Bliss hat geschrieben:Rabaukenmama hat geschrieben:
Dabei wäre das gar nicht nötig wenn die Schüler individuell lernen dürften - eben in klassenübergreifenden Lerngruppen, wo auf Fähigkeiten und Lerngeschwindigkeit der einzelnen Schüler viel besser eingegangen werden kann. Dann käme es gar nicht zu der Situation dass der "arme" Gymnasialprofessor sich mit all diesen Kindern herumschlagen muss, die "ohnehin nicht lernen wollen oder können" und deshalb die wirklich "guten" Kinder zu kurz kämen.
Klingt erstmal gut. Nur was ist, wenn am Ende wie bei Koschka geschildert alle das Abitur anstreben? Da kann man eigentlich nur über die Zeit, die es bis zum Abitur braucht differenzieren, also Klasse überspringen oder wiederholen.
Wieso? Wenn in klassenübergreifenden Gruppen in verschiedenen Tempi gearbeitet wird braucht keiner die ganze Klasse wiederholen weil er in einem oder zwei Gegenständer nicht so gut oder langsamer ist. Schlimmstenfalls ist ein Schüler dann eben mit dem Lernstoff eines Gegenstandes schon fertig wenn er beim anderen noch nachhinkt.
Und wenn jemand schneller oder besser ist als seine Gruppe steigt er eben in die nächsthöhere/bessere Gruppe auf. Natürlich ist auch da mal ein Limit erreicht, aber es ist sicher auch hier für die Lehrer leichter zu differenzieren weil das Niveau innerhalb einer Gruppe nie so krass variieren wird wie innerhalb einer altershomogenen Klasse.
Bliss hat geschrieben:
Ich finde das mit dem die Lehrer wollen und können nicht differenzieren sagt sich immer so einfach. Aber schon wenn meine 4 Kinder verschiedenen Alters gleichzeitig was vom mir wollen merke ich, wie schwierig das ist und es geht nicht, ohne einige entweder auf später zu vertrösten (die Großen auf die Zeit wenn die Kleinen schlafen) oder einge mit irgendwelchen Beschäftigungsmaßnahmen "ruhigzustellen" Aber schon das hin- und herswitschen, wenn man sich wirklich auf das Kind einläßt und nicht nur Hm, ja, toll auf seine Erzählungen antwortet ist schwierig.
Ich habe nie behauptet das es einfach wäre. Und ich erwartet um Himmels willen von keinem Lehrer ständig und in jeder Situation perfekt differenzieren zu können, die Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes augenblicklich zu erkennen und nie eines auf später vertrösten zu müssen. Wie heißt es so schön "Wir streben nach Besserung, nicht nach Vollkommenheit!"

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Was mir aber sehr wohl zu denken gibt ist die Frage, warum manche sich für den Lehrerberuf entscheiden: weil man da ja nur 20 oder 25 Stunden arbeiten muss (gemeint ist die Zeit in der Klasse) und im Sommer zwei ganze Monate frei hat! Für jemanden, der mit so einer Einstellung den Beruf gewählt hat ist schon das korrigieren der Hausaufgaben und Prüfungen eine lästige Zumutung und dann auch noch zu erwartet, dass er auf jedes Kind einzeln eingeht statt einfach ein Programm runterzuspulen ist schlichtweg undenkbar.
Tatsächlich ist aber ganz genau DAS notwendig: sich von den Fähigkeiten, Stärken und Schwächen der Schüler ein Bild machen und erst mal WILLIG zu sein, individuelle Lösungen für auftretende Probleme zu finden. Mit Zeit und Übung wird das einmal genauso ein Selbstläufer wie das alte, ewig gleich Programm. Wer mal bereit ist sich auf echtes differenzieren einzulassen wird mit zunehmender Erfahrung und Übung automatisch immer besser darin. Und genau SOLCHE Lehrer brauchen wir.
Bliss hat geschrieben:
Und wenn eine Klasse sehr heterogen ist und von hochbegabten bis minderbegabten auch noch Kinder hat, die den Stoff aufgrund einer Behinderung auf ganz andere Art und Weise vermittelt bekommen müssen kann ich mir schon bei Miniklassengrößen nicht vorstellen, wie das gehen soll, außer dass die Kinder das mehr oder weniger in Eigenregie machen müssen.
In der Nähe gibt es ein Gymnasium welches schwerpunktmäßig auch Schüler mit Hörschäden aufnimmt. Ganz gehörlose natürlich nicht, aber zumindest solche, welche mit Hilfsmitteln ausreichend Höreindrücke haben, um sprechen zu können. So sind in normalen Klassen meistens 1-3 Kinder mit Hörgeräten oder CIs, die anderen sind normal hörend. In den Klassen sind sogenannte FM-Anlagen installiert. Das ist so eine Art Verstärker, welcher die Worte des Lehrers klarer von den Hintergrundgeräuschen abheben soll. Denn mit Hörgeräten oder CIs "allen" sind die Hintergrundgeräsche in einer Klasse meistens zu stark um dem Unterricht folgen zu können.
Voraussetzung für das funktionieren dieser Anlagen ist, dass sich der Lehrer ein Kästchen um den Hals hängt, welches seine Stimme aufzeichnet und für die hörgeschädigten Schüler verstärkt. Aber das allein genügt nicht. Die Lehrer sollten außerdem auf baumelnde Kettchen oder Broschen, die bei Bewegung gegen das Kästchen schlagen, verzichten. Denn das ist sehr unangenehm laut für die Träger von Hörgeräten und CIs. Außerdem sollten sie die Sender in den Pause abschalten, sonst können die Schüler selbst keine Unterhaltungen führen weil sie sich zwangsläufig die des Lehrers (z.B. mit Kollegen) anhören müssen. Auch bei Prüfungen sollten die Teile abgeschaltet sein damit die Schüler nicht vom Kaffee-schlürfen oder Zeitung-umblättern ständig gestört werden. Und dann sollten sie natürlich noch daran denken, die Teile rechtzeitig wieder einzuschalten wenn die Prüfung oder die Pause vorbei ist.
Alles grundsätzlich logisch und auch machbar, aber die Bereitschaft dazu ist sehr unterschiedlich. Es geht hier nicht darum dass den Lehrern, die diese Teile nutzen, nie ein Fehler passieren darf, sondern um ein grundsätzliches Interesse daran, den hörgeschädigten Kindern nach bestem Wissen und Gewissen zu ermöglichen, dem Unterricht zu folgen. Ob diese Kriterien eingehalten werden oder nicht kann darüber entscheiden ob ein Schüler in der Klasse verbleiben kann oder nicht. Das ist eine Verantwortung, derer sich die Lehrer bewusst sein sollten.
Nein, es ist wirklich nicht einfach und das habe ich auch nie behauptet. Aber wie sagte einmal Albert Einstein?
"Ich habe wenig Geduld mit Wissenschaftlern, die ein Brett dahernehmen, sich die dünnste Stelle aussuchen, und dort einen Haufen Löcher bohren, wo es sich mühelos bohren lässt."
So ähnlich sehe ich es mir mit den Lehrern: die wirklich guten haben nicht das vorrangige Ziel, es sich leicht zu machen

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Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)