmstenfalls ist ein Schüler dann eben mit dem Lernstoff eines Gegenstandes schon fertig wenn er beim anderen noch nachhinkt.

Und wenn jemand schneller oder besser ist als seine Gruppe steigt er eben in die nächsthöhere/bessere Gruppe auf. Natürlich ist auch da mal ein Limit erreicht, aber es ist sicher auch hier für die Lehrer leichter zu differenzieren weil das Niveau innerhalb einer Gruppe nie so krass variieren wird wie innerhalb einer altershomogenen Klasse.
Bliss hat geschrieben: Ich finde das mit dem die Lehrer wollen und können nicht differenzieren sagt sich immer so einfach. Aber schon wenn meine 4 Kinder verschiedenen Alters gleichzeitig was vom mir wollen merke ich, wie schwierig das ist und es geht nicht, ohne einige entweder auf später zu vertrösten (die Großen auf die Zeit wenn die Kleinen schlafen) oder einge mit irgendwelchen Beschäftigungsmaßnahmen "ruhigzustellen" Aber schon das hin- und herswitschen, wenn man sich wirklich auf das Kind einläßt und nicht nur Hm, ja, toll auf seine Erzählungen antwortet ist schwierig.
Ich habe nie behauptet das es einfach wäre. Und ich erwartet um Himmels willen von keinem Lehrer ständig und in jeder Situation perfekt differenzieren zu können, die Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes augenblicklich zu erkennen und nie eines auf später vertrösten zu müssen. Wie heißt es so schön "Wir streben nach Besserung, nicht nach Vollkommenheit!" :) .

Was mir aber sehr wohl zu denken gibt ist die Frage, warum manche sich für den Lehrerberuf entscheiden: weil man da ja nur 20 oder 25 Stunden arbeiten muss (gemeint ist die Zeit in der Klasse) und im Sommer zwei ganze Monate frei hat! Für jemanden, der mit so einer Einstellung den Beruf gewählt hat ist schon das korrigieren der Hausaufgaben und Prüfungen eine lästige Zumutung und dann auch noch zu erwartet, dass er auf jedes Kind einzeln eingeht statt einfach ein Programm runterzuspulen ist schlichtweg undenkbar.

Tatsächlich ist aber ganz genau DAS notwendig: sich von den Fähigkeiten, Stärken und Schwächen der Schüler ein Bild machen und erst mal WILLIG zu sein, individuelle Lösungen für auftretende Probleme zu finden. Mit Zeit und Übung wird das einmal genauso ein Selbstläufer wie das alte, ewig gleich Programm. Wer mal bereit ist sich auf echtes differenzieren einzulassen wird mit zunehmender Erfahrung und Übung automatisch immer besser darin. Und genau SOLCHE Lehrer brauchen wir.

Bliss hat geschrieben: Und wenn eine Klasse sehr heterogen ist und von hochbegabten bis minderbegabten auch noch Kinder hat, die den Stoff aufgrund einer Behinderung auf ganz andere Art und Weise vermittelt bekommen müssen kann ich mir schon bei Miniklassengrößen nicht vorstellen, wie das gehen soll, außer dass die Kinder das mehr oder weniger in Eigenregie machen müssen.
In der Nähe gibt es ein Gymnasium welches schwerpunktmäßig auch Schüler mit Hörschäden aufnimmt. Ganz gehörlose natürlich nicht, aber zumindest solche, welche mit Hilfsmitteln ausreichend Höreindrücke haben, um sprechen zu können. So sind in normalen Klassen meistens 1-3 Kinder mit Hörgeräten oder CIs, die anderen sind normal hörend. In den Klassen sind sogenannte FM-Anlagen installiert. Das ist so eine Art Verstärker, welcher die Worte des Lehrers klarer von den Hintergrundgeräuschen abheben soll. Denn mit Hörgeräten oder CIs "allen" sind die Hintergrundgeräsche in einer Klasse meistens zu stark um dem Unterricht folgen zu können.

Voraussetzung für das funktionieren dieser Anlagen ist, dass sich der Lehrer ein Kästchen um den Hals hängt, welches seine Stimme aufzeichnet und für die hörgeschädigten Schüler verstärkt. Aber das allein genügt nicht. Die Lehrer sollten außerdem auf baumelnde Kettchen oder Broschen, die bei Bewegung gegen das Kästchen schlagen, verzichten. Denn das ist sehr unangenehm laut für die Träger von Hörgeräten und CIs. Außerdem sollten sie die Sender in den Pause abschalten, sonst können die Schüler selbst keine Unterhaltungen führen weil sie sich zwangsläufig die des Lehrers (z.B. mit Kollegen) anhören müssen. Auch bei Prüfungen sollten die Teile abgeschaltet sein damit die Schüler nicht vom Kaffee-schlürfen oder Zeitung-umblättern ständig gestört werden. Und dann sollten sie natürlich noch daran denken, die Teile rechtzeitig wieder einzuschalten wenn die Prüfung oder die Pause vorbei ist.

Alles grundsätzlich logisch und auch machbar, aber die Bereitschaft dazu ist sehr unterschiedlich. Es geht hier nicht darum dass den Lehrern, die diese Teile nutzen, nie ein Fehler passieren darf, sondern um ein grundsätzliches Interesse daran, den hörgeschädigten Kindern nach bestem Wissen und Gewissen zu ermöglichen, dem Unterricht zu folgen. Ob diese Kriterien eingehalten werden oder nicht kann darüber entscheiden ob ein Schüler in der Klasse verbleiben kann oder nicht. Das ist eine Verantwortung, derer sich die Lehrer bewusst sein sollten.

Nein, es ist wirklich nicht einfach und das habe ich auch nie behauptet. Aber wie sagte einmal Albert Einstein?

"Ich habe wenig Geduld mit Wissenschaftlern, die ein Brett dahernehmen, sich die dünnste Stelle aussuchen, und dort einen Haufen Löcher bohren, wo es sich mühelos bohren lässt."

So ähnlich sehe ich es mir mit den Lehrern: die wirklich guten haben nicht das vorrangige Ziel, es sich leicht zu machen ;) .
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Maca »

@ Rabaukenmama,
Ich finde es auch immer wieder erschreckend,was für eine unglaublich große Macht Lehrer haben können,
im Guten wie im Schlechten und letzteres kann sich nachhaltig negativ auf den weiteren Lebensweg auswirken.
Hätten wir mit den Lehrern unserer Tochter nicht so ein großes Glück,könnte gerade nun in dieser sensiblen vorpubertären Phase,so viel zerstört werden und ihr jedes Selbstvertrauen ,jede Motivation genommen werden.

Alle guten Lehrer,die ich kenne ,haben eines gemeinsam,
SIE MÖGEN IHRE SCHÜLER,das ist so banal,aber leider nicht selbstverständlich.

Ich glaube differenzieren kann man nur wenn man es will,sich darauf einläßt ,sich mit seinen Schülern auseinandersetzt und das tud man halt nur wenn sie einem nicht egal sind.

Ein Kind,welches durch die Schule geht und von seinen Lehrern nicht wahrgenommen wird oder nur aufgrund seiner Leistungsdefizite wahrgenommen wird,erlebt meiner Meinung nach eine Art Kindesmißhandlung :cry: .

LG
Maca
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Bliss »

Rabaukenmama hat geschrieben: Was mich gewaltig stört ist Deine Aussage dass wir auf die "nächste Generation" an Lehrern warten müssen.
Wobei die Generation, die jetzt gerade studiert auch weiterhin im Studium weder von Inklusion noch von Binnendifferenzierung viel mitbekommt. Meine Tochter hatte letztes Jahr eine Referendarin und was die berichtet klang wenig ermutigend, dass da so schnell eine diesbezüglich besser vorbereitete Generation ausgebildet wird.
An meiner Hauptschule gab es einen total unfähigen Lehrer, der immer wieder Schüler lächerlich gemacht und erniedrigt hat. Auch vor körperlichen Übergriffen war man bei ihm nicht sicher. Ich habe selbst gesehen wie er einen Schüler meiner Klasse an den Haaren vom Pult hochgezogen und die Köpfe von zwei anderen Schülern gegeneinandergeknallt hat.

Von einer Freundin, die denselben Lehrer einige Jahre später hatte, weiß ich von noch schlimmeren Vorfällen. Diese Freundin war auch Ohrenzeuge wie der Schuldirektor diesen Lehrer völlig entnervt zum x-ten Mal wütend entgegengeschleudert hat dass er Schüler in keinem Fall schlagen oder sexuell belästigen darf :twisted: . Unter anderem fiel in dem Gespräch "Wenn ich könnte hätte ich Sie schon längst rausgeworfen!".
Lehrer besitzen doch keine Immunität. Selbstverständlich kann man Lehrer los, die schlagen oder sexuell belästigen, wäre ja noch schöner. Bei reiner Inkompetenz sieht es da schon anders aus, das ist in der Tat nicht so ohne weiteres möglich.
Bliss
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Bliss »

Rabaukenmama hat geschrieben: Wieso? Wenn in klassenübergreifenden Gruppen in verschiedenen Tempi gearbeitet wird braucht keiner die ganze Klasse wiederholen weil er in einem oder zwei Gegenständer nicht so gut oder langsamer ist. Schlimmstenfalls ist ein Schüler dann eben mit dem Lernstoff eines Gegenstandes schon fertig wenn er beim anderen noch nachhinkt.

Und wenn jemand schneller oder besser ist als seine Gruppe steigt er eben in die nächsthöhere/bessere Gruppe auf. Natürlich ist auch da mal ein Limit erreicht, aber es ist sicher auch hier für die Lehrer leichter zu differenzieren weil das Niveau innerhalb einer Gruppe nie so krass variieren wird wie innerhalb einer altershomogenen Klasse.
Das meine ich ja. Letztendlich wird dadurch differenziert, dass die Kinder unterschiedlich schnell die Schule durchlaufen..

Was mir aber sehr wohl zu denken gibt ist die Frage, warum manche sich für den Lehrerberuf entscheiden: weil man da ja nur 20 oder 25 Stunden arbeiten muss (gemeint ist die Zeit in der Klasse) und im Sommer zwei ganze Monate frei hat! Für jemanden, der mit so einer Einstellung den Beruf gewählt hat ist schon das korrigieren der Hausaufgaben und Prüfungen eine lästige Zumutung und dann auch noch zu erwartet, dass er auf jedes Kind einzeln eingeht statt einfach ein Programm runterzuspulen ist schlichtweg undenkbar.
Ich habe ja jetzt schon einige Lehrer bei meinen Kindern erlebt und ich glaube diesen Typus gibt es zum Gkück kaum noch. Eigentlich erlebe ich praktisch alle Lehrer als mal grundsätzlich engagiert und den Kinder zugewandt, aber für wirkliches: jedes Kind lernt in eigenem Tempo haben sie keine Kapazitäten frei. Für die Begabteren gibt es dann vielleicht ein Beschäftigungsprogramm, für die Schwächeren wirds nochmal erklärt, aber mehr ist einfach nicht drin.
So sind in normalen Klassen meistens 1-3 Kinder mit Hörgeräten oder CIs, die anderen sind normal hörend.
Wenn es jetzt nur Kinder mit der gleichen Einschränkung gibt geht es ja noch. Wenn aber z.B eins schlecht hört, eins schlecht sieht und das andere feinmotorisch eingeschränkt ist, so dass es nicht schreiben sondern nur tippen kann, dann muss der Lehrer schon auf eine Menge Dinge achten. Und dann noch für jedes Kind parat haben, wo es leistungsmäßig gerade steht? Da müsste sich einiges ändern im Bezug auf Ausstattung (personell, räumlich, Klassengröße)
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Rabaukenmama »

Bliss hat geschrieben:
Rabaukenmama hat geschrieben: Wieso? Wenn in klassenübergreifenden Gruppen in verschiedenen Tempi gearbeitet wird braucht keiner die ganze Klasse wiederholen weil er in einem oder zwei Gegenständer nicht so gut oder langsamer ist. Schlimmstenfalls ist ein Schüler dann eben mit dem Lernstoff eines Gegenstandes schon fertig wenn er beim anderen noch nachhinkt.

Und wenn jemand schneller oder besser ist als seine Gruppe steigt er eben in die nächsthöhere/bessere Gruppe auf. Natürlich ist auch da mal ein Limit erreicht, aber es ist sicher auch hier für die Lehrer leichter zu differenzieren weil das Niveau innerhalb einer Gruppe nie so krass variieren wird wie innerhalb einer altershomogenen Klasse.
Das meine ich ja. Letztendlich wird dadurch differenziert, dass die Kinder unterschiedlich schnell die Schule durchlaufen..
Ob Kinder die Schule unterschiedlich schnell durchaufen weil sie in IHREM Tempo lernen dürfen oder Klassen überspringen bzw. wiederholen macht für mich schon einen riesigen Unterschied.

Sowohl beim überspringe als auch beim wiederholen verlässt das Kind seine Klassengemeinschaft und kommt in eine komplett andere Klasse. Bei Kindern, die nicht auf allen Gebieten Überflieger sind besteht beim überspringen außerdem die Gefahr, Inhalte nicht vermittelt zu bekommen, auf denen der Stoff der nächsten Jahre aufbaut.

Und beim wiederholen besteht die Gefahr von Langeweile in den Gegenständen, die man ohnehin gut kann, das sture auswendig-lernen von Fakten, die dann ohnehin vergessen werden, bleibt das Gleiche und in den Gegenständen, in denen das Kind wirklich Probleme hat gibt es auch keine Veränderung gegenüber dem Vorjahr.
Bliss hat geschrieben: Wenn es jetzt nur Kinder mit der gleichen Einschränkung gibt geht es ja noch. Wenn aber z.B eins schlecht hört, eins schlecht sieht und das andere feinmotorisch eingeschränkt ist, so dass es nicht schreiben sondern nur tippen kann, dann muss der Lehrer schon auf eine Menge Dinge achten. Und dann noch für jedes Kind parat haben, wo es leistungsmäßig gerade steht? Da müsste sich einiges ändern im Bezug auf Ausstattung (personell, räumlich, Klassengröße)
Gibt es in Deutschland Schulen wo das so praktiziert wird? Zumindest von Wien kenne ich es so, dass "normale" Schulen den (integrations-)Schwerpunkt auf das eine oder andere Handycap legen, vor allem bei Sinnesbehinderungen. Beispiel FM-Anlagen: die Dinger sind ziemlich teuer und müssen aufwendig installiert werden. Diese in EIN Klassenzimmer EINER Schule einzubauen für EIN hörgeschädigtes Kind einzubauen wäre schlichtweg Geldverschwendung. Genauso wäre es Geldverschwendung ein Personenleitsystem für Blinde in einer Schule einbauen zu lassen wenn nur EIN blindes Kind diese Schule besucht. Und für EIN Kind im Rollstuhl eine ganze "alte" Schule auf barrierefrei umzubauen ist genau dasselbe.

Daher kenne ich sogenannte "Integrationsschulen" oder "Integrationsklassen" nur in der Form, dass hier der Schwerpunkt auf EINE Art von Behinderung gelegt wird. So viel mal zur notwendigen Infrastruktur in Österreich, wie es in D aussieht weiß ich nicht.

Aber abgesehen davon von räumlichen und technischen Voraussetzungen gibt es ja auch Kinder mit anderen Handycaps. Schließlich sind ja auch Kinder mit Down Syndrom, ADHS, Autismus, Asperger usw. schulpflichtig. Da geht es dann nicht so sehr um die schulische Infrastruktur als ums echte differenzieren.

Eine Klasse, wo Kinder unterschiedlichster Behinderungen und Verhaltensauffälligkeiten gemeinsam mit gesunden Kindern unterrichtet werden, kenne ich nicht und ist in der Praxis auch schwer vorstellbar. Eine Klasse mit einem blinden, einem gehörlosen, einem Asperger- und einem Down-Syndrom-Kind neben 20 gesunden Kindern wird es kaum geben, also ist auch nicht notwendig, Lehrer zu verteidigen die in so einer fiktiven Klasse nicht ausreichend differenzieren können.
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Bliss »

Rabaukenmama hat geschrieben: Sowohl beim überspringe als auch beim wiederholen verlässt das Kind seine Klassengemeinschaft und kommt in eine komplett andere Klasse. Bei Kindern, die nicht auf allen Gebieten Überflieger sind besteht beim überspringen außerdem die Gefahr, Inhalte nicht vermittelt zu bekommen, auf denen der Stoff der nächsten Jahre aufbaut.
Und so gibt es gar nicht erst eine Klassengemeinschaft, weil jeder in jedem Fach mit anderen zusammen ist?
Gibt es in Deutschland Schulen wo das so praktiziert wird?
In Deutschland wurden jahrzehntelang behinderte Kinder zum größten Teil an Förderschulen beschult. Im Zuge der Inklusion wurden jetzt schon zahlreiche Förderschulen geschlossen. Es gibt zwar Schulen mit Schwerpunkt Inklusion aber es ist nicht so vorgesehen, dass die Kinder aufgrund ihrere Behinderung einer Schule zugewiesen werden. Das würde ja auch Gedanken der Inklusion wiedersprechen. Dass es in der Praxis teilweise trotzdem darauf hinauslaufen wird, dass sich Kindern mit einer bestimmten Behinderung nur Schule X offensteht wird sich nicht verhindern lassen.
Eine Klasse, wo Kinder unterschiedlichster Behinderungen und Verhaltensauffälligkeiten gemeinsam mit gesunden Kindern unterrichtet werden, kenne ich nicht und ist in der Praxis auch schwer vorstellbar. Eine Klasse mit einem blinden, einem gehörlosen, einem Asperger- und einem Down-Syndrom-Kind neben 20 gesunden Kindern wird es kaum geben, also ist auch nicht notwendig, Lehrer zu verteidigen die in so einer fiktiven Klasse nicht ausreichend differenzieren können.
Also für Deutschland gibt es das schon länger, bislang allerdings meist noch auf freiwilliger Basis.

Kannst ja mal nach dem Fall Henri googeln, da geht es um einen Jungen mit Down Syndrom, der mit zwei Körperbehinderten Kindern (eins davon war glaub ich hörbehindert, das andere feinmotorisch stark eingeschränkt) von der Grundschule aufs Gymnasium wechseln wollte. In der Grundschule waren sie also bereits zusammen so als Gruppe. Das Gymnasium hat abgelehnt und ist damit erst mal durchgekommen, aber in der Diskussion dazu ist schon rausgekommen, dass das prinzipiell schon möglich werden soll.
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von elboku »

@ Unterrichtskonzepte:

Grad in Österreich laufen zur Zeit zig verschiedene Schulversuche, wo alternative Lehrmethoden angewandt werden. Das ist zwar schön und gut, doch werden diese Versuche weder wissenschaftlich begleitet, noch in absehbarer Zeit ernsthaft evaluiert.
Es wird halt ein Versuch gestartet, wie dieser aber vergleichbar bzw. evaluierbar wird, darüber denkt man nicht nach.
Sehr schade für unser Bildungssystem.

@ Differenzieren I:
MMn macht es schon etwas aus, ob man wiederholt oder überspringt. Man verlangt nämlich, dass Kinder, die sich in einem oder mehreren Gegenständen schwer tun, oder die besonders schnell lernen, auch sozial super kompetnet sind. Anstatt sie im Klassenverband zu belassen, wo Freundschaften schon bestehen, müssen sie die Klasse wechseln. Die bessere Lösung für das Kind (nicht für die Lehrer) ist es, das Kind bleibt im Verband und beschäftigt sich in den Gegenständen individuell, wo es besser oder schlechter ist. Für die Leichtlernen bedeutet das, dass sie mit in manchen Gegenständen mit mehr Wissen die Schule verlassen, für die Schlechterlernen, dass sie nicht auch noch mit dem "Sozialen Abstieg" kämpfen müssen, und ihnen vielleicht etwas später der Knopf aufgeht.

@ Differenzieren II:
Bei meiner Tochter mach ich grad die Erfahrung, dass es der Lehrerin wirklich viel abverlangt. Sie muss sich extra etwas überlegen, was für das jeweilige Kind grad passend ist, und sie muss alles protokollieren, welches Kind wie weit ist.
Wenn nur bei einzelnen Kinder differenziert wird, dann hat die Lehrerin unter Umständen auch noch ein soziales Problem in der Klassen (z.B. "Warum darf die schon yx machen, und ich noch nicht"). Der Neid einzelner KlassenkollegInnen kann schnell aufkeimen.

LG, Lisa
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Rabaukenmama »

Koschka hat geschrieben: Warum soll man überhaupt ständig neue Unterichtskonzepte ausprobieren zum Thema: wie bringe ich den Kindern Lesen oder Rechnen bei? Eine ganz normale traditionelle Variante bringt zuverlässige Ergebnisse. Aber die ist mit Anstrengung und Geduld verbunden, mit Üben.
Gegenfrage: warum soll man KEINE neuen Unterrichtskonzepte ausprobieren? Du wetterst gegen "ungeprüfte" Methoden und dann stellt sich raus dass die Prüfungen der althergebrachten Methoden anscheinend ausschließlich darin bestehen, dass sie schon lange angewendet wurden. Sehr fundiert erscheint mir dieser Ansatz daher nicht. Nur weil etwas bisher auf eine Art gemacht wurde heißt das noch lange nicht dass diese Art die einzig richtige ist und auf ewig beibehalten werden muss.
Koschka hat geschrieben: Warum hat man Diktate abgeschafft? Die Kinder sollen bewusst Rechtschreibregel anwenden. Ergebnis: 5. Klasse kann nicht zuverlässig Groß- und Kleinschreibung aufgrund zu wenig Übung. Von anderen Regeln gar nicht die Rede.
Jetzt frage ich mal ganz ketzerisch warum Kinder der 5. Klasse zuverlässig Groß- und Kleinschreibung beherrschen sollen. Getippt wird ohnehin in den Computer und der hat eine Rechtschreibprüfung. Und ich bin ohnehin schon seit Jahrzehnten für generelle Kleinschreibung und kapiere nicht, warum so beharrlich an alten Regeln festgehalten wird, die keinem was bringen.
Koschka hat geschrieben: Bundesländer mit modernste Reformpädagogik sind bildungstechnisch ganz hinten gelandet. Für neue Mehtoden hatten die Lehrer genug Zeit und Lust für die Fortbildungen.
Den letzten Satz verstehe ich sinngemäß nicht. Wie sollen Lehrer deiner Meinung nach mit neuen Methoden vertraut werden und warum überhaupt, wenn du ohnehin meinst, alles sollte beim alten bleiben?

Ich behaupte nicht, dass jede Neuerung gut ist und beibehalten werden soll. Aber wenn wir schon von Standards sprechen dann ist ein überdenken von ALLEM notwendig um zeitgemäße Standards festzulegen.
Koschka hat geschrieben: Für Differenzierung sieht es nicht so rosig aus. Viele können die Begabungen gar nicht erkennen, und wenn sie sie erkennen, dann wissen sie nicht wie man damit umgeht. Das traditionelle: "Ihr Kind hat schlechte Noten, es kann gar keine Begabung haben" ist immer noch sehr verbreitet.
Genau darum ist ja höchste Zeit dass Lehrer differenzieren LERNEN. Und das wird nur klappen wenn ihnen klar ist, wie wichtig das heutzutage ist.

Schule heute läßt sich nicht mit Schule vor 50 Jahren vergleichen. Gott sei Dank stehen die Lehrer nicht mehr als unantastbare Autoritätspersonen vorne und es wird auch Gott sei Dank nicht mehr diskutiert, ob Fragen der Schüler im Unterricht zugelassen werden sollen (wie noch vor etwa 90 Jahren in Gymnasien).

Manchmal höre ich, früher hätten Schüler mehr Respekt vor dem Lehrer gehabt. Beim genaueren hinsehen merkt man aber dass es nicht Respekt war, sondern Angst. Durch die Strafen (und manchmal auch Belohnungen) hatten Lehrer Macht über die Schüler. Die meisten kamen außerdem aus autoritären Älternhäusern und waren gewohnt, zu gehorchen, sonst...

Ich habe jedenfalls in Berichten und Büchern über Schule "früher" nie gehört dass ich Eltern z.B. beschwert hätten wenn ihr Kind vom Lehrer körperlich gezüchtigt, beschimpft oder vor der ganzen Klasse lächerlich gemacht wurde. Der Lehrer war so eine Art Allmachtperson, wobei (GsD) nicht alle Lehrer diese Macht mißbraucht haben. Was mal zufällig einer darunter, der echtes Interesse an seinen Schülern hatte, waren diese meistens sehr dankbar für dieses (ungewohnte) Entgegenkommen.

Heute wird den Kindern im Elternhaus, in der Familie und in der Gesellschaft mit viel mehr Respekt begegnet. Viele Kinder haben wenig oder gar keinen Machtmißbrauch auf ihre Kosten erlebt, wenn sie in die Schule eintreten. Dadurch haben es Lehrer schwerer. Denn der "Respekt", der früher eigentlich Angst gewesen war, ist nicht automatisch da, sondern muß "verdient" werden. Schwächen bei Kindern werden nicht mehr als lästige, möglichst bald auzugleichende Unzulänglichkeiten gesehen, sondern als Teil ihrer Persönlichkeit akzeptiert. Wenn außerdem noch im Gegenzug Stärken erkannt und gefördert werden kann sich ein junger Mensch seiner Wesensart entsprechend bestmöglich entwickeln. Diese Erkenntnis gilt es, den Lehrern zu vermitteln, die das noch nicht verinnerlicht haben.
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Rabaukenmama »

elboku hat geschrieben:@ Unterrichtskonzepte:

Grad in Österreich laufen zur Zeit zig verschiedene Schulversuche, wo alternative Lehrmethoden angewandt werden. Das ist zwar schön und gut, doch werden diese Versuche weder wissenschaftlich begleitet, noch in absehbarer Zeit ernsthaft evaluiert.
Es wird halt ein Versuch gestartet, wie dieser aber vergleichbar bzw. evaluierbar wird, darüber denkt man nicht nach.
Sehr schade für unser Bildungssystem.
Das sehe ich leider ähnlich. In der Schule meines Mannes gab es vor ca. 35 Jahren einen Schulversuch mit Leistungsgruppen in Deutsch, Mathe und Englisch. In der ersten Leistungsgruppe wurde nach Gymnasiumlehrplan gearbeitet, in der zweiten nach dem Lehrplan des damals üblichen "ersten Klassenzuges", in der dritten nach dem Lehrplan des "zweiten Klassenzuges (nur halt mit englisch)".

Haken an der Sache war dass nach der 4. Klasse Schluß war und mein Mann, der in allen drei Hauptgegenständen in der ersten Leistungsgruppe gewesen war, mit einem normalen Hauptschulzeugnis die Schule verließ. Bei Vorstellungsgesprächen konnte niemand die Leistungen zuordnen weil die Voraussetzungen des Schulversuches den Betrieben natürlich nicht bekannt waren. Sprich: mein Mann hatte zwar das Wissen eines Gymnasiasten, die Noten wurden aber als Hauptschulnoten gesehen. Und an einen möglichen Übertritt der besseren Schüler ins "echte" Gymnasium war natürlich nicht gedacht worden.

Solche und ähnliche Versuche gibt es heute noch massenhaft. Manche dieser Konzepte werden schon seit Jahrzehnten umgesetzt und keiner fragt sich, was es bringt. Auch ich finde das sehr schade, vor allem weil sicher gute Ansätze dabei wären und weil man bei denjenigen, die nachweislich nichts gebracht haben, auf weitere Versuche in diese Richtung verzichten könnte.
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