Schwierigkeiten mit Strukturen und Regeln

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
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chaosprinzessin
Beiträge: 3
Registriert: Do 13. Mai 2010, 20:55

Schwierigkeiten mit Strukturen und Regeln

Beitrag von chaosprinzessin »

Hallo,

mein Sohn ist sieben Jahre alt (wird im November 8). Er geht in eine Grundschule mit sogenannter Eingangsstufe, in der die erste Klasse zwei Jahre dauert. Die Kinder haben in dieser Schulform viel mehr Zeit, sich an den Schulalltag zu gewöhnen, haben noch viel mehr Freiraum zum Spielen etc. Die Kinder werden mit 5 in diese Schule eingeschult. Für meinen Sohn war diese Schulform unsere Wunschform, wir fahren ihn morgens extra dorthin, die Grundschule bei uns um die Ecke war aus vielerlei Gründen indisukutabel. Er ist hochsensibel und wäre dort untergegangen. Die langsame Gewöhnung an den Schulalltag, das Drumherum mit vielen anderen Kindern, die Lautstärke, die Hektik, das hat ihm arg zu schaffen gemacht, dafür hat er fast ein ganzes Jahr gebraucht. Der Lernstoff war nie das Problem - das hat er locker geschafft, konnte als Erster lesen und schreiben (sie lernen dort durch die Methode Lesen durch Schreiben) und ist in vielem weit voraus. Da ihm aber das Drumherum so sehr viel ausmacht, ist die Entscheidung für ihn sehr gut gewesen.
Es gab von Anfang an, und gibt es immer wieder, Menschen, die sofort auf Hochbegabung bei ihm tippen, wenn sie ihn erleben. Er ist sehr wissbegierig, sehr eloquent, konnte früh lesen und schreiben und konnte mit 10 Monaten, lange, bevor er laufen konnte, ganze Sätze sprechen. Ich möchte gar nicht alles aufzählen, weil es für mein Posting gar nicht so relevant ist. Fakt ist, er zeigt viele Anzeichen von Hochbegabung und Hochsensibilität.
Uns persönlich ist nicht wichtig, dass wir wissen, ob er tatsächlich hochbegabt ist. Wir brauchen keinen Test, um ihn einschätzen zu können. Was mir persönlich aber immer mehr zu schaffen macht, ist, dass ich das Gefühl habe, dass er, wenn er erst mal seine Lehrerin, die ihn sehr gut einschätzen kann und sich sehr um ihn bemüht, nicht mehr hat, von weiteren Lehrern vielleicht ganz anders eingeschätzt wird. Er kostet seine Lehrerin viel Kraft, wie sie mir neulich in einem langen Gespräch sagte. Alles, was er kann, ist für ihn selbstverständlich. Das, was er noch nicht kann, bei dem er überlegen muss, davon denkt er: "Ich kann das nicht sofort, also bin ich zu dumm dafür." und versperrt sich. Nur durch konsequentes Dranbleiben durch die Lehrerin bleibt er am Ball. Sonst würde er sich sofort verweigern. Oft sagt er mir auch, dass die Aufgaben viel zu einfach für ihn seien. Ich kann das nicht beurteilen, ob es tatsächlich so ist. Die Lehrerin sagt, er kann das meist mit links, wenn er denn dranbleibt. Er kann sich einfach an Strukturen nur schlecht orientieren und sieht nicht, dass, wenn er schnell drei Blätter fertig macht, Zeit zum Spielen hat. Alles, was mit Regeln (Anziehen, Tür schließen, Hände waschen) ist ihm zuwider. Es ist für ihn verschwendete Zeit. Die Lehrerin findet ihn super, sie sagt, er sei ein ganz tolles Kind und er fehlt in der Klassengemeinschaft, wenn er nicht da ist.
Aber sie meint, er kostet eben auch sehr viel Zeit und Kraft, die sie im nächsten Schuljahr nicht mehr haben wird und kann. Ein weiteres, immer größeres Problem ist, dass er Misserfolge nicht verkraftet. Er erwartet von sich eine Unfehlbarkeit, die seinesgleichen sucht. Er geht sehr hart mit sich ins Gericht. Hat er als einziges Kind beim Spielen im Bach Wasser im Gummistiefel, weil er zu weit ins Wasser hineinging, schimpft er sich selbst einen Vollidioten. Stolpert er und fällt hin, schreit er laut und weint: "Ich bin so ein Pechvogel!Niemand fällt hin, nur ich. Ich bin ein Niemand!" :(

Mir tut es sehr weh, wie er sich selbst behandelt und sieht. Er braucht sehr viel Rückversicherung, dass er so, wie er ist, gut ist, dass er Dinge kann - er sieht sich glaube ich selbst als Looser.
Und dabei ist er blitzeschlau!!!

Was soll ich tun? Ich habe volles Vertrauen in ihn, ich finde ihn so, wie er ist, super, habe aber Angst, dass er sich selbst im Wege steht und dass ihn Lehrer vor allem deswegen falsch einschätzen. Ich habe schon überlegt, ob ich mal mit einem Kinderpsychologen, der sich mit HB auskennt, spreche. Einfach, um eine Einschätzung zu haben. Was fällt ihm an meinem Sohn auf, was kann man machen, außer das, was wir intuitiv sowieso schon machen, um ihn zu stärken? Dann wiederum denke ich, wenn wir zu einem Psychologen gehen, problematisieren wir ihn automatisch. Und das will ich natürlich auch nicht, weil es ja sein ohnehin kritisches Denken verstärken könnte.
Manchmal denke ich, wenn er wirklich HB wäre, dann könnte vorsorgen und die Lehrerin dahingehend sensibilisieren - ich scheue mich nämlich, meine Vermutung auch nur auszusprechen als Begründung für sein Verhalten, weil ich dann Angst habe, sie schätzt mich falsch ein. So Eislaufmutter-mäßig.

Vielleicht habe ihr ein paar Ideen für mich? Ein paar Gedanken, die mir beim Sortieren meiner Gedanken helfen könnten? Ich wäre sehr froh.

LG,
Chaosprinzessin

alibaba

Re: Schwierigkeiten mit Strukturen und Regeln

Beitrag von alibaba »

Hallo,

so einiges was Du beschreibst kommt mir bekannt vor, auch wenn mein Großer erst 5 ist. Und ganz so extrem, das er sich als Looser bezeichnet ist es bei uns nicht. Aber ein gewisser Perfektionismus liegt in ihm, wenn es nicht gleich klappt, ist alles doof. Da heißt es motivieren und an ihm dranbleiben. Denn eigentlich gibt es keinen Grund unzufrieden mit sich oder den Dingen zu sein, die er anpackt, auch wenn es vielleicht nicht gleich zu 100% klappt.

Ich würde Euch vorschlagen, das ihr euch an Euren Kinderarzt wendet. Sprich mit ihm mal. Ein guter Arzt hört Dir auch zu. So bekommst Du eine Überweisung zum Psychologen, der sich dann auch mit Hb auskennt. Wenn man sich selber als Versager sieht ist hier dringend Rat und Hilfe geboten. Wie wäre es im übrigen mit einem anruf beim Schulpsychologen? Die sind immer kostenlos und dafür bedarf es keiner Übwerweisung. hier würde ich einfach mal anrufen.

Was ist Hb? Hb ist vielschichtig, nicht immer eindeutig erkennbar und nicht immer mit dingen verbunden, wo wir denken, das könnte eine sein oder eben nicht. Nicht alle Probleme kann man auf eine Hb zurück führen. Die allermeisten führen ein glückliches Leben und sind sehr gut in der Schule. Ich denke, manche Dinge sind einfach auf das noch unreife sozial/emotionale verhalten zurück zu führen. Die Erkenntnis etwas rasch zu erledigen, damit man dann mehr Freizeit oder freie Zeit hat, die fehlt auch so manchem Erwachsenen. Auch meinem Großen. Ich glaube, das ist ein Reifungsprozess, der nicht unbedingt vom IQ abhängt, sondern von der Reifeentwicklung. Ich probe bei uns rasches Erledigen mit einem Instrument. Da sage ich dann immer meinen Spruch, mach es schnell und gut, dann müsen wir nicht mehr üben und ich kann Dir länger vorlesen. Aber diesen Spruch bringe ich jeden Tag, machmal klappt er, manchmal nicht. So ist eben das Leben.

Mein Rat an Dich: Wende Dich an an einen Schulpsychologen. Es ist schon wichtig hier Klärung zu haben. VLG
Alia..

Re: Schwierigkeiten mit Strukturen und Regeln

Beitrag von Alia.. »

Hallo Chaosprinzessin,

hach - Dein Name ist klasse ... 8-) . So fühl ich mich auch an manchen Tagen, wenn ich mich durch Legosteine auf dem Teppich, raufende Jungs und sonstiges schlagen muss. :lol:

Einiges, was Du schreibst, kommt mir irgendwie bekannt vor. Ja, unser 7jähriger steht sich auch oft selbst im Weg. Entweder, es ist ihm zu leicht und als Folge zu langweilig, oder wenn es schwieriger wird, fehlt ihm der Antrieb bzw die Ausdauer durchzuhalten und auch mal aus Fehlern zu lernen.

Waschen, Anziehen, Toilette - alles reine Zeitverschwendung ... .
Selbstmitleid kennen wir allerdings nicht, eher, dass Schwächen überspielt werden.

Also, Du siehst, anderen geht es in der Situation ähnlich.

Was kann man Dir raten?
Die Lehrerin scheint ja schon sehr bemüht zu sein, der braucht Du vermutlich nichts groß zu erklären. Du schreibst ja selbst, sie kann ihn ganz gut einschätzen.

Ja, mit einem Schulpsychologen könnte man erst mal sprechen. Vielleicht wird dann vieles schon klarer.
Einen Psychologen würde ich mir ganz gezielt suchen, ich glaube, da spielen Sympathie und die Grundeinstellung eine große Rolle.

Hat der Junge denn Hobbies, irgendetwas, was er gut kann und nichts mit Schule zu tun hat? Da könnte man ihn vielleicht noch bestärken.
Und öfter mal über eigene Fehler lachen. Das tut gut und zeigt, dass Patzer auch mal amüsant sein können ... . Zeig ihm, was Du ihm zutraust und ihn toll findest!

Ansonsten immer wieder auf den eigenen Bauch hören ...

LG
heidimoritz
Dauergast
Beiträge: 70
Registriert: Mo 4. Aug 2008, 19:55

Re: Schwierigkeiten mit Strukturen und Regeln

Beitrag von heidimoritz »

Hallo Alia,
Alia.. hat geschrieben:Waschen, Anziehen, Toilette - alles reine Zeitverschwendung ... .
oh, ja das kenne ich nur zu gut von meinem Sohn, ich denke mir dann zwar immer irgendwelche motivierenden Geschichten aus, aber trotzdem nervt es mich immer wieder!

lg
heidi
Moppelbär
Dauergast
Beiträge: 112
Registriert: Di 27. Jan 2009, 09:03

Re: Schwierigkeiten mit Strukturen und Regeln

Beitrag von Moppelbär »

Hallo,

es ist bei uns auch furchtbar anstrengend, weil jedes Kind meint, seine eigenen Spielregeln
zu erfinden. Dabei gibt es bei uns ganz klare Ansagen. Die kennen sie auch, aber versuchen stets auf´s
Neue, diese zu umgehen oder halt "mit dem Kopf durch die Wand" Ständiger Stress wegen Kleinkram.
Rede doch mit einem Kinderarzt, vielleicht hilft Euch eine Ergotherapie (Thema Verhaltenstraining)
wo Regeln und Strukturen das Hauptthema sind, und ihr gemeinsam Kompromisse und Konsequenzen
erlernt. Wir hatten sowas mal, war schon hilfreich und wir haben vieles für uns "herausgezogen"
Natürlich ist danach nicht alles anders, und man kann auch nicht immer korrekt auf die Kinder reagieren,
weil ja noch die eigenen Emotionen im Spiel sind. Aber es ist schon eine Hilfe, dass man überhaupt ernst
genommen wird und über sowas reden kann....

MfG
Moppelbär
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