Hallo Hope,
sehr vieles von dem, was du beschreibst, kenne ich von meinen Söhnen, mal von dem einen, mal vom andere

. Beide sind diagnostizierte Asperger-Autisten mit Teilleistungsstärken, der ältere im sprachlichen Bereich, der jüngere (außerdem gehörlos) beim dreidimensionalen Vorstellungsvermögen und im mathematischen Bereich.
Das "koginitv deutlich vorne, sozial-emotional deutlich hinten" kenne ich vor allem von meinem älteren Sohn. Mittlerweile ist er 9 Jahre alt, und die Höchstbegabung im sprachlichen Bereich haben wir genauso schwarz auf weiß wie die Asperger- UND die ADHS-Diagnosen. Und nachdem ich vor allem mit der Asperger-Diagnose länger gehandert habe (dass er ADHS von mir hat, war mir klar

), habe ich mich mit beiden Störungsbildern intensiv genug beschäftigt, um mir ziemlich sicher zu sein, dass alle Diagnosen korrekt sind.
Mein 9 jähriger ist aktuell sprachlich auf dem Stand eines 14jährigen, mathematisch auf dem Stand eines 11jährigen und sozial-emotional gefühlte 6 Jahre alt. Und das ist eine ziemlich krasse Herausforderung

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Die asynchrone Entwicklung hatte ich selbst übrigens auch. Ich kam nicht ins Gymnasium (trotz Vorzugszeugnis in der 4. Klasse Grundschule), weil mir laut Schulpsychologin die "soziale Reife" gefehlt hat. Tja, die hat wirklich gefehlt, trotzdem glaube ich heute rückblicken, dass Gymnasium für mich die bessere Lösung gewesen wäre. Aber meine Eltern haben damals nach bestem Wissen und Gewissen ihre Entscheidungen getroffen, genau so, wie ich das heute für meine Kinder tue. Rückblickend lässt sich eben leicht sagen "Ach, hätte man doch damals..." wenn man weiß, was bei der getroffenen Entscheidung rausgekommen ist, aber nicht, was gewesen wäre, wenn...
Zu deinen Fragen:
1. Das mit dem SPZ sehe ich genau wie du, nur dass ich die Erfahrung schon gemacht habe, dort nach ewigen Wartezeiten an eine unfähige Psychologin zu geraten und eine total falsche Diagnose zu bekommen

. Es ist auch sicher nicht bei jedem SPZ gleich, aber normalerweise sitzen dort "Generalisten", keine Spezialisten. Auch haben die SPZ-Leute viel mit Kindern aus schwierigen sozialen Verhältnissen zu tun, deren Verhalten dem von Kindern mit Wahrnehmungsstörung oft ähnelt. Wenn nicht zufällig jemdand dort ist, der wirklich Ahnung von Asperger Autismus hat, dann wissen die Leute dort weniger von Autismus als die meisten Eltern, die sich ja oft schon intensiv damit beschäftigt haben, BEVOR sie im SPZ vorstellig geworden sind. Dafür kennen die meisten Klischees, also so Dinge wie "Kann kein Autist sein, sonst würde nicht in die Augen schauen! (oder immer denselben Weg gehen wollen!"

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Vor allem wenn euch ein KJP schon ausdrücklich empohlen wurde, und auch dein Bauchgefühl das sagt, würde ich diesen Weg gehen und dem Kind damit vielleicht einige Umwege und Unklarheiten ersparen.
Nachdem die unfähige SPZ-KJP bei meinem Sohn mit 4 Jahren nach 5min sowohl ADHS als auch Autismus kategorisch ausgeschlossen hat (es war das, was ich hatte hören wollen

), hatten wir noch 3 sehr anstrengende Jahre vor uns, bis wir endlich doch die korrekten Diagnosen hatten. Und das war sowohl für unseren Sohn als auch für uns eine sehr herausfordernde Zeit.
2. Naja, "fördern" kann man da nicht. Egal, ob dein Sohn "nur" eine asynchrone Entwicklung durchmacht, ob er hochsensibel ist, oder Asperger Autist - Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht! Man kann es dem Kind leichter machen, indem man es ernst nimmt, aktiv zuhört, auch bei scheinbaren Provokationen (die bei Asperger Autisten oft auf Irrtümern beruhen) ruhig und zugewandt bleibt und vor allem dem Kind seine eigenen Bedürfnisse zugesteht, ohne sie groß verändern zu wollen.
Selbstvertrauen stärken - ist es wirklich das, was ihr wollt? Wenn ein Kind schon öfter ablehnende Erfahrungen gemacht hat, und das nicht auf seine Art (bzw. das, was es gemacht oder unterlassen hat), sondern auf sich selbst bezieht, muss nicht das SelbstVERTRAUEN sondern das Selbst(wert)gefühl gestärkt werden. Also nicht das Gefühl vermitteln "Du bist super! Wie toll du dieses/jenes kannst!" sondern eher "Du bist OK, so wie du bist!". Und das ist nicht so sehr als Aussage wichtig, wie als Gefühl.
Bevor mein älterer Sohn seine Diagnosen hatte, habe ich oft falsch agiert. Entweder habe ich sein Verhalten als Erziehungsfehler meinerseits gesehen, dann war ich zu mild und zu wenig konsequent (wobei ich damit NICHT Strafen meine!), oder ich hielt es für einen Charakterfehler seinerseits, dann war ich zu streng. Sicher hat sein Selbstgefühl darunter gelitten, obwohl ich damals in meiner Unwissenheit einiges getan habe, um sein SelbstVERTRAUEN zu stärken. Ich habe ihn z.B. sehr gelobt, wenn er was gut gemacht hat. Rückblickend hat das aber gar nichts gebracht sondern war eher kontraproduktiv. Mein Sohn hat sich auf der einen Seite gewaltig selbst überschätzt und auf der anderen aber selbst für einen Versager gehalten. Rückblickend ist mir klar, dass das auch die Folge meiner widersprüchlichen Botschaften an ihn war.
Duch die Diagnosen weiß ich, dass er vieles einfach nicht so KANN wie gleichaltrige Kinder. Durch den Widerspruch, dass er denselben Kindern in anderen Bereichen weit voraus ist, habe ich das oft nicht glauben können bzw. wollen. Jetzt versuche ich, auf seine Bedürfnisse mehr einzugehen, und auch sein Selbstgefühl ist meiner Beobachtung nach besser geworden. So wollte er z.B. Judo ausprobieren. Nachdem wir mehrere Sportarten erfolglos ausprobiert hatten, dürfte das endlich ein Erfolg sein. Vor allem aber entspricht es seinen Bedürfnissen: die Gruppe ist klein, er kennt alle anderen Kinder aus der Schule, die Anweisungen des Trainers sind klar. Aber das Training dauert 90 Minuten und bei meinem Sohn ist die Fähigkeit, sich sozial an die Gruppe anzupassen und auch noch auf die Anweisungen zu konzentrieren, schon nach der halben Zeit erschöpft. Dann beginnt er zu blödeln, stört, meckert rum,... Früher hätte ich gesagt dass er da eben durch muss. Jetzt, mit meinem Wissen um seine Defizite, habe ich mit dem Trainer vereinbart, dass ich ihn schon nach 45 Minuten Training wieder abhole. Und so passt es für ihn - und die Gruppe!
3.
Meine Jungs kuscheln beide gerne, nur war es mir bei meinem älteren Sohn lange sehr unangenehmt, weil er dabei meistens grob wurde, ohne es selbst zu bemerken. Da waren so fahrige Bewegungen, mal ein Ellenbogen im Auge, dann ein Knie im Bauch, dann wieder hat er sich (im liegen) auf meine Brust gerollt - kurz, es war eine Herausforderung, mit ihm kuscheln zu wollen. Mittlerweile ist das aber besser geworden und ich zucke nicht mehr innerlich zusammen, wenn er zum kuscheln kommt

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Mein jüngerer Sohn hingegen ist der Super-Kuschler. Er liebt es gestreichelt, massiert und gekitzelt zu werden und fordert das auch täglich intensiv ein. Sein Bruder hingegen mag z.B. kitzeln überhaupt nicht.
Wenn dein Sohn nicht kuscheln mag, akzeptiert das einfach als seine Eigenheit, unabhängig von der Ursache. Wenn sich dein Sohn ohne kuscheln bei euch wohl fühlt, ist da auch ok. Vielleicht findet ihr auch etwas anderes, was er mag (z.B.ein spezielles Spiel), um die Nähe zwischen euch und eurem Sohn zu stärken. Nähe, Halt, Trost und Sicherheit kann man auch ohne unmittelbaren Körperkontakt geben. Das kann z.B. ein Ritual sein, welches deinem Sohn hilft, in schwierigen Situationen wieder "runterzukommen".
4. Du schreibst, du kannst im Netz nichts finden. Hier ist ein Forum, wo du im Unterforum "Autismus" udn "ADHS" sicher einiges finden kannst. Natürlich sind nicht alle ADHS-ler und Asperger-Autisten hochbegabt, aber die asynchrone Entwicklung haben so ziemlich alle. Und in den Signaturen der User siehst du auch, welche Kinder zusätzlich zu ihren Besondernheiten hochbegabt sind.
https://www.rehakids.de/forum48.html
Natürlich sind da auch viele Beiträge von Kindern, die viel "schlimmer" sind als das eigene

. Aber zumindest ich habe dort etliche Paralellen zu meinen Jungs finden können. Bitte mißversteh den Link nicht! Ich kann und will hier keine Ferndiagnose abgeben. Es kann natürlich auch sein, dass dein Sohn eine asynchrone Entwicklung durchmacht, ohne eine Wahrnehmungsstörung zu haben. Aber hier ist einfach jede Menge geballte Erfahrung, die ich dir auf deine Frage hin nicht vorenthalten möchte

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Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)