nosupermum hat geschrieben:
Eigentlich könnte man meinen, alles schön. Sieht doch gut aus. Aber irgendwie hat es alles auf den Kopf gestellt.
Ich merke schon, das die Leute reservierter werden. Irgendwann muss man ja sagen, dass man sich nicht zum Schulbeginn sieht, weil eben so und so. Natürlich sollte das einem egal sein, was andere sagen. Zum einen Ohr rein und wieder raus. Doch irgendwas bleibt immer hängen und macht was mit einem einem. Man kann ja auch nicht mit jedem drüber reden. Irgendwann muss man es sagen und dann kommen immer die ganzen Vorurteile. Kennt ihr das auch? Dass man seinem Kind die Kindheit nimmt, indem man ihm ein Jahr Unbeschwertheit klaut. Oder die ganzen versteckten Aussagen: Also, mein X schreibt zwar auch überall 1er, aber trotzdem würde ich ihn nie drillen, nur damit er überspringt. Meine X rechnet zwar auch gerne, aber das heißt ja noch lange nicht, dass sie intelligenter ist als andere.
Dass es aber die anderen Aspekte sind, die uns dazu bewogen haben, das kann ich niemandem erklären. Dass ich befürchte, dass sie nie richtig Lernen lernt, weil sie das nie brauchte. Ja, das ist schön, dass ein Kind immer bequem durchkommt. Aber wenn man sieht, dass es sein Potential selbst beschränkt, weil sie spitz gekriegt hat, was erwünscht ist oder das eine Antwort auf eine so dämliche Frage auf dem Arbeitsblatt ausreicht und man mit einem Bruchteil dessen was man weiß schon ne 15 bekommt und über den grünen Klee gelobt wird. Sie stellt das auch selbst fest. "Was eine 15 in Rechtschreibung? Ich schreib doch noch so viel falsch?" oder "Warum bekommt man für so eine Popelaufgabe in HSU eine 15? Das ist doch nur Bild mit Text verbinden statt wirklich etwas wissen. Das ist doch ungerecht!" Es ist ja nicht nur die Leistung in der Schule, sondern auch das Denken, das etwas anders ist. Z.B. Bücher nach sprachlichen Stilmitteln zu beurteilen, Erwachsenen zu erklären, in welchen Hirnregionen Gefühle entstehen und was das mit dem Körper macht etc. Sich mit 7 schon zu überlegen, fürs Studium zu sparen oder damit man später keine Kredite aufnehmen muss.
Wie waren die Reaktionen in eurem Umfeld?
Wie seid ihr damit umgegangen?
Einige schrieben hier, dass sie ihre Kinder wie Aliens fühlten. Ich fühle mich gerade wie eine Alien-Mama

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Dazu (Abschnitt 1) wollte ich noch was schreiben. Das ist etwas, was DEIN Problem ist, wo du an dir arbeiten solltest.
Das ist eine Entwicklung, die du da wohl noch durchmachen musst. (wie Katze es schon beschrieb und wo ich mich jetzt bei Kind zwei auch schon anders verhalte, als bei Kind eins)
Dein Kind IST anders und es gibt einen guten Grund dafür. Es ist kein Durchschnitt und es braucht andere Sachen, als der Durchschnitt.
Das kann und sollte man nicht unter den Teppich kehren und schon gar nicht sollte man mit Scham reagieren. ("Oh Gott, die anderen könnten denken, ich will mit dem Kind angeben" oder "die halten mich für eine Eislaufmutter!")
Natürlich wird es Leute geben, die so denken und euch für Angeber, überehrgeizig oder sonstwas halten. Die fänden aber gesichert auch schnell was anderes, um sich das Maul zu zerfetzen.
Es ist nicht deine Aufgabe, anderen zu gefallen, sondern deinen/euren, den passenden Weg zu finden und zu gehen.
Genau das finde ich sehr wichtig, dem Kind auch vorzuleben.
Nicht im Sinne von Egoismus natürlich, aber darum geht es bei Sachen wie Klassensprung etc ja nun überhaupt nicht, weil niemanden dadurch was weggenommen wird.
Also steh zu dem klugen Kind, erzähle, was ihr für Gespräche führt und was sie sich für weitreichende Gedanken macht, und dass sie leidet, wenn sie unterfordert ist.
Genau wie andere, wenn sie stark ÜBERfordert sind.
Dass es nicht nur ein Segen ist, ein kluges Kind zu haben, weil es mitunter eben nicht so gut "reinpasst" und dass es euch nur darum geht, dass das Kind glücklich ist.
Dass solche Kinder oft Fehler machen, wenn die Aufgaben zu leicht sind, weil sie zu kompliziert denken oder abschalten und dann schnell verunsichert sind und sich sogar dann selbst für dumm halten.
Dass es darum nicht unbedingt die 1er Schüler sind, die besonders begabt sind, sondern für gute Zensuren ein guter Mix aus Begabung und Anstrengunsgbereitschaft nötig ist, und dass genau die die besonders begabten Kinder oft leider nicht lernen. (das beinhaltet für die von dir erwähnten Miteltern, die die guten Zensuren des eigenen Nachwuchses erwähnen gleichzeitig: "Gratulation, DEIN Kind scheint klug UND fleißig zu sein, meines braucht da noch etwas Hilfe"

)
Das Thema "Lernen lernen" kann man übrigens ganz besonders gut thematisieren:
Dass Kinder, denen alles zufliegt, die Lernfreude verlieren, das Selbstbewusstsein leidet, weil sie das Gefühl haben, nicht wirklich was zu leisten.
Dass sie dann ggf desinteressiert, faul und bequem werden und sich nicht mehr anstrengen mögen. Dann ggf sogar zu sehr schlechten Schülern werden.
Das ist was, das verstehen auch "eifersüchtige" Leute. Bzw gerade die, weil genau die meistens ja Leistung ganz besonders hoch werten.
Auch Lehrer springen übrigens darauf noch am ehesten an. Weil das nicht kommuniziert: "ich will was besonders für mein besonderes Kind" sondern: "ich habe ein Problem und brauche Hilfe".
In einem Buch, was ich las, wurde die in Deutschland nötige "Lobby-Arbeit" für Hochbegabte übrigens mit der Schwulenbewgung vor ein paar Jahren verglichen.
Dass Toleranz nur wachsen konnte, weil sie aus dem Schatten herausgetreten sind, weil sie sichtbar wurden und es nicht mehr verstecken, wer sie sind und was sie sind.
Und wie besser es Schwulen heutzutage allein dadurch geht.
Die Autorin /der Autor wünschte sich was ähnliches für die Hochbegabten...
Wir alle hier können evtl wenigstens ein kleines bisschen dazu beitragen, dass sich das Bild und der Umgang der Gesellschaft mit den "Klugen Kindern" ändert. Das geht aber nur, wenn wir dazu stehen und uns nicht verstecken!
Und ich habe inzwischen tatsächlich auch schon erlebt, dass das Gegenüber wirklich zuhört und versteht und ggf gewisse Vorurteile/Pauschalisierungen aufgibt und mit Verständnis reagiert.
Manchmal rennt man damit sogar offene Türen ein.
Natürlich sollte man nicht "hausieren" gehen mit dem Thema und bei jeder Gelegenheit damit ankommen.
Aber immer wenn das Gespräch drauf kommt, wenn jemand dumme Bemerkungen macht oder irritiert ist oder gar nachfragt, kann (sollte?) man die Sache durchaus erklären, finde ich.
Nicht alle werden es verstehen, je nachdem, ob sie das überhaupt wollen. Aber einige schon.
Und je öfter du darüber redest, desto normaler und besser fühlt es sich übrigens an!
PS:
Sehr positiv auf das Thema reagiert haben bspw die Schulpsychologin, die die Einschulungsuntersuchung bei uns machte und dann von sich aus dringend empfahl, die nachgewiesene Hochbegabung der Schwester auf dem Formular der Kleinen, der von der Schuluntersuchung an die Schule geht, schriftlich festzuhalten, damit die Schule das gleich wüsste.
Da war ich auch erst unsicher, ob ich das Thema überhaupt von mir aus anbringen sollte oder nicht, zumal die Kleine laut Testergebnis ja nicht den Gesamt-Hb-Wert hatte, wie die Schwester. Ich hab mich dann aber doch dazu durchgerungen und habe mit der Schulpsychologin dann ein sehr gutes, längeres Gespräch darüber geführt.
Und auch bei der zukünftigen Schuldirektorin der Grundschule meiner Kleinen (eine andere als die, wo die große Schwester war), mit der ich vor Längerem telefonierte, als ich noch unentschlossen
war, auf welche Grundschule ich das Kind geben werde. (weil die Große in ihrer GS ja keine Förderung bekommen hatte und es ihr darum dort nicht besonders gut ging)
Die Direktorin sagte direkt, sie sehe das genau genauso: Förderung für Begabtere sei ebenso wichtig wie für die, denen es schwer fällt.
(was immerhin schonmal was wert ist, denn es gibt genug Pädagogen, die da anderer Meinung sind und glauben und sagen, die Klugen sollten vor allem sich gedulden lernen)
Beim ersten Elternabend für die neue Klasse übrigens erwähnte die Grundschullehrerin dann ausdrücklich, dass und welche Materialen sie für Kinder hat und nutzt, die schon lesen und rechnen können und dass es sicherlich ein paar davon in der Klasse geben wird. Ich vermute fast, dass das kein Zufall bzw nur eine Standartfloskel war und evtl sogar mit der "Vorarbeit" zu tun hat. (und hab Hoffnung für Kind 2, dass es besser läuft, als bei der Großen)