Moin Moin

Einfach nur über sich und seine Kinder erzählen
Vaja352
Beiträge: 15
Registriert: Sa 24. Okt 2020, 14:30

Moin Moin

Beitrag von Vaja352 »

Guten Tag,

ich bin heute in dieses Forum eingetreten, um mir ganz viele Infos zu holen.

Nach jahrelangem Leidensweg, habe ich nun wieder Hoffnung.

Zu mir: Ich bin 41, verheiratet, 3 Töchter (13 Jahre, 8 Jahre und 5 Jahre)

Warum bin ich hier?
Meine Älteste Tochter (13 Jahre), war von Anfang an "schwierig".
Ging direkt nach der Geburt los mit nicht im Kinderwagen schlafen. Bereits in der Krippe, mit 1,5 Jahren, wurde uns gesagt, sie hat ADHS.
Nach dem Kindergartenwechsel, aufgrund vom Umzug, wurde es dann in Autismus abgewandelt.
Wutausbrüche in der heftigsten Form erschreckten sogar die Erzieher im Kindergarten. 45 Minuten heftigste Gegenwehr, wenn sie etwas nicht wollte, kannte man dort nicht. Auch ihre immer neuen Ideen, sorgten für Aufruhr- aber sie erntete auch Achtung- weil sie durchzog, was sie sich vor nahm. Und sie vermittelte, wenn Streit war. Sie hasst Ungerechtigkeit.
An Gruppenspielen nahm sie meist nicht teil.

Mit der Einschulung war es dann angeblich Asperger, mit Autistischen Zügen.
Das mein Kind sehr klug und kreativ ist, viel aber auch auf. Sprachlich den anderen weit voraus. Musisch und künstlerisch der Hammer. Sehr experimentierfreudig und Ideenreich.

Sie verweigerte die Mitarbeit in der Schule recht schnell, war respektlos gegenüber den Lehrern (Begründung, die lacht so falsch, die ist falsch- sie hat eine gute Menschenkenntnis), verbrachte die Schulzeit unter dem Tisch, verließ das Schulgelände und versteckte sich im alten Kindergarten (nicht weit weg von der Schule). Und so weiter.
Wir gingen zum Psychologen, dort wurde der Hawik test durchgeführt.
Trotz mürrischem, lustlosem Verhalten und keiner Aufmerksamkeit mehr, zum Testende hin erreichte einen überdurchschnittlichen Wert.
An der Schulsituation änderte dies nichts. Sie musste alles immer bearbeiten, obwohl sie es längst verstanden hatte.
Sie verweigerte sich komplett.
Rechnete einfache Aufgaben im Test nicht, war ihr wohl zu blöd. Mathehefte blieben bis auf Karikaturen von Zahlen leer.
Mathelehrerin meinte, sie versteht es nicht. Stand auch so im Zeugnis. J. Hat den Zahlenraum bis 10 noch nicht erfasst …Gespräche liefen ins Leere. (zu Hause rechnete sie schon ganz andere Aufgaben). Deutschlehrerin war vom Sprachverständnis beeindruckt. Konnte aber ihre Schrift nicht lesen und sie nicht zum Mitarbeiten motivieren. Zu unerfahren. Wollte das jede Seite schön ausgefüllt war. Eine Reihe A´s reicht ja auch nicht. Muss eine ganze Seite sein, und noch eine … na ja, ihre Arbeitshefte waren recht leer an Buchstaben- dafür sehr hübsch gestaltet. Die negativen Anrufe häuften sich.
Wir besuchten also während des 1. Schuljahres eine Tagesklinik.
Ergebnis:
kein ADHS
kein Asperger
kein Autismus

Einfach ein ganz normales Kind, wenn auch bereits mit 7 schon genau wissend, was sie wie möchte und wie sie die Leute manipulieren kann, um das auch zu bekommen.
Ein Freigeist .
Wir als Eltern mussten lernen ihr mehr Grenzen zu setzen.
Haben wir auch gemacht. Lernten dazu.
Eine soziale und emotionale Störung wurde festgestellt.


Zu Hause wurde es besser. in der Schule wurde es zur Katastrophe.
Sie hat 1 Freundin in ihrer Klasse. Diese schon seit sie 3 Jahre alt ist. (deren Mama ist meine beste Freundin und die Mädels sind wie Schwestern- sehen sich auch außerschulisch sehr viel- im Stall etc.)
Sonst keine Kontakte in der Schule. Mit Nachbarskindern im Dorf aber schon. Sie ist viel draußen und sehr sportlich.

Sie ist nun 8. Klasse Gymnasium (Das wollte sie selbst. Hat mit 9 entschieden in ein Gymnasium zu gehen, wo keiner aus ihrer Klasse hin geht. Nicht mal ihre beste Freundin. Musste jeden Tag Zug fahren. Wir dachten es ist gut- hofften auf ein „sehen“ der Lehrer. Sie spielte dort Trompete. ) Ohne zu Hause zu üben (bzw. sehr selten) war sie eine der Besten. Leider auch da- keine Freunde.
Sie war dort 2 Jahre- dann haben wir sie hier aufs Gymnasium geholt- wieder zu ihrer Freundin. Sie wurde in der anderen Schule gemobbt, keine Freunde. Sie wollte da nur noch weg.

Sie tut auch jetzt nichts, bis auf eben das Nötigste. Sie rutscht so durch, meist mit 4ren, aber auch 5en. Selten mal eine 1, oder 2.
Ist unter Vorbehalt in die 8. versetzt wurden. Wird gemobbt. Hat immer noch diese eine Freundin.

Kapselt sich nun auch zu Hause ab (ist knapp 14- Pubertät), wird teilweise aggressiv. Liest Unmengen an Büchern, zeichnet (richtig gut). Hobbys waren Trompete spielen (Naturtalent, auch bei Gitarre und Bass). Ballett; Handball, Tischtennis- immer allein. Freundschaften entstanden nie. Jetzt reitet sie. Lernt auch da unheimlich schnell und hat dabei sogar das lang ersehnte Selbstvertrauen.
Dass hat sie sonst gar nicht. Trotz Zuspruch und Bestätigung, meint sie, sie kann nichts.
Ist in der Schule introvertiert.
Die stille Kleine Maus. Schüchtern.
Hier zu Hause- das Gegenteil. Leicht reizbar. Miss Chaos.
Aber auch liebebedürftig und momentan auch wieder aufgeschlossener.
Kocht gern, probiert gern viel aus.

Was ich alles versucht habe, was ich alles gelesen habe, wo ich überall Infos her geholt habe, was ich mit den Lehrern besprochen habe- das auf zu zählen würde den Rahmen sprengen.
genützt hat nichts. Ich habe aufgegeben, wusste mir keinen Rat mehr- dann ist es eben so.
Ich weiß sie ist sehr klug, sie ist Hochsensibel, es stellte sich heraus, dass sie umgeschulte Linkshänderin ist- und sie ist eben faul und stellt alles in Frage. Mach ich halt das Beste draus, irgendwann wird es schon klick bei ihr machen. Wenn sie vom Gymnasium fliegt- egal, sie kann später alles nachholen.

Nun rief mich gestern die neue Mathelehrerin meiner Tochter an und anstatt , wie erwartet, über seit Wochen nicht gemachte Hausaufgaben zu sprechen, teilte sie mir mit, dass sie im Themengebiet der Hochbegabung Ansprechpartner ist (wie und was und warum- keine Ahnung- ich konnte so schnell gar nicht alles auf nehmen) und das sie bei meiner Tochter eben dies vermutet. Sie hielt Rücksprache mit der Klassenlehrerin und auch diese bestätigt, dass sie ihr Potential nicht zeigt, wobei es offensichtlich da ist. Es war ein sehr langes Gespräch, mit Sätzen wie Online Kurse, Zeichenkurse, eine Klasse überspringen- nichts negatives über mein Kind- unglaublich.

Bin nun natürlich sehr verunsichert. Eine Klasse überspringen- wenn sie doch so unheimlich „faul“ ist?
In eine neue Klasse, wo sie doch so still und leise ist und eh denkt „Alle hassen mich“?
Einen neuen Test soll ich machen? Was, wenn sie da wieder einen schlechten Tag hat?
Wird sie sich selbst unter Druck setzen?
Mache ich nun das Richtige? Aber schlimmer kann es ja nicht werden.

Oh man, so viel geschrieben. Könnte ein Buch füllen. Danke fürs lesen. :-)

Werde nun mal hier im Forum stöbern :-).
Katze_keine_Ahnung
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Re: Moin Moin

Beitrag von Katze_keine_Ahnung »

Hallo,

meine älteren Kinder sind ein Schuljahr auseinader. Meine Tochter in der 10, mein Sohn in der 9. Auch wenn sie nie haben lernen müssen und überall im 1-3.er Bereich durchkamen, wird es in der 10. jetzt ernst. 17 Fächer, nächste Woche schreiben sie eine Schulaufgabe in Deutsch, 5 Stunden. Im Januar sollen sie verbindlich sich für die Oberstufenfächer entscheiden. Ich weiß nicht, ob deine Tocher, wenn sie jetzt in die 9. springt, für das alles nächstes Jahr reif ist. Intellektuell wahrscheinlich schon, aber emotional, sozial, organisatorisch? Weiß sie, was sie nach der Schule machen möchte? Theoretisch könnte mein Sohn auch in die 10. springen. Der Sprung wurde im Laufe der letzten Jahre mehrmals angeboten, was beim Notendurchschnitt unter 2 gar keine Frage der Leistung wäre. Aber er will nicht, und wir wollen es nicht. Es hängen viel zu viele "aber" daran. Die Mathelehrerin deiner Tocher mag mit deinem Kind gut umgehen können, aber werden die anderen Lehrer nach dem Sprung in ihr das auch sehen, oder werden sie erwarten, dass sie einfach die Leistung liefert?

Wenn ihr Klassen für Hochbegabte habt, wäre es eine gute Alternative. In den Klassen meiner Kinder sind Quereinsteiger gut angekommen, die anderswo auch gemobbt wurden. Einer davon ist sogar in diesem Jahr zum Klassensprecher gewählt worden.

Das Problem deiner Tochter ist nicht nur Begabung. Was für eine Sozial_emotionale Störung wurde diagnostiziert? Hat man versucht das Verhalten zu korrigieren?

Wer hat Asperger ausgeschlossen? Eigentlich klingt das Verhalten von Anfang an nach einem nicht ganz neurotypischem Kind. Auch ein sehr kluges neurotypisches Kind greift den Lehrer nicht an, weil es falsch lacht. Ganz im Gegenteil, auch wenn dieses schlaue Kind den falsch lachenden durchschaut, behält es dieses Wissen für sich und bleibt still.
koala27
Dauergast
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Re: Moin Moin

Beitrag von koala27 »

Hallo,

habe gerade nicht viel Zeit zum Schreiben--- kennst du das Buch " Der umgeschulte Linkshänder oder Der Knoten im Gehirn"

https://www.amazon.de/umgeschulte-Links ... 3403026450

Ich finde es sehr gut, weil da die Auswirkungen beschrieben werden, die diese Umschulung hat-- auch in Bezug auf Schrift etc.
Vaja352
Beiträge: 15
Registriert: Sa 24. Okt 2020, 14:30

Re: Moin Moin

Beitrag von Vaja352 »

Koala27

Ja das habe ich gelesen. Sehr tolles Buch.
Wir haben auch eine Zeit lang Rückgeschult, mittels Ergo.

Aber Corona ...
und jetzt sind wird mit nicht mehr gestartet, weil die Woche eh schon so voll ist.
Vaja352
Beiträge: 15
Registriert: Sa 24. Okt 2020, 14:30

Re: Moin Moin

Beitrag von Vaja352 »

@ Katze keine Ahnung

Danke für deine Antwort.

Meine Tochter hat niemanden angegriffen. Sie sagte zu mir, dass diese Lehrerin immer so falsch grinst, nicht zur Lehrerin selbst.

Ausgeschlossen wurde Asperger durch die Psychatrische Tagesklinik, in der wir uns befanden. Da wurde alles Mögliche getestet.

Ich denke das war damals so eine Art Hilferuf, dass die Eltern dann auch mal erziehen sollen. Hab schon oft gesagt, fürs Auto muss man einen Führerschein machen und Kinder bekommt man einfach so in den Arm gelegt. :-)
Das respektlose kam von geringer Grenzensetzung unsererseits. War unser erstes Kind. Wir wussten es nicht besser. Sie brauch Routine und klare Grenzen. Aber da haben wir uns weiter entwickelt. Sie nimmt Grenzen an und hält sich meist dran, akzeptiert auch die Konsequenzen, wenn nicht.

Die S-E Störung wurde nicht genauer definiert. Es wurde nur gesagt, sie ist geistig weiter, als körperlich und sie ist im Ungleichgewicht und kann sich dann nicht anders helfen. Wir haben eine Weile psychologisch daran gearbeitet. Ihr Verhalten wurde besser. Sie sagt aber sie brauch niemanden anderen. Sie kommt allein gut klar. Vertritt die Meinung, dass die Anderen sie eh nicht leiden können und das ist ihr egal- sagt sie. Und emotional haben wir mit Ergo und Yoga ganz viel erreicht. Ich glaube sie musste sich selbst finden. Ihren Körper wahrnehmen. Sich Auszeiten gönnen. Sie war ja damals erst 7 und hat sich ein geheimes Zimmer geschaffen (in Gedanken) und dahin ging sie dann. Und noch ein paar andere Wutablassventile, wie ins Kissen brüllen, oder im Wald mal laut schreien haben wir auch eingeführt..
Sie hat keine Wutanfälle mehr, bzw. eher selten. Meist wenn sie selbst was falsch gemacht hat (in ihren Augen), aber hat sich viel mehr unter Kontrolle. Ist ein kurzes grrr und dann abdampfen. Als 2 Jährige hat sie gehauen und gebissen, als 5 Jährige gekreischt und getobt, als 7 jährige flogen die Stühle durchs Zimmer. Jetzt rollt sie nur noch mit den Augen. Jetzt würde ich diese Störung nicht mehr in den Vordergrund stellen- ist wie gesagt schon fast 7 Jahre her. Denke das ist geklärt- bis auf das sie eben an jedem Klassenkamerad was findet, was eine Freundschaft zu diesem dann ausschließt. Und wenn sie sie mobben, wehrt sie sich nicht- obwohl sie sonst sehr schlagfertig ist.

Aggressiv war das falsche Wort. Sie ist eher genervt von uns Eltern. Na ja, man "meckert" ja auch viel. Mach deine HA, Zimmer ... Dann kommt dass Stöhnen, das Augen Rollen und im Zimmer verschwinden. Aber sie ist ein Teeni- ich denke dass ist normal.

Und deine Argumente mit dem Klasse überspringen, ja das sind gute Denkanstöße. Sehe das sehr ähnlich. Lieber etwas tun, damit sie in ihrer Klasse klar kommt und die Leistungen eben einfach zeigt. Organisatorisch ist sie definitiv nicht so weit. Ob es eine Klasse für Hochbegabte dort gibt. Ich weiße es nicht. Denke eher nicht.
Vaja352
Beiträge: 15
Registriert: Sa 24. Okt 2020, 14:30

Re: Moin Moin

Beitrag von Vaja352 »

Wenn ich mir die Symthome da so ansehe:

Anzeichen, Merkmale und Symptome von Asperger Syndrom (AS) bei Kindern

Das charakteristischste Symptom von Asperger ist das obsessive Interesse eines Kindes an einem einzelnen Objekt oder Thema unter Ausschluss eines anderen. - trifft nicht zu- sie ist an so vielen Sachen interessiert (Technik, Tiere; Naturwissenschaften, Musik, Kunst ...)

Kinder mit AS wollen alles über ihr Interessensgebiet wissen und in ihren Gesprächen mit anderen wird es um nichts anderes gehen. (Trifft auch nicht zu. Sie hat so viele Gebiete und ihre Beste Freundin hat ganz andere und sie tauschen sich über alles aus)

Ihr Fachwissen, ihr hoher Wortschatz und ihre formalen Sprachmuster lassen sie wie kleine Professoren erscheinen. Weitere Merkmale von AS sind repetitive Routinen oder Rituale, -solche Rituale hat sie nicht und sie redet auch nicht wie ein Professor

Besonderheiten in Sprache und Sprechweise, sozial und emotional unangemessenes Verhalten und die Unfähigkeit (letzteres hatte sie als Kleinkind/ Grundschulkind), erfolgreich mit Gleichaltrigen zu interagieren (ok, trifft teilweise zu), Probleme mit nonverbaler Kommunikation sowie ungeschickte und unkoordinierte motorische Bewegungen. - sie ist eine Sportskanone Ballett, Klimmzüge, reiten, klettern - war immer motorisch unauffällig (Außer Tischtennis und Handball- aber da hat sie mit der falschen Hand gespielt) :roll:
Rabaukenmama
Dauergast
Beiträge: 2973
Registriert: So 8. Dez 2013, 21:24

Re: Moin Moin

Beitrag von Rabaukenmama »

Hallo Moin Moin!

Sorry, der erste Beitrag (mittkwerile gelöscht) war von meinem gehörlosen, autistischen Sohn :fahne: .

Ich bin außerdem Mutter eines Sohbes mit Asoerger Autismus, ADHS und einer Höchstbegabung im sprachlichen Bereich.

Dass deine Tochter positiv auf Regeln und Grenzen eurerseits reagiert hat spricht ja weder für noch gegen die Diagnosen. Meine beiden Autisten fühlen sich auch mit klaren Grenzen und Regeln besser als ohne.

Ich finde ehrlich gessgt ziemlich befremdlich, wenn so getan wird, als wären Asperger Autisten generell motorisch ungeschickt und nicht an Sport interessiert.

Auch repitatives Verhalten haben längst nicht alle Asperger Autisten. Nicht umsonst ist es eine Spektrums-Störung, wo sehr selten das Vollbild erfüllt wird.

Das ist jetzt keine Ferndiagnose. Als ich bei meinrm älteren Sohn die Disgnose ASS nicht wahr haben wollte habe ich auch alles aufgezählt (mehr für mich selbst als für andere). Und obwohl ich von Anfang an gemerkt habe, dass die KJP bei der Entwicklungsdiagnostik (als mein Sohn 4 Jahre alt war) gelinde gesagt, unföhig ist, habe ichvihr gern geglaubt, als sie ADHS und Autismus nach 5min kategorisch ausgeschlossen hat.

Später, als der Verdacht mit 7 Jahren nochmal aufkam, hatte mein jüngerer, gehörloser Sohn schon seine Autismus Diagnose. Das war noch mehr Grund für mich dass mein älterer Sohn kein Autist sein konnte, denn er war (und ist) vom Wesen her komplett anders als sein Bruder.

Mein jüngerer Sohn ist ein Klischee-Autist mit Ticks, sehr ausgeprägten Spezialinteressen, sehr flüchtigem Blickkontakt ( ist mittlerweile viel besser geworden), repetativen Verhaltensweisen und mathematischer Hochbegang (bei einem sehr heterogenen Entwicklungsprofil). In all diesen Bereichen war mein älterer Sohn komplett konträr: vielseitig interessiert, gut in Mathe aber nicht außergewöhnlich, keinerlei Ticks, kein repetatives Verhalten, Blickkontakt,...

...aber dafür ein immer deutlicher werdender Unterschied zu Gleichaltrigen im sozial-emotionalen Bereich. Kleinkinhaftes Verhalten bis ins 3./4. Grundschuljahr, fehlende Perspektivenübernahme und ungewöhnliches Nähe-/Distanzverhalten. Im Gegensatz zum Autismus-Klischee war mein Sohn oft Fremden gegenüber extrem vertrauensseelig, hat wildfremde Menschen umarmt, wenn sie ihm sympathisch waren und alle Leute angesprochen,...

Vor allem aber hat er sich in fast allen sozialen Situation sehr ungeschickt verhalten und es kam sehr oft zu Misverständnissen, weil er ganz normale zwischenmenschliche Situationen falsch gedeutet hat. Er fühlte sich häufig beleidigt, provoziert oder übergangen wenn das gar nicht der Fall war und konnte andererseits nicht erkennen, wenn sich andere tatsächlich über ihn lustig machten.

Sein ebenfalls autistischer Bruder verhält sich unter anderen Kindern viel unauffälliger.

Meine Jungs sind beide Einzelgänger und haben wenig gemeinsame Interessen und Berührungspunkte. Mein älterer Sohn liest und zeichnet sehr gern, liebt Computerspiele und fantstische Welten und mag Rollendpiele, wenn er die Rolle der Mitspieler vorgeben darf. Gesellschaftsspiele und Puzzles mag er nicht, ebenso lehnt er sportliche Aktivitäten außer Rollschuh laufen ab (obwohl er sich dabei nicht ungeschickt anstellt). In der Schule ist er trotz viel Wissen ziemlich unmotiviert, würde nie eine "Fleißaufgabe" machen und stört oft im Unterricht weil er sich einerseits vom Stoff her langweilt und andererseits sozial überfordert ist. Freunde hatte er noch nie, obwohl er ein paar Kinder gibt, mit denen er gut auskommt. Aber bei den meisten Mitschülern wurd er sls Nerd gesehen.

Mein jüngerer Sohn ist eine Sportskanone, liebt schwimmen, wandern, Rad fahren, klettern , reiten,... Er puzzelt gern und mag Gesellschaftsspiele wie Uno Extreme, Rauf und Runter, Ubongo, usw. Er konstruiert auch gerne Kugelbahnen (Geotrax ist hoch im Kurs). In der Schule ist er sehr fleissig und ehrgeizig. Vor allem stört ihn, dass er in Deutsch nicht gut ist, weil er als Gehörloser kein Gefühl für Grammatik hat. Um da besser zu werden schreibt er ganze Kapitel von Büchern ab um die Grammatik zu verinnerlichen. Das plant er übrigens selbst im Vorhinein, also er kündigt an, morgen um 9h Kapitel x aus Buch y zu schreibrn und zieht das auch so durch. Mein jüngerer Sohn hat seit 2 Jahren einen besten Freund aus seiner Klasse. Seit einem Jahr ist er wochentags in einem Internat, wo auch sein Freund (ebenfalls gehörlos und autistisch)ist. Die beiden sind gerne zusammen, erfinden gemeinsam Spiele, streiten auch mal und vertragen sich dann wieder. Aber dann spielen sie auch immer wieder mal jeder für sich, sind also nicht "wie Pech und Schwefel".

So, jetzt genug von meinen Jungs. Ich habe sie so ausführlich beschrieben damit du siehst, wie wenig "echte" Autisten (mittlerweile bezweifle ich keine der Diagnosen mehr) den Klischees entsprechen müssen. Gerade bei hochbegabten Kindern und Kindern mit Teilleistungsstärken fällt Autismus oft nicht so auf wie bei durchschnittlich oder unterdurchschnittlich intelligenten Kindern. Die Unterschiede zu neurotypischen Kindern werden aber mit zunehmenden Alter immer deutlicher. Gerade bei meinem älteren Sohn fällt der Autismus Außenstehenden in 1:1 Situationen gar nicht auf. Aber ein wirklich wechselseitiger Dialog, wo er auch auf die Argumente und Anregungen seines Gesprächpartners eingeht, ist nur in wirklich guten Phasen möglich.

Das Verhalten, das du von deiner Tochter beschreibst, kommt mir jedenfalls SEHR bekannt vor. Auch der soziale Rückzug mit dem Argument "Mich mag ohnehin niemand!".

Nein, ich will dich nicht überreden, nochmal eine Autismus- und ADHS-Diagnostik anzuleiern. Aber wenn jetzt im Raum steht nochmal einen Intelligenztest zu machen, dann könnte das die Chance sein, gleich "ganz" hinzuschauen und nicht nur einen Teilbereich der Persönlichkeit (den IQ) gesondert anzuschauen. Das IQ-Testergebnis ist auch anders zu sehen wenn eine Wahrnehmungsstörung vorliegt. Bei Kindern mit ADHS und/oder ASS ist oft die VG (Verarbeitungsgeschwindigkeit) der schlechteste Wert. Da er aber trotzdem meistens noch im (unteren) Durchschnittsbereich liegt, während alle anderen Werte deutlich höher sind, lassen das weniger erfahrene KJPs oft unter den Tisch fallen, weil sie "Durchschnitt" mit "normal" gleichsetzen. Dabei ist ein IQ -Test gar nicht auswertbar, wenn zwischen bestem und schlechtestem Unterwert über 30 Punkte liegen. Bei meinem älteren Sohn sind es über 60, beim jüngeren sogar über 80! Punkte Unterschied. Das heißt man kann zwar rechnerisch einen Durschnitts-IQ ermitteln, der ist aber nicht aussagekräftig.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Auguste
Dauergast
Beiträge: 287
Registriert: Do 4. Jul 2019, 22:34

Re: Moin Moin

Beitrag von Auguste »

Hallo,

Hast du denn mit Deiner Tochter schon mal über das Telefongespräch gesprochen? Was möchte sie denn?

Weiß Deine Tochter von dem alten Testergebnis und was würde Euch ein neuer Test bringen? Deiner Tochter könnte ein neuer Test z.B. mehr Selbstvertrauen geben, weil sie schwarz auf weiß sieht, welches Potential sie hat und wo ihre Stärken und Schwächen liegen. Das setzt aber voraus, dass sie das auch will und den Test nicht boykottiert.

Das was Du jetzt von ihr erzählst, klingt für mich nach einem introvertierten Teenager mit einem sehr ausgesuchten Freundeskreis. Nicht jeder Teenie hängt gern in großen Gruppen rum und hat X Freunde. Manchen reicht eben eine beste/r Freund/in und ein paar lose Kontakte außerhalb der Schule.

Die Mobbing-Thematik finde ich bedenklich und auch, dass es schon an der zweiten Schule so läuft. Da läuft irgendwas gewaltig schief. Aber da müsste die Schule mit ins Boot und dran arbeiten - mit den Mobbern ;)

Faul sein ist für begabte Kinder übrigens nicht ungewöhnlich ;) Ich hab hier auch ein solches Exemplar - für mich ist er aber nicht faul, sondern Minimalist :mrgreen: Die schlauen Kids haben sehr schnell raus, wie sie mit minimalem Aufwand für sie (!) akzeptable Ergebnisse erzielen. Wenn ein begabtes Kind kein fleißiger Hochleister ist, dann schöpft es seine Möglichkeiten nur dann aus und "hängt sich rein", wenn es fürs Kind sinnvoll ist. Langweilige Wiederholungsaufgaben sind nicht sinnvoll, wenn man den Stoff beherrscht. Und wenn man mit einer 4 ohne Lernen oder Hausaufgaben auch in die nächste Klasse versetzt wird, warum soll man dann für eine 1 oder 2 lernen ;) Keine Hausaufgaben machen schafft z.B. Freizeit. Kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen :mrgreen:

Gruß
Meine3
Dauergast
Beiträge: 1074
Registriert: Mo 11. Mär 2019, 10:55

Re: Moin Moin

Beitrag von Meine3 »

Vaja352 hat geschrieben:Wenn ich mir die Symthome da so ansehe:

Anzeichen, Merkmale und Symptome von Asperger Syndrom (AS) bei Kindern

Das charakteristischste Symptom von Asperger ist das obsessive Interesse eines Kindes an einem einzelnen Objekt oder Thema unter Ausschluss eines anderen. - trifft nicht zu- sie ist an so vielen Sachen interessiert (Technik, Tiere; Naturwissenschaften, Musik, Kunst ...)

Kinder mit AS wollen alles über ihr Interessensgebiet wissen und in ihren Gesprächen mit anderen wird es um nichts anderes gehen. (Trifft auch nicht zu. Sie hat so viele Gebiete und ihre Beste Freundin hat ganz andere und sie tauschen sich über alles aus)

Ihr Fachwissen, ihr hoher Wortschatz und ihre formalen Sprachmuster lassen sie wie kleine Professoren erscheinen. Weitere Merkmale von AS sind repetitive Routinen oder Rituale, -solche Rituale hat sie nicht und sie redet auch nicht wie ein Professor

Besonderheiten in Sprache und Sprechweise, sozial und emotional unangemessenes Verhalten und die Unfähigkeit (letzteres hatte sie als Kleinkind/ Grundschulkind), erfolgreich mit Gleichaltrigen zu interagieren (ok, trifft teilweise zu), Probleme mit nonverbaler Kommunikation sowie ungeschickte und unkoordinierte motorische Bewegungen. - sie ist eine Sportskanone Ballett, Klimmzüge, reiten, klettern - war immer motorisch unauffällig (Außer Tischtennis und Handball- aber da hat sie mit der falschen Hand gespielt) :roll:
Hallo,

ich musste doch ein wenig schmunzeln, ob der "Symptome" für Autisten, die du da genannt hast. Das sind alles so "Vorzeige" Symptome, die lange nicht auf alle Autisten zutreffen müssen. Es gibt einen Spruch: kennst du einen Autisten, kennst du EINEN Autisten.

Es ist eine Entwicklungsstörung, die mittlerweile als Spektrum dargestellt wird, eben weil es so viele unterschiedliche Ausprägungen davon gibt. Von für die Außenwelt "unsichtbare" Autisten bis hin zu "sofort auf den ersten Blick" erkennend, dass dieses Kind besonders ist. Aber auch der "unsichtbare" Autist kann einen sehr hohen Leidensdruck haben.

Mein Sohn ist auch in der Schule sehr schwierig. Von Anfang an. Er hat einen IQ von 128, mit einem extrem heterogenen Profil. Wir waren mit 6 das erste Mal bei einer Psychologin. Das war noch im Vorschulkindergartenjahr und das zweite Mal waren wir bei einem Begabungsdiagnostiker, da die Psychologin ADHS und HB beides als wahrscheinlich/vielleicht ansah und uns das überhaupt nicht weiterhalf. Da mein Mann eine Ärzte-Phobie hat, die auch Psychologen mit einschließt, sind wir dann eben im zweiten Schritt zu einem unabhängigen Begabungsdiagnostiker. Auch dieser angeblich vor allem auf Kinder mit HB UND ADHS oder AS oder einer Teilleistungsstörung spezialisierte Mann hat ADHS rundweg ausgeschlossen, gleichzeitig aber im Gutachten immer wieder SEHR betont, wie unruhig und nach der Hälfte des Tests auch unkonzentriert mein Sohn war.

Ein versuchter Schulwechsel in der 1- Klasse zum Halbjahr schlug fehl. Der Klassensprung von 1. nach 3. Klasse schlug fehl. Nicht wegen kognitivier fehlender Fähigkeiten. Im Gegenteil. Sondern weil es sozial-emotional schwierig mit ihm ist. Er ist nicht aggressiv, aber er ist sehr unruhig, unkonzentriert und verhält sich sozial teilweise einfach "merkwürdig" (zu Hause viel weniger als anscheinend in der Schule, daher kann ich das nicht so gut beurteilen) und wird immer mehr zum Außenseiter, obwohl er ein total liebenswerter, loyaler, hilfsbereiter und guter Freund ist und da sehr tolle Qualitäten hat. Er nervt halt aber auf der anderen Seite einfach oft :cry: (man könnte sagen, er lebt oft in seiner eigenen Welt, bekommt die Gefühle oder Bedürfnisse anderer oft nicht so mit oder misversteht sie und das führt dann zu Misverständnissen und blöden Situationen). Ich habe nun den Sprung zurück in seinen alten Klassenverbund beantragt und dem Kind geht es so viel besser, rein mental. Dies wird sich ändern, wenn er merkt, wie endlos lang ein Jahr sein kann, in dem man NICHTS neues lernt, aber es ist leider Gottes immer noch das kleinere Übel gewesen als der Sprung. Er hat sich dort nicht angenommen und von Anfang an unwohl gefühlt. Da hat es auch nichts geholfen, dass er direkt mit 1-2en und 2+en eingestiegen ist notentechnisch.

Ich vermute bei meinem Kind seit er 6 Jahre alt ist ADHS, seit kurzem ist für mich auch Asperger Autismus wahrscheinlich. Durch den Klassensprung konnte er nämlich nicht mehr seine Defizite kompensieren, was er sonst recht gut kann, und da hat man das gesamte "Ausmaß" an Aufälligkeiten gut sehen können.

Hochbegabung hin oder her. Kinder die solch ein Verhalten an den Tag legen wie deine Tochter oder mein Kind, sind in den allermeisten Fällen nicht "nur" hochbegabt. Ich kenne genug hochebgabte Menschen, auch in meinem Verwandtenkreis, die keine dieser Auffälligkeiten zeigen.

Es ist nur so: ein hochbegabtes Kind mit psychischen Problemen, egal welcher Coloeur (dies können auc familiäre Probleme oder ähnliches sein...) fällt einfach mehr auf als ein HB-Kind ohne diese Problematiken. Daher entsteht der Eindruck hochbegabte Kinder seien sozial schwierig, ecken nur an, etcpp. Das ist aber nicht der Fall.
Es kann sein, dass nicht alles wahr ist, was ein Mensch dafür hält, denn er kann irren, aber in allem, was er sagt, muss er wahrhaftig sein.
Vaja352
Beiträge: 15
Registriert: Sa 24. Okt 2020, 14:30

Re: Moin Moin

Beitrag von Vaja352 »

@ Rabaukenmama

Ich wollte in keiner Weise irgendwen angreifen! Habe mir die Sympthome so aus dem Netz gezogen und dann überlegt, ob das auf meine Tochter zutreffen kann. Naiv, ich weiß. Sorry :fahne: .

Ja du hast recht, werde wohl alles ganzheitlich noch einmal abchecken. Wo kann man das denn machen lassen?

Sie wurde ja mit 8 schon einmal getestet und tatsächlich war die Verarbeitungsgeschwindigkeit da der weitaus schlechteste Wert. Wenn ich das richtig lese, dann sind es 36 Punkte, die zwischen dem Besten Wert (Sprachverständnis) und der VA Geschwindigkeit liegen.

Krass wie unterschiedlich deine Söhne sind. Meine Töchter aber auch.

Habe noch 2.

Die Mittlere, in einer Woche wird sie 9, ist meiner Großen sehr ähnlich. Hat auch nur eine richtig Gute Freundin das auch seit sie 3 Jahre alt ist. Aber sie spielt mit alles anderen auch, sogar Fußball mit den Jungs. Ist in die Klasse super intergriert und schreibt nur Einsen. Auch sie klagt schon eine Weile über lange Weile in der Schule. Es fällt dort ihre (lt Lehrerin ) Hochbegabung im kreativem Bereich auf. Ebenso ihre schnelle Auffassungsgabe, ihre Problemlösestrategie und dass sie eigentlich vor sich hin träumt- aber am Stundenende alles kompakt und richtig wieder geben kann. Wie bei meiner Großen hat sie Probleme beim Kleinen 1x1 und beim Uhr ablesen (Eigentlich kann sie es. Aber irgendwie kann sie es nicht abrufen), mit der Rechtschreibung ist es auch so eine Sache und sie hat jetzt auch keine Lust mehr auf Hausaufgaben. Sie verlangt von sich selbst Höchstleitungen und wenn das Bild nicht perfekt ist, wird sie sauer auf sich. Auch sie sagt ständig "Ich kann das sowieso nicht". Hat heute morgen nach 3 mal lesen ein Gedicht perfekt gekonnt (hatten wir letzte Woche vergessen- war HA). Also auch hier werden wir wohl einen Test machen müssen, wobei wenn die Lehrer das potential erkennen, können sie ihr dann nicht einfach extra Aufgaben geben? Muss mich jetzt wirklich intensiv damit befassen.

Und die Kleinste, 5 Jahre, ja sie lacht den ganzen Tag. Ist sozial unauffällig, hat 4 beste Freunde. Sie schreibt Unmengen an Buchstaben, (schreibt Buchstaben ab- von der Cornflakes Packung, von Zeitschriften ...) Rechnet schon, ohne Finger, hat ein gutes Mengenvertändnis. Hinterfragt ebenso alles, wie die Großen es getan haben und ist sprachlich (grammatikalisch/ Wortschatz) sehr gut aufgestellt. Sie merkt sie ebenso Dinge schnell und spielt, wie ihre Schwestern auch, gerne mit Papa Schach. Da sie erst nächsten Sommer eingeschult wird, befürchte ich, dass wenn es so weiter geht, sie sich in der 1. Klasse furchtbar langweilen wird.
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