...ein sehr heikles Thema, über das ich grad letzte Woche mit Tochters Instrumentallehrer (promovierter Musikpädagoge) gesprochen habe und halbe Romane schreiben könnte.
Meine Tochter (10, 4 Jahre Saxophon) jedenfalls darf nicht aufhören, auch wenn sie es eventuell tun würde bzw schon 2,3 mal getan hätte, wenn ich es erlauben würde.
Aber da sie generell sonst kaum was hat, woran sie das Lernen lernen kann, halte ich es für wichtig, dass sie wenigstens an dieser Sache, die ihr eben mal nicht einfach so zufliegt und die Mühe kostet, mal dran bleibt.
Sport wäre dafür auch nicht schlecht, will sie aber auch nicht machen bzw hat sie da auch schon einiges probiert und ist nie länger dabei geblieben.
Klavier hat sie 2 Jahre gemacht, auf eigenen Wunsch zusätzlich zum Saxophon begonnen (was mich damals sehr verwundert hat, denn schon dammal hat sie das Saxophon und das Üben auch schon öfter mal verflucht!), dann aber auch abgebrochen. (durfte sie, auch wenn es mir sehr leid tat und sie sogar kurz nach dem Aufhören selbst Zweifel hatte, ob sie nicht doch hätte weiter machen sollen!)
Tief drin bin ich darum überzeugt, dass sie im Grunde diesen "Druck", durchzuhalten von mir braucht und will und es mir später übel nehmen würde, wenn ich ihr das Aufgeben jetzt so einfach machen würde.
In der Pubertät hören ja recht viele mit dem Instrument auf, vor allem die, die vorher eher den Eltern zuliebe gespielt haben.
Ich hoffe sehr, dass meine Tochter bis dahin so weit ist, dass sie auch selbst wirklich dran bleiben kann und will.
Bis dahin nutze ich jedenfalls definitiv meine Autorität und ihren grundsätzlichen Kooperationswillen mir gegenüber noch, um ein Aufhören rein aus Bequemlichkeit zu verhindern.
Was ihr Freude macht, ist Spielen in einem Ensemble. Leider gibt es für ihr Alter und ihr Instrument hier da nicht so viel, was passt. Nur 1x im Jahr vor Weihnachten gibts immer 1-2tägige Workshops, wo alle Saxophone des Landkreises (ca. 40-50!) was zusammen einüben, um es zur Weihnachtsgala auf der Bühne zu spielen. Für die örtliche "Big Band" ist sie noch zu klein, das sind alles Jugendliche.
Ich überlege gerade, ob sie nicht in der städtischen Musikschule (also eine andere Musikschule) ins "Große Blasorchester" gehen könnte. Das sind paar mehr Mitspieler und mehr Altersdurchmischung und die spielen echt supertolle Sachen. (Ihre Cousine spielt auch Saxophon und hat da jahrelang mitgemacht. Ich und auch Tochter sind immer hin und weg von deren Konzerten! Meist spielen sie Filmmusik. Fluch der Karibik & Co. Die örtliche "Bg Band" spielt mehr so Jazziges/Popiges)
Allerdings müsste sie dazu immer allein in die Stadt zur Probe fahren und vielleicht ist das darum auch erst was in so 1-2 Jahren...
Für andere Instrumente, grad auch die Geige, gäbe es da vor Ort sehr viel mehr... Ensembles aller Musikrichtungen, verschiedener Größen.
Mir persönlich machte und macht Musizieren mit anderen immer sehr viel mehr Spaß, als nur allein zu spielen und ich glaube, das kann die Motivation nachhaltig unterstützen.
Gibts da nicht was für dein Kind?
Was sagt denn die Lehrerin?
Die wäre für mich die erste Ansprechpartnerin bei den von dir beschriebenen Problemen/Überlegungen.
Mit Tochters Lehrer war das Ergebnis des Gespräches dazu:
1) Kind sollte wenigstens mal in die Big Band hineinschnuppern
2) er meldet sie für den Sommer für eine Zwischenprüfung an (die sie seiner Meinung nach locker schaffen wird) in der Hoffnung, dass das als ein zu erreichendes Ziel vielleicht ein bisschen mehr Motivation weckt. (Mal als Versuch, ob evtl ein bisschen mehr an Herausforderung nötig ist.)
3) sie soll ab jetzt nur noch allein üben, ohne mein Hilfe. (Die sie selbst immer wieder einfordert, wobei es aber eigentlich immer auch ordentlich "knallt", da sie sich erstens nur ungern was von mir sagen lassen will und zweitens meine Anwesenheit auch als Druck empfindet und drittens weil sie mich auch als "Blitzableiter" ihrer eigenen Frustration benutzt)
Laut Lehrer könnte es hilfreich sein, wenn sie noch vor der Pubertät das Üben in die eigene Verantwortung nimmt.
Er meint, dass genau die Kinder, die noch so lange und stark von den Eltern unterstützt würden (was er übrigens anfangs noch ausdrücklich für gut befand!), sich womöglich in der Pubertät dann besonders dagegen auflehnen und sich dem Instrument gegenüber komplett verweigern.
Er sagt, selbst wenn dann eben erstmal die Fortschritte fehlen und sie zu wenig/ineffektiv übt --- das würde er dann schon merken und mit ihr klären. Ich solle mich jetzt mal komplett rausnehmen, selbst wenn Tochter das erstmal doof findet.
Das haben wir gleich umgesetzt und sie übt jetzt nicht mehr im Wohnzimmer, sondern in ihrem Zimmer bei geschlossener Tür.
Nach der Uhr je 20 Minuten, so die Abmachung. Ich mische mich beim Üben selbst gar nicht mehr ein bzw. erst ganz ganz zum Schluss höre ich mir manchmal noch mal an, was sie geübt hat und gebe ggf. Hinweise, so sie das möchte. Also so, dass sie es auch nicht sofort umsetzen muss, aber weiß, was noch nicht so ganz stimmt - der Rhythmus z.B... (besonders die Rhythmen sind bei den saxophontypischen Stücken mitunter ganz schön kompliziert.)
Ich kenne halt auch sehr viele Menschen, die später bedauert haben, nicht weiter gemacht zu haben und ich selbst bedauere auch, dass ich bspw beim Klavier in der Jugend nicht dran geblieben/weiter gekommen bin. (Ich habe als Jugendliche 4 Jahre obligatorisch Klavier im musischen Gymnasium gelernt und danach aber damit aufgehört. Es steht derzeit ziemlich weit oben auf der Liste der Dinge, die ich wieder/weiter lernen möchte. Leider mangelt es an Geld und an Zeit dafür)
Mit der Geige habe ich als Kind im Vorschuljahr angefangen und hatte leider viel Pech mit den Lehrern. In den folgenden 5-6 Jahren Unterricht hatte ich vier verschiedene Lehrer und zwei davon waren eine Katastrophe. Vor einem hatte ich richtig Angst, weil er cholerische Ausfälle hatte und nicht selten wütend Seiten aus dem Übungsbuch riss und mich sogar mal mit dem Bogen auf die Hand schlug. Ich war da grad mal so 7/8 Jahre alt und weinte damals vor jeder Stunde, dass ich nicht hin mag...
Also es lief viel schief und ich hörte so mit 11/12 Jahren dann auf. Überzeugt davon, eh nicht gut genug darin zu sein.
Das einzige, was mir in der ganzen Zeit mit der Geige wirklich Freude gemacht hatte, war das Orchester. Und das jährliche Weihnachtsliederspielen zusammen mit meinen Freundinnen (-> Flöte + Gesang) im Altenheim.
Das Üben zu Hause war eigentlich fast immer eher freudlos bzw empfand ich das damals rein als zu erledigende Aufgabe wie eben andere Schulaufgaben auch. Und der Unterricht selbst machte mir nur bei einem der vier Lehrer Spaß. (dieser Lehrer musste dann leider zur Armee...)
Ich habe dann volle 25 Jahre die Geige nicht mehr angefasst und war immer überzeugt, es auch nie wieder zu tun, weil ich es eben meiner Meinung nach viel zu schlecht/gar nicht mehr kann nach nur 5 Jahren Unterricht.
Als meine große Tochter dann mit Saxophon begann, habe ich irgendwann doch die Geige mal wieder rausgeholt und konnte sie dann zum eigenen Erstaunen erstmal kaum mehr weglegen.
Ich habe erst alte Sachen wiederholt, mir dann Noten mit Playbacks (Filmmusiken wie Herr derRinge etc) gekauft und recht bald mit einer Freundin (Gitarre) begonnen, zusammen zu musizieren.
Ich spiele jetzt seit ca. 3/4 Jahren wieder und habe sehr viel Freude damit!
Ich spiele relativ regelmäßig mit einigen Freunden (mit Banjo, Gitarre, Flöte, Mandoline, Konzertina, Cello, sogar ein Dudelsackspieler war schonmal dabei... je nachdem, wer dazukommt und mitmacht) in einer kleinen offenen Musiziergruppe und habe Folkmusik/Irish Folk & Klezmer für mich entdeckt. Sogar kleinere Auftritte beim Kirchenfest oder bei einer Familienfeier gabs schon. Und Hausmusik mit Familienangehörigen.
Ich habe meine alten Musikschulzeugnisse auch mal wieder rausgekramt - in den DDR-Musikschulen musste man ja regelmäßig Prüfungen machen, es gab Zeugnisse und Abschlussprüfungen mit Zensuren und Wortbeurteilungen - und war erstaunt, dass ich wohl viel besser gewesen war, als ich es in Erinnerung hatte. Ich hatte es so in Erinnerung gehabt, dass ich eher schlecht gewesen war.
Die Zeugnisse sprechen aber eigentlich eine andere Sprache bzw lese ich die heute ganz anders. Klar stehen da auch Sachen drauf, die noch nicht so gut klappen, z.B. Technik, die noch nicht passt, dass es mir an Lockerheit fehle (kein Wunder wenn man Angst vorm Lehrer hat) etc.
Aber insgesamt sind die Zeugnisse und Zensuren eigentlich ziemlich gut finde ich...
Ich finde es im Nachhinein schade, dass ich nicht mehr Glück mit den Lehrern hatte, eine offensichtlich tw falsche/überkritische Selbsteinschätzung hatte und wohl nicht zuletzt auch deswegen nicht länger dabei geblieben bin und dass ich erst so spät wieder dazu gefunden habe.
Ich bin auf der anderen Seite aber sehr, sehr dankbar, dass ich wenigstens diese 5 Jahre Geige gelernt habe, auf die ich heute zurückgreifen kann und die es mir zumindest ermöglichen, das Instrument heute trotz der langen Pause zur eigenen Freude noch/wieder spielen zu können.
Das war und ist eine echte Offenbarung für mich gewesen...
Ich war z.B. auch echt erstaunt, wie gut ich nach so vielen Jahren noch auf damals Gelerntes zurückgreifen konnte!!! Manche Stücke steckten mir gar noch förmlich in den Fingern. (Und auch die Probleme, die ich als schon hatte, haben sich gehalten. z.B. fehlende Lockerheit.

ich freu mich schon, daran jetzt vielleicht heimlich mit daran zu arbeiten, wenn Tochter zwei Geige lernt... )
Insgesamt habe ich - selbst in den 25 Jahren Abstinenz - rückblickend definitiv davon profitiert, so eine musikalische Ausbildung genossen zu haben.
Darum würde und werde ich versuchen, meinen Kindern über die wohl bei nahezu allen Kindern zu erwartenden Phasen, in denen sie keine Lust mehr haben und am Liebsten aufhören wollen, irgendwie hinweg zu helfen - zumindest so lange mein Einfluss noch reicht.
Darum und aus dem oben schon genannten Grund, dass vielleicht gerade allgemein begabte Kinder, denen sonst alles eher zufliegt, durchaus auch mal was durchhalten sollten, was ihnen etwas mehr Mühe als alles andere macht.
PS: Was Koschka schrieb, möchte ich nicht ganz teilen. Das liest sich für mich fast, als wenn musikalische Begabung mehr oder weniger dazu verpflichtet, die Begabung auch einzusetzen. Das sehe ich nicht so.
Wenn wirklich so gar keine Begabung UND kein Interesse da ist, dann ist es vielleicht wirklich nur sinnlose Quälerei ohne Aussicht auf ein erfüllendes Ergebnis.
Aber auch eine nur eher mittelmäßige Begabung sollte und kann Grund genug ein, da dran zu bleiben und bietet - siehe mein eigenes Beispiel - die Aussicht, dass man davon langfristig für sich persönlich profitiert.
Und auch eine hohe Begabung verpflichtet nicht dazu, diese auch zu nutzen. Wenn meine Tochter jetzt bswp intensiv einen Sport betreiben würde/wollte, würde ich vielleicht auch bei hoher musikalischer Begabung eher dazu neigen, das Instrument Instrument sein zu lassen, wenn es sie nur noch "quält".