Maca hat geschrieben:Es ist auch interessant wie unglaublich verschieden Autisten doch sein können.
Dein Sohn ist kommunikativ , auf soziale Kontakte angewiesen, an anderen sehr interessiert, hat aber immer wieder die Erfahrung machen müssen, aufgrund seiner anderen Wahrnehmung auf mehr Ablehnung zu stoßen, als die anderen Kinder.
Daraus entsteht Leidensdruck und der krampfhafte Versuch, auf sich aufmerksam zu machen, wenn nötig auch mit drastischeren Mitteln.
Ja, genauso emfinde ich es auch. Wobei es für Außenstehende, die nichts vom Autismus wissen (der bei ihm ja absolut nicht offensichtlich ist) so erscheint, als sei er einfach sehr impulsiv und "unkontrolliert" - was ja auch stimmt. Nur der nächste Schluss, dass es an zu lascher Erziehung liegt, stimmt wiederum nicht.
Interessant fand ich auch den Sally-Anne-Test von meinem Sohn. Das ist eine Bildgeschichte, wo das Mädchen Sally ihre Puppe in einen Korb legt und dann den Raum verlässt, um draussen zu spielen. Während Sally draussen ist nimmt ein anderes Mädchen, Anne, die Puppe aus dem Korb und legt sie in eine Schachtel. Dann kommt Sally vom spielen zurück - und die Frage an das Kind lautet: wo wird sie die Puppe suchen?
Ich kannte den Test schon aus der Autismus-Literatur, war mir aber ziemlich sicher, dass mein Sohn die Frage richtig beantworten würden. Aber Fehlanzeige! Mein Sohn glaubte, Sally würde ihre Puppe "draußen" suchen und war nicht von seiner Theorie abzubringen. Gefragt, WARUM Sally draußen suchen würde, meinte er, Sally würde eben vermuten, dass die Puppe draußen wo liegt. Irgendwie erinnerte mich die Antwort an ihn selbst. Er sucht ja ständig irgendwelche Sachen und weiß absolut nicht mehr, wo sie sind, auch wenn er sie erst kurz zuvor benutzt hat. Also sucht er "irgendwo" und ist außerdem - trotz einwandfreier Sehkraft - dabei so unkonzentriert, dass er die Sachen nicht mal dann findet, wenn sie vor seiner Nase liegen.
Im Buch "Autismus als Kontexblindheit" habe ich unter anderem gelesen, dass Autisten häufig 'Therorien zum Verhalten anderer aufstellen, die mit dem Kontext gar nichts zu tun haben. Und genau das ist hier der Fall. Dabei hat mein Sohn gut und schnell 12 Bildgeschichten, die aus 3-6 Karten bestanden, richtig geordnet,und die jeweiligen Geschichten sehr gut und facettenreich erzählt.
Maca hat geschrieben:
Wenn er lernt sich zu verstehen und seine Handlungen immer mehr auf seine Umwelt abzustimmen, wird er gute Chancen haben, später ein nahezu symptomloses Leben zu führen.
Er ist ja nicht der typisch muffelige, mundfaule, zurückgezogene Autist, der eigentlich nur seine Ruhe haben möchte und dem soziale Kontakte nicht so wichtig sind.
Das ist, so glaube ich, ein sehr wichtiger Punkt:
Wie groß ist das Interesse an anderen Mitmenschen und besteht die Sehnsucht nach Freundschaften, die einen emotional berühren?
Ja, soziale Kontakte WÄREN meinem Sohn an sich wichtig. Er will ja immer Rollenspiele spielen und das geht schlecht alleine

. Andererseits sind die Rollenspiele bei ihm so "anders", dass ich mir durchaus vorstellen kann, dass neurotypische Kinder damit nichts anfangen können. Es geht teilweise um sehr komplexe Themen, über die er irgendwo gelesen hat, oder es ist grundsätzlich einfach, aber immer wieder dasselbe. Und er selbst ist in diesen Spielen irgendwie immer der coole, überlegene Typ, der anderen alles erklärt, oder sie beschützt, oder für sie kämpft - während der Mitspieler immer den Part des Unwissenden, bestenfalls interessierten Bewunderers oder des Befehlemfängers einnehmen sollte.
Ich vermute, dass sich mein Sohn durchaus nach Freundschaften sehnt, aber das nicht erkennte bzw. zugibt. Dabei ist er selbst einfach sozial-emotional noch nicht so weit, ein Freund zu SEIN. Dazu ist er einfach zu egozentrisch und ich-bezogen.
Maca hat geschrieben:
Denn NICHT alle Autisten sind Einzelgänger.
Und genau das muß man unbedingt auseinanderhalten,
den freiwilligen und den unfreiwilligen Einzelgänger.
Nach dem Auswertungsgespräch fragte mein Mann, ab wann wir denn mit einem Platz in der "Asperger-Sozialtrainings-Gruppe "rechnen könnten.
Die Ärztin meinte nur.
,,Gar nicht. Ihr Sohn holt sich genausoviel soziales Leben, wie er bewältigen kann. Er hat keinen Leidensdruck, er ist ein ungewöhnlich ausgeglichener Asperger, an anderen Mitmenschen jedoch mäßig interessiert
und genau DAS müssen Sie als Eltern lernen zu akzeptieren!"
Mein Sohn wird daher wahrscheinlich immer durchaus als autistisch wahrgenommen werden.
Genau dasselbe ist es bei meinem jüngeren Sohn. Der ist auch ein Einzelgänger, aber durchaus freiwillig. Verständlich, das ist der Bilderbuch-Autist, der in seiner eigenen Welt lebt, die hauptsächlich aus Zahlen und Buchstaben besteht. Im Kindergarten wir er schwer Kinder finden, denen es unheimlichen Spaß macht, die Zahlen von 1-1000 aufzuschreiben oder zu jedem Anfangsbuchstaben ein passendes Wort zu finden und zu schreiben.
Dabei hat mein jüngerer Sohn durchaus Spaß an Gesellschaftsspielen, aber da man sich dabei mit ihm nicht lautsprachlich unterhalten kann, ist es auch hier schwierig, andere Kinder zu finden, die Freude damit haben, mit ihm zu spielen. Meinem jüngeren Sohn ist das auch nicht so wichtig, der kann durchaus auch selbst mehrere Spielfiguren bedienen, und hat auch ohne Mitspieler seinen Spaß dabei.
Gesellschaftsspiele klappen bei meinem älteren Sohn gar nicht, weil er absolut nicht verlieren kann, und schon extrem reagiert, wenn der Spielverlauf mal nicht so aussieht, wie er sich das wünscht (also noch längst, bevor klar ist, wer gewinnt oder verliert). Die meisten Gesellschaftsspiele sind ja Glücksspiele und die, wo es aufs können ankommt, erfordern oft mehr Konzentration, als mein älterer Sohn aufbringen kann. Beim Memory z.B. ist ihm der jüngere Bruder haushoch überlegen. Am besten gehen noch so Spiele wie Monopoly, aber auch nur dann, wenn ER gewinnt.
Maca hat geschrieben:
Er kann immer noch
ein umwerfender Frauenheld und Partylöwe werden.
Wenn es so wäre gerät er weder nach dem Papa noch nach mir

. Ich mache mir ehrlich gesagt auch nicht so gewaltige Sorgen um seine ferne Zukunft sondern suche eher nach einem Weg für die Gegenwart.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)