Hochbegabung - ein Problem der Eltern!

ganz allgemein zu Kleinkindern, ob nun aufgeweckt, klug oder hochbegabt
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Gast_(Axel)

Hochbegabung - ein Problem der Eltern!

Beitrag von Gast_(Axel) »

Hi All,
mir scheint, dass das Thema Hochbegabung sehr viele Eltern umtreibt. Zum einen besteht der Wunsch, dass das eigene Kind etwas besonderes ist und zum anderen entstehen Unsicherheit, ob man als Eltern etwas falsch macht.

Da wird so maches Kind als "hochbegabt" angesehen, weil es drei Wochen vor der großen Schwester sprechen gelernt hat.

Ich möchte die These aufstellen, dass Hochbegabungim Vorschulalter kaum eine Rolle spielen sollte. Alle Kinder sollten im Rahmen der ihrer Möglichkeiten gefördert werden - spielerisch.

Die Kinder holen sich das, was sie brauchen - wenn das Angebot da ist.
Alles weitere ist Unfug und höchstens schädlich.

Viele Grüße
Alexander

http://www.volland.info
sylvia
Moderator
Beiträge: 181
Registriert: Do 1. Mai 2003, 00:00

Re: Hochbegabung - ein Problem der Eltern!

Beitrag von sylvia »

Kann ich so nicht bestaetigen, Alexander.
Es gibt sogar Leute, die behaupten (und das spaeter nachweisen konnten), H.B. schon bei Kleinstkindern zu erkennen. Soweit wuerde ich allerdings nicht gehen.
H.B. spielt im Vorschulalter genau dann eine Rolle, wenn ein Kind sim Kindergarten ungluecklich ist oder sich als "alien" fuehlt, weil keiner dort auf seinem/ihrem Niveau redet, wenn Kinder sich in diesem Alter so sehr an ihre Gruppengenossen anpassen, dass sie ihre eigentlichen (vielleicht akademischen) Interessen vernachlaessigen und das spaeter zu depressiven Gefuehlen fuehrt, wenn Kinder lesen lernen moechten und im KiGa das nicht vorgesehen ist, und noch in vielen weiteren Faellen.
Zu Deiner These, dass die Kinder sich holen, was sie brauchen sehe ich eben genau das Problem, dass das Angebot oft nicht da ist. Wenn es da ist hat man oft (aber nicht immer) glueckliche und ausgeglichene Jungs und Maedels. Nur besteht dieses Angebot nicht nur aus hoeherwertigen Materialien, sondern auch aus einem passenden sozialen Umfeld.
Ansonsten wuesste ich gerne, woher Deine These kommt, dass manches Kind wegen 3 Wo. frueher reden als H.B. angesehen wird - kennst Du wen, wo das so ist? Ein Beispiel? fuenf Beispiele???
Und: Glaube mir: viele Eltern von H.B. Kindern wuenschen sich normale Kinder. (Nein, zu denen gehoere ich nicht, auch wenn das sich-nicht-typisch-Entwickeln manchmal recht unpraktisch ist). Die meisten kriegen nach IQ-Tests mit Resultat oberhalb der magischen Nummer erstmal einen riesigen Schreck und dann genau den Leistungsdruck, dass man daraus doch "was machen muss"...
Ja, H.B. Vorschulkinder holen sich, was sie brauchen, aber finden ausserhalb der eigenen Familie in der Regel kein ausreichendes Angebot.

Viele Gruesse von Sylvia Zinser
Angitila
Beiträge: 34
Registriert: Di 23. Aug 2005, 14:24

Re: Hochbegabung - ein Problem der Eltern!

Beitrag von Angitila »

Hallo Alexander

Ich bin nicht deiner meinung. ich glaube nicht, dass eltern ihr kind als hochbegabt sehen, weil sie aus ihrem kind etwas besonderes machen möchten. ich habe drei kinder und wir fragen uns, ob unsere älteste tochter ev. hochbegabt sein könnte. für uns sind aber alle kinder etwas besonderes. weil alle so verschieden sind und ihre eigenen besonderheiten habe. und das, obwohl die kleinen zwillinge sind.
Gruss:
Nicole
LeeLa
Dauergast
Beiträge: 55
Registriert: Do 1. Mai 2003, 00:00

Re: Hochbegabung - ein Problem der Eltern!

Beitrag von LeeLa »

Hallo Alexander!

Hochbegabung müsste im Kindergartenalter tatsächlich keine Rolle spielen.

Solange jedoch nicht jedes Kind gemäß seiner Fähigkeiten gefördert wird, die Werte und Normen dieser Gesellschaft sich zur sehr an Anpassung orientieren, fehlende Anpassung immer als soziale Unfähigkeit tituliert wird, einem Kind keine Grenzen durch Sätze wie "Solange du aber noch kein Vorschulkind bist", "Dafür bist du noch zu klein (alleine die richtige Verwendung des Wortes "jung" wäre hier schon bewundernswert)" gesetzt werden. Solange Kindern der Zugang zu vielleicht nicht alterstypischen Aktivitäten verwehrt wird- nicht weil der "Kursführer" aus Erfahrung sagen kann "Ihr Kind ist noch nicht bereit dazu" bzw. "Das Konzept passt auf ihn/sie noch nicht"- wegen eines auf ein Dokument gedrucktes Datum, dass die Geburt bescheinigt. Solange der Gesellschaft der Mut zum Vergleich fehlt, denn er ist ja so verpönt. Was wäre ein Arzt ohne Orientierungswerte, was ein Richter ohne Gesetz, was ein olympischer Läufer ohne Gegner?

Der Vergleich ist nur verwerflich, weil der Mensch glaubt dadurch sein Gesicht zu verlieren. "Der" ist klüger (oder besser: will klüger sein) als 98% der Menschheit, zumindest wird es behauptet. Das heißt das der Grossteil der Menschen davon ausgehen muss als "dümmer/schlechter" (so ein Unsinn!) zu gelten, denn was allgemein hin als Norm bezeichnet wird ist in der heutigen Zeit anscheinend die größte Beleidigung überhaupt.

Worauf will ich hinaus. "Kinder holen sich was sie brauchen." Stell ein Kind vor eine Schale mit Obst und eine mit Süßigkeiten. Wird sich dein Kind nur das Obst nehmen? Gib einem Kind anregendes Material und einen Fernseher. Wird es sich nur mit dem anregenden Material beschäftigen oder sich vielleicht doch auch oder sogar eher mal vor den Fernseher setzen? Es gibt unzählige Beispiele. Ein Kind besteht nicht nur aus Vernunft. Man erinnere sich: Nichts ist nur schwarz, Nichts ist nur weiß.

Spielerisches Fördern ist eine wunderbare Sache. Für jeden? Wer weiß.

Hochbegabung ist kein Problem der Eltern. Das Problem ist durch Andersartigkeit, ständiges Hinterfragen und das falsche Umfeld ausgegrenzt zu werden. Und eben vielleicht auch mal doch nicht alle Möglichkeiten zu haben, sich zu holen was Kind braucht.

Prinzipiell ist es doch gar nicht schlecht wenn man davon ausgeht, dass sich viele Eltern mit dem Thema beschäftigen. Aids, Politik, Behinderungen, Entwicklungsverzögerungen- wie intolerant wäre die Welt wenn man alles außer Acht lassen würde? Ist es verwerflich wenn Eltern sich auch mal "verrennen"? Solange sie über eine gesunde Portion objektive Urteilskraft verfügen ist das doch herrlich. In einer Zeit in der Vergleiche ja als so unmöglich angesehen werden, ist es reichlich einfach etwas über oder auch unter zu bewerten.

Seien wir doch mal ehrlich- es geht bei den Diskussionen um Hochbegabung immer nur darum, dass sich Eltern angeblich in den Vordergrund stellen wollen. Wären unsere Kinder krank würde uns das niemand unterstellen, obwohl Hochbegabung und Krankheit gleichermaßen wissenschaftlich erwiesen sind. Aber mit einer Krankheit setzt man sich herab, und so traurig es klingen mag- bei Hochbegabung wirkt es auf Außenstehende so, als würde man sie herabsetzen.

Anonyme Alkoholiker, Eltern verstorbener Kinder oder politische Parteien dürfen sich treffen und austauschen- Eltern hochbegabter Kinder sollten hier keine Ausnahme darstellen.

Und eins ist für mich klar:

Ich glaube das durch Austausch und Verständnis ein Kind davor bewahrt werden kann in den Brunnen zu fallen. Denn auch Eltern hochbegabter Kinder brauchen Rat- wie Jeder andere auch- und wo würden sie das eher finden als in einem Forum, in dem sie sich nicht erst stundenlang rechtfertigen müssen, warum sie es wagen ihr Kind offensichtlich "über andere zu stellen"?

Doch schau dich in diesem Forum um- hier gibt es keine Eltern die sagen "Mein Kind konnte 3 Wochen vor seiner großen Schwester sprechen! Ist es hochbegabt?" Hierher kommen nur wenige Eltern mit einem 1 Jährigen Kind die sagen "Es ist definitiv hochbegabt". Fragen sind nicht verwerflich. Unsicherheit ebenfalls nicht. Und das eigene Kind ist -unabhängig von seine Fähigkeiten- immer etwas ganz Besonderes für seine Eltern oder sollte es zumindest sein.

Doch sag: Was ist in deinen Augen höchst schädlich? Seinem Kind Anregungen zu bieten nach denen es fragt? Antworten zu geben, zu unterstützen und auch zu fördern? Nein sicher nicht, denn genau das wird ja auch von allen anderen Eltern erwartet?! Meinst du vielleicht Drill? Ist Drill sein Kind zum Klavier üben zu zwingen wenn es nach 3 Jahren an einem Tag mal keine Lust hat? Oder ist es konsequent?

Reden wir von dem was ich unter Drill verstehe: Ohne Rücksicht darauf, was das Kind kann und möchte Höchstleistungen einzufordern, ihm alles zu nehmen nur um sich selbst einen Traum zu erfüllen? Das was man allgemein hin als Eislaufeltern bezeichnet? Willst du meine ehrliche Meinung hören?

Ich denke in diesen speziellen Foren wirst du diese Eislaufeltern eher selten antreffen. Such sie dort wo sie tatsächlich Bestätigung bekommen und Anerkennung, wo sie vom "Ruhm" ihres Kindes profitieren. Ich frage mich: Haben solche Eltern Zeit sich über die Probleme ihrer Kinder zu unterhalten oder planen sie lieber den nächsten Trainingstermin oder Auftritt? Mal davon abgesehen, dass die Wahrscheinlichkeit doch sehr gering ist in einem Forum in dem sich nicht mal 2% (welch ein Zufall) aller internetfähigen Eltern treffen auf ausschließlich diese "Spezies&" zu stoßen ;o).

Hochbegabung ist kein Hirngespinst, und die Probleme die auftauchen sind keine Wichtigmacherei sondern spezifische Probleme. Wenn ich Zahnschmerzen habe gehe ich schließlich auch nicht zum Augenarzt.

In diesem Sinne danke für deine provokantes Posting- man könnte glatt ein Buch darüber schreiben.

LG *LeeLa*
Axel
Dauergast
Beiträge: 82
Registriert: Di 16. Aug 2005, 12:51

Re: Re: Hochbegabung - ein Problem der Eltern!

Beitrag von Axel »

Halli, hallo!


[quote=LeeLa,08.09.2005 , 22:19]
Hallo Alexander!

Hochbegabung müsste im Kindergartenalter tatsächlich keine Rolle spielen.
[/quote]
Danke für die anfängliche Zustimmung ;-)

[quote=LeeLa,08.09.2005 , 22:19]

Solange jedoch nicht jedes Kind gemäß seiner Fähigkeiten gefördert wird, die Werte und Normen dieser Gesellschaft sich zur sehr an Anpassung orientieren, fehlende Anpassung immer als soziale Unfähigkeit tituliert wird, einem Kind keine Grenzen durch Sätze
[/quote]

Fehlende Anpassung ist eine soziale Unfähigkeit. Ich spreche nicht von Gleichmacherei. Ich spreche davon, dass sich auch schlaue Kinder und Erwachsene in Gruppen einfügen müssen und dass HB nicht als Entschuldigung gelten darf, sich nicht an die Regeln einer Gruppe zu halten.

[quote=LeeLa,08.09.2005 , 22:19]
Solange Kindern der Zugang zu vielleicht nicht alterstypischen Aktivitäten verwehrt wird- nicht weil der "Kursführer" aus Erfahrung sagen kann "Ihr Kind ist noch nicht bereit dazu" bzw. "Das Konzept passt auf ihn/sie noch nicht"- wegen eines auf ein Dokument gedrucktes Datum, dass die Geburt bescheinigt.
[/quote]

Dem stimme ich voll zu. Aber es ging nicht um die Verwehrung von etwas (daher auch der Satz "...- wenn das Angebot da ist.")

[quote=LeeLa,08.09.2005 , 22:19]
Der Vergleich ist nur verwerflich, weil der Mensch glaubt dadurch sein Gesicht zu verlieren.
[/quote]

Ich habe nichts gegen IQ-Tests. Ich habe auch mal einen gemacht. Das Problem auf das ich hinauswill ist:
Die Eltern nehmen oft ein Testergebnis als Entschuldigung für inkonsequente Erziehung.
Teil einer Erziehung muss auf der einen Seite sein, dass ein Kind Aufgaben bekommt, die es gerade noch lösen kann (also sozusagen IQ-gerecht, nicht altersgerecht - wenn das Alter eben untypsich zu den Fähigkeiten ist).
Auf der anderen Seiten muss sich ein HB Kind auch in den Klassenverband einfügen und darf den Unterricht nicht stören, nur weil es ja die HB-Krankheit hat.

[quote=LeeLa,08.09.2005 , 22:19]
"Der" ist klüger (oder besser: will klüger sein) als 98% der Menschheit, zumindest wird es behauptet. Das heißt das der Grossteil der Menschen davon ausgehen muss als "dümmer/schlechter" (so ein Unsinn!) zu gelten, denn was allgemein hin als Norm bezeichnet wird ist in der heutigen Zeit anscheinend die größte Beleidigung überhaupt.
[/quote]

Naja, wenn IQ ein Maß für Intelligenz ist, dann sind 98% dümmer als das HB Kind ;-)

[quote=LeeLa,08.09.2005 , 22:19]
Worauf will ich hinaus. "Kinder holen sich was sie brauchen." Stell ein Kind vor eine Schale mit Obst und eine mit Süßigkeiten.
[/quote]

Der Vergleich ist zumindest fragwürdig. Und wenn beim Kind die Einsicht für den Wert von Obst nicht da ist, dann sind wir vielleicht wieder beim Erziehungsfehler der Eltern?

[quote=LeeLa,08.09.2005 , 22:19]
Hochbegabung ist kein Problem der Eltern. Das Problem ist durch Andersartigkeit, ständiges Hinterfragen und das falsche Umfeld ausgegrenzt zu werden. Und eben vielleicht auch mal doch nicht alle Möglichkeiten zu haben, sich zu holen was Kind braucht.
[/quote]

Sind die Eltern nicht für die Möglichkeiten verantwortlich, die das Kind geboten bekommen sollte?

[quote=LeeLa,08.09.2005 , 22:19]
Prinzipiell ist es doch gar nicht schlecht wenn man davon ausgeht, dass sich viele Eltern mit dem Thema beschäftigen.
[/quote]

Du hast ja recht. Jetzt habe ich recht guten Kontakt zu einer Grundschullehrerin. Du glaubst nicht, was die alles für ein Mist von einigen Eltern zu hören bekommt.
Da ist zB ein völlig verzogenes Kind mit IQ120. Für die Eltern ist das völlig ok, denn das Kind ist ja soo begabt - und dann können die Eltern einfach nix für, wenn das Kind macht was es will und die anderen stört.
Sowas meinte ich eigentlich...

[quote=LeeLa,08.09.2005 , 22:19]
Solange sie über eine gesunde Portion objektive Urteilskraft verfügen ist das doch herrlich.
[/quote]

In der Tat. Wieviele Eltern haben die gesunde Portion bei ihren eigenen Kindern? (mit fällt da spontan immer Dudley ein - der kleine dicke aus Harry Potter)

[quote=LeeLa,08.09.2005 , 22:19]
Anonyme Alkoholiker, Eltern verstorbener Kinder oder politische Parteien dürfen sich treffen und austauschen- Eltern hochbegabter Kinder sollten hier keine Ausnahme darstellen.
[/quote]

hey, sowas habe ich nie gesagt. Ich meinte lediglich, dass es für viele Eltern besser wäre, sie würden auf einen Test verzichten und Ihr Kind einfach an dem Punkt fördern, wo es gerade steht.

[quote=LeeLa,08.09.2005 , 22:19]
Doch sag: Was ist in deinen Augen höchst schädlich? Seinem Kind Anregungen zu bieten nach denen es fragt? Antworten zu geben, zu unterstützen und auch zu fördern? Nein sicher nicht, denn genau das wird ja auch von allen anderen Eltern erwartet?!
[/quote]


Genau das ist es doch. Das erwarten wir von allen Eltern. Also was kann ein Test für sehr junge Kinder dann noch bewirken?
Genau, eine Abkehr von diesem Verhalten und Unsicherheiten.

Nein, ich will auch die Schreiber/Leser dieses Forums nicht ärgern oder in Frage stellen. (Sonst würde ich selbst hier nicht schreiben).
Ich wollte lediglich in die Diskussion werfen, dass Testen nicht immer eine gute Lösung für Erziehungsprobleme gibt.
Den das Testergebnis wird dann automatisch zur Rechtfertigung für Dinge, die bei Kindern (fast) aller IQ-Stufen nicht vorkommen dürften.

PS: Ja, Sylvia - bei Euch ist alles ganz anders. Ihr habt an Eurer Schule aber offensichtlich auch eine entsprechende ultur entwickelt.

[quote=LeeLa,08.09.2005 , 22:19]
In diesem Sinne danke für deine provokantes Posting- man könnte glatt ein Buch darüber schreiben.
[/quote]

Gerne,
Alex ;-)
aenneli
Dauergast
Beiträge: 54
Registriert: Mo 1. Dez 2003, 01:00

Re: Hochbegabung - ein Problem der Eltern!

Beitrag von aenneli »

Hallo,
ich kann mich in vielen Punkten Alexander voll und ganz anschliessen.
Meine Tochter ist recht weit---aber nicht getestet. Ich gebe ihr das Futter, was sie braucht und hole sie einfach dort ab, wo sie steht.
Soziale Kompetenz zu fördern, halte ich für genau so wichtig wie kognitive Fähigkeiten nicht zu unterdrücken.

Ich finde auch dieses Schubladendenken verwerflich.

Sprüche wie: er ist nicht ungehörig, unerzogen, frech, ....
NEIN er ist HOCHBEGABT
oder:
er kann nichts dafür, er hat AD(H)S
(böse Frau, greift hier böse Themen an)..
Aber ist doch so.
Wenn eine Schublade gefunden wurde, lassen sich viele Dinge entschuldigen und so entsorgen sich viele.
Ein Mensch, ob HB, ADS, ISDN (hihi), XY, ABCD.........muss genau so die Regeln beherrschen (lernen) und beherzigen, sonst kann die Gesellschaft nicht funktionieren. Ich spreche hier nicht von Anpassung, sondern von sozialem Umgang.

Liebe Grüsse Klaudia
sylvia
Moderator
Beiträge: 181
Registriert: Do 1. Mai 2003, 00:00

Re: Hochbegabung - ein Problem der Eltern!

Beitrag von sylvia »

Klaudia, kennst Du konkret Leute, die ihre HB Kinder so entschuldigen?
Ich nicht. Und das liegt nicht daran, dass wir an einer HB-Schule sind.
Natuerlich ist das nicht richtig, alles mit HB zu erklaeren und nachher ist das Kind einfach schlecht erzogen, ist depressiv oder hyperaktiv oder was auch immer.
Deshalb muessen wir als Eltern und Lehrer ja moeglichst viel von HB verstehen, um genau differenzieren zu koennen, ob dies oder jenes auf HB zurueckzufuehren ist oder auf sonstige Faktoren.

In dem Zusammenhang: eine HB-Umgebung ist garnicht so schlecht: die Kinder sind alle HB, also kann man wieder auf die Unterschiede achten, sehen, ob jemand extrem "moody" (launisch - schlechte Uebersetzung...), oder unerzogen oder einfach gewalttaetig ist.
Viele soziale "Unfaehigkeiten" legen sich schlagartig, wenn ein Kind in eine HB-Umgebung kommt. Ich habe selten eine Schule gesehen, wo Kinder so sorgsam und tolerant miteinander umgehen wie bei uns. Legt sich ein Kleines auf die Nase und weint ist sicher gleich ein grosses da und fragt nach oder bringt es zur nurse. Ploetzlich finden Kinder Freunde, reden miteinander, albern miteinander rum usw.
Und das sind dieselben Kinder, die vorher als sozial unfaehig kategorisiert wurden.
Natuerlich gibt es Problemfaelle, wenn Eltern ihr Kind anhalten, ein anderes Kind zu mobben - das ist im Moment in der Klasse von einem meiner Jungs angesagt, und da sieht man aber dann deutlich, dass das so nicht gehoert und dass man dem Einhalt gebieten muss. In einer Regelschule wuerde dieser - gemobbte - Junge sich sozial durchsetzen muessen, und wahrscheinlich versagen.

Ich habe mit zwei meiner Jungs beides erlebt - deutsches Standard-Setting und HB-Schule, sie sind definitiv gluecklicher in letzterem.

Macht sie das jetzt unfaehig fuer die harte Realitaet? Meiner Meinung nach nein: das was sie an sozialen Faehigkeiten in geschuetzter Umgebung untereinander lernen, koennen sie nachher auf alle spaeteren Klassenkameraren anwenden. Wie man eine Konversation beginnt, wie man fuer sich selbst einsteht, diskutiert, Freunde kennenlernt usw. Die Prinzipien sind die gleichen nur haben kleine HBchen es schwer, auseinanderzuhalten, ob das Freundefinden so schwer ist, weil alle ihn/sie nicht verstehen (wegen erwachsenerer Ausdrucksweise) oder, weil er/sie nicht blickt, dass man erst mal zuhoert, bevor man in einer bestehenden Kleingruppe mitdiskutiert.

Da nicht jeder seine Kinder in ein HB-Setting setzen kann, finde ich es trotzdem wichtig, zu wissen, ob das eigene Kind HB ist oder nicht. So ungefaehr jedenfalls. Und zwar deshalb, weil Eltern dann auch die Geschichten, die ihre Kinder vom Kindergarten erzaehlen, analysieren koennen und dem Kind erklaeren koennen, wie und warum es anders ist und woher diese und jene (aber nicht alle) Schwierigkeiten kommen koennten.
Und - um entsprechenden Schreibern vorzugreifen, das hat nichts damit zu tun, seinem Kind zu erklaeren, das es "besser" ist. Das ist Quatsch. Besser ist, wer moralisch besser ist, das hat nichts mit HB zu tun.

Meine Kinder wissen alle ueber das Thema bescheid, kennen ihren IQ nicht (was sie leicht verbittert), aber den ungefaehren Bereich. Die H.B. habe ich ihnen mit dem Talente-Gleichnis aus der Bibel erklaert: Gott gibt einem die Begabungen, aber er will auch, dass man sie benutzt, daran arbeitet und sie foerdert. Es ist also mehr eine Verantwortung, diese Begabungen zu haben. Andere haben andere Talente und muessen eben diese benutzen.

So und zu guter Letzt, da ist noch dieser Aha-ach-deshalb-Effekt, der vielen Eltern von HB Kindern querlaeuft, sobald sie ihr Kind getestet haben: Da ist das Kind extrem laermempfindlich, gerechtigkeitsliebend, so dass es auf dem Spielplatz immer wieder in Trouble geraet, weil es Streit schlichten will. Ausserdem kann es nicht stillsitzen, ist superempfindlich gegen Ortswechsel aller Art (und gegen Etiketten in der Kleidung) - und ploetzlich lernen die Eltern, dass das mit HB zusammenhaengt, alles Ausdruecke sogenannter Uebererregbarkeiten sind und nichts damit zu tun hat, dass das Kind die Eltern verbittern will (will es nicht, kann naemlich oft nicht anders). Dazu koennen Eltern sich dann die entsprechende Literatur besorgen und Verhaltensmodifikation zum Thema "Angst vor Ortswechseln" ausprobieren.
Das hilft ungemein. Klar gibt es eine feine Linie zwischen unerzogen und uebererregbar,
die die Eltern erkennen muessen. Die meisten Eltern von HB Kindern (oft selbst HB) stellen sich aber immer und immer wieder in Frage, ob die ausgeuebte Erziehung denn auch wirklich wirklich wirklich richtig ist und ob sie auch ja nicht zu viel zugeben, wenn sie jetzt manche der Ortswechsel gelinder und schonender angehen (Genauso Uebererregbarkeit - diesmal bei den Eltern - Uebererregbarkeit ist eine schlechte Uebersetzung des englischen Overexcitability, welches schon eine schlechte Uebersetzung aus dem Polnischen ist)

In diesem Sinne: Die meisten Eltern wollen weder, dass ihr Kind HB ist oder anders ist, sie wollen keine Erklaerungen fuer schlechte Erziehung liefern oder diese mit HB erklaeren sondern einfach, das ihr Kind sozial gut klarkomt und gluecklich ist.

Habt Ihr was gemerkt: ich habe in dieser mail kein einziges Mal von akademischer Hochbegabung und Foerderung geschrieben :-)

Liebe Gruesse von Sylvia
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