ich möchte mich vorstellen. Ich heißt S., bin 32 Jahre alt und verheiratet. Ich habe zwei Töchter, A. und L. Ich wusste schon immer, dass A. eine schlaue Maus ist, aber nun wurden wir zum Kindergartengespräch geladen. A. integrierte sich am Anfang sehr schnell, fand sofort Anschluss, lief problemlos im Ablauf mit und weinte nie. Alle, so auch wir, gingen davon aus, dass es etwas damit zu tun haben würde, dass sie vorher schon in der Kinderkrippe war. Allerdings fing sie mit der Zeit an, sich immer mehr zurückzuziehen und zu verweigern, spielte immer mehr alleine, wollte auch nicht mit den anderen Kindern draußen spielen. Sie suchte immer sehr intensiv den Kontakt zu den Erzieherinnen und sie war aus der Krippe einen Betreuungsschlüssel von 1:3 gewöhnt, da dort auch immer eine Jahrespraktikanten anwesend war. Sie löcherte die Erzieherinnen mit Fragen, aber diese konnte sich auch nicht nur um A. kümmern, weil da ja noch 24 andere Kinder sind.
Uns wurde gesagt, dass A. altersuntypisch spielt. Die benutzt keine Spielsachen, sondern spielt nur mit Puzzlen, Büchern und Kuscheltieren. Als sie noch draußen gespielt hat, spielte sie stundenlang mit zwei Stöckchen und drei Steinen. Sie steht oft daneben und sieht den anderen Kindern beim Spielen zu, aber spielt auch auf Einladung nicht mit.
Manchmal wirkt sie sehr verträumt. Dann ist es wieder so, dass sie aufspringt, zu den Erzieherinnen rennt, dann ganz dringend irgendwas mitteilen muss. Sie spricht dann irgendwas ohne Zusammenhang einfach aus (z. B. irgendwas von Arielle, da wollte sie den Erzieherinnen dann vormachen, wie die Krabbe ihre Scheren bewegt). Sie wartet dann aber auch nicht auf eine Reaktion, sondern dreht sich um und geht wieder weg.
Seltsam sind auch ihre Wutanfälle, bei der man ihr die tiefste Verzweiflung anmerkt und wo sie wirklich lange braucht, bis sie sich beruhigt hat. Manchmal muss ich sie 20 Minuten im Arm halten, bis sie wieder in der Lage ist zu sprechen. Meistens habe ich vorher nicht die geringste Ahnung, warum sie so ausgetickt ist. Es sind so Dinge wie Logikfehler in einem Zeichentrickfilm oder wenn ihr Papa den Text von einem Lied absichtlich falsch singt.
Jedenfalls wurde uns vom Kindergarten gesagt, dass A. irgendeine Art von spezieller Förderung braucht. Zunächst sollen wir aber beim Gesundheitsamt einen Test auf Autismus machen lassen.
Bis zum Kindergarteneintritt schien sie mir ein normal entwickeltes Kind zu sein, was in manchen Dingen einfach sehr eigen war. Seitdem sie aber im Kindergarten ist, werden die Fragen, die sie stellt auch immer komischer. Heute hat sie mich zum Beispiel gefragt, warum ich so viel weiß und wann sie auch so viel weiß wie ich. Wenn ich nachmittags mit beiden Kindern allein bin, stellt sie mir den ganzen Nachmittag Fragen über Fragen, wenn sie überhaupt mit mir was spielen will, dann ist das Puzzlen. Sie puzzelt jetzt mit 100 Teilen, wobei sie mir oft die Teile schon aus der Hand reißt und sie selber legt, weil es bei ihr einfach schneller geht. Wenn nicht, dann will sie etwas vorgelesen bekommen. Alle Gesellschaftsspiele, die für Vierjährige empfohlen werden, macht sie bis jetzt nicht mit.
Achja, sie nimmt übrigens immer unsere Waschlappen und die Socken von ihrem Vater und verpackt damit Sachen, die sie widerum in Schubladen oder Schüsseln verstaut (die sie sich selbst aus der Küche holt). Sie baut sich so Hamster-Nester. Einmal habe ich beim Aufräumen die Sachen wieder herausgeholt und an ihrem Bestimmungsort zurückgebracht, woraufhin sie wieder mit einem Wutanfall reagiert hat. Danach haben wir sie erstmal machen lassen, aber als sie anfing, unsere Schlüssel zu verpacken, haben wir eine Grenze gesetzt. Unsere gesamte bewegliche Weihnachtsdeko wurde verpackt und verstaut. Und tauchte dann teilweise im Kopfkissen oder in den Schuhen wieder auf. Sie weiß aber ganz genau, wo jeder einzelne Gegenstand ist.
Aber ganz oft, wenn sie wirklich so richtig platt ist, will sie unbedingt nur noch Fernsehen gucken. Bei uns gibt es allerdings kein Fernsehen live, sondern nur Kinderserien und -Filme auf DVD. Wir haben mittlerweile das Gefühl, dass sie diese Auszeiten braucht, um ihr Gehirn zu rebooten. Sie schaut eigentlich über Monate immer wieder dieselben Folgen derselben Serie. Immer drei Folgen, danach macht sie den DVD-Player selbst aus, auch wenn sie zwischendurch mal zur Toilette muss, schaltet sie auf Pause. (Die ersten zwei Jahre durfte sie überhaupt nicht fernsehen.)
Dann hat sie noch 2 Filme "Arielle, die Meerjungfrau" und "Die Schöne und das Biest". Die hat sie schon 20 Mal gesehen und will immer wieder, dass ich mir den Film mit ihr zusammen ansehe. Sie stellt mir dabei die ganze Zeit Fragen und es hängt mir zum Hals raus. Sie hat aber passend zu den Filmen auch noch die Bücher, wenn sie den Film nicht sehen darf, holt sie die Bücher raus und fragt mich aus.
Wegen der Disney Filme will sie jetzt auch Englisch und Französisch lernen und fragt mich bei jedem Lied im Radio, welche Sprache das jetzt ist. Ich habe es mal ausprobiert und sie spricht die Französischen Eigennamen schon ganz verständlich nach (Lumiere, Madame Pottine, Tassilo, Gaston und Majestro Forte).
Als wir dem Weihnachtsmann einen Brief geschrieben haben, wollte sie, dass ich ihr auch schreiben beibringe, denn sie wollte einen Brief an ihren Freund Johannes schreiben. Ich habe ihr aber gesagt, dass sie damit noch bis zur Schule warten muss.
Ich mache eigentlich so gut wie nichts, um mein Kind zu fördern, auch weil ich ja noch ein kleines Baby zu betreuen habe. Aber ich habe das Gefühl, sie wird langsam schrullig, denn weil sie so wenig Vorgaben bekommt, denkt sie sich andauernd ihre eigenen Spiele aus. Ich weiß, dass vieles ganz normal ist, aber irgendwie habe ich das Gefühl, in ihr brodelt etwas, das raus will.
Ich will mich nicht aufschwingen und einfach dreist behaupten, dass mein Kind hochgegabt ist, aber sie ist auf jeden Fall so klug, dass es anstrengend ist.

Ich hoffe, dass ich hier Anregungen finden kann, wie ich mit den Fähigkeiten und Begabungen meines Kindes umgehen kann, ohne sie in eine Richtung zu drängen oder zu überfordern.