Ich bin auch neu hier - dabei habe ich gar keine Kinder .
Aber ich unterrichte ein hochbegabtes Kind in Englisch und habe daher in den letzten Wochen über Fachliteratur versucht, mich ein bißchen schlauer zu machen über das Thema Hochbegabung, da ich im Nachhilfeunterricht auch immer wieder an meine Grenzen stoße. Mein Schüler ist 10 Jahre alt, ich unterrichte ihn derzeit zweimal die Woche, einmal in einem Nachhilfeinstitut in einer 4er-Gruppe, einmal privat zuhause. Der Unterricht in dem Institut endet bald - er bringt nämlich eigentlich so gut wie gar nichts, weil ich dort leider in erster Linie auf Disziplin achten muss, damit die anderen Kinder nicht beim Arbeiten gestört werden. Der Lütte braucht da erheblich mehr Aufmerksamkeit, Erklärung und Beschäftigung, ist sehr bewegungsaktiv (sofern das das Fachwort für Über-Tische-und-Bänke-klettern ist )und stört die anderen Kinder leider sehr, schon dadurch, daß er sich Aufgaben unterbewußt laut vor sich herplappernd selbst erklärt. An meine Grenzen stoße ich leider mittlerweile auch bei Unterrichtsmaterial, wie hier auch schon öfter beschrieben, langweilen ihn die Standardsachen zu Tode. Stumpfes Ausfüllen von Lückentexten ? Er versteht zB die Zeitensystematik nach einmaliger Erklärung und rattert dann die Übungen herunter, in Null-Komma-Nix, aber leider immer wieder mit Fehlern, weil er meint, ökonomisch vorzugehen brächte am meisten - also liest er die umgebenden Texte nicht und trappt prompt in Fallen. Dementsprechend sehen auch die Englischnoten aus. Mittlerweile hat er dank Schulfrust einen allumrundenden Zorn auf Englisch entwickelt, von dem ich ihn natürlich wieder versuche herunterzubringen.
Ich bin dankbar für jeden Tipp, v.a. abwechslungsreiches Unterrichtsmaterial (er ist jetzt in der 5. Klasse Gymnasium, soll aber in die 7. Klasse springen, da kommt noch einiges an Stoffbewältigung auf uns beide zu...) oder entsprechende Links fehlen mir. Ihr habt da sicherlich schon viel mehr Erfahrungen !
Schön, dass sich manche Lehrer wirklich tiefergehend mit den Schülern auseinandersetzen!!!
Zum Thema Englischfrust würde ich im Privatunterricht etwas weg vom normalen schulunterricht gehen, dami
t er wieder Freude an der Sprache findet!!!
z.B.:
- Schwerpunkt auf mündliche Konversation (anspruchsvolle Ausdrucksweise und Diskussionen!)
- arbeiten mit aktuellen Liedtexten (ev. umgangssprachliche "Grammatikfehler" finden) - nicht nur Übersetzen, auch umändern, in andere Zeiten setzen, Liedstrophen anfügen, aus anderen Sichtweisen oder Personalformen erzählen, ...
- arbeiten mit aktueller Literatur und englischen Original-Jugendzeitschriften
- statt einfach Lückentext ausfüllen: Speed-Übungen (Aufgaben im Wettlauf mit der Zeit lösen: wie viel Richtige in den vorgegebenen 5 oder 10 Min? ev. auch später Abzüge für Falsche, damit er sich mehr anstrengt
- motorische Übungen einbauen: z.B.: beim Vokabelpauken mit einem Ball an die Wand prellen, die Zeiten auf Stiegen aufkleben und bei diversen Satzangaben auf die richtige Stiege springen, Grammatiksätze mit Gummitwist-hüpfen aufsagen und verinnerlichen, Sätze in Zeiten setzen bei z.B.: Basketball in action, bei mündlichen Aufgaben um Hütchen dribbeln usw. (wenn er ein motorischer Typ ist, geht da eine Menge ins Hirn und die Theorie ist dann nur halb so fad;
- seine Interessensgebiete auf Englisch diskutieren und bearbeiten, ev. Referat dazu ausarbeiten
- im Dialog Bewerbungsgespräche, Überzeugen lassen, weshalb er für eine Aufgabe wie geschaffen ist oder weshalb er einen Auftrag nicht gut findet;
- Fortsetzungsgeschichten: einer fängt die Story (oder auch Brief, Sachthema o.ä.) an, gibt an den anderen weiter, der nahtlos ein Stück fortsetzt, dann wieder der erste oder ein weiterer Schüler usw. (in der Schule entstehen dabei schriftliche Texte, jeder S fängt einen an und arbeitet dann reihum bei den anderen jeweils einen kurzen Teil, dann die GEsamtwerke verlesen, dabei nur grobe Fehler ausbessern;)
so, das war, was mir auf die Schnelle so einfällt.
Wichtig ist, glaub ich, dass die Schule mehr positiv bestärkt als ausbessert! Wenn man immer wieder zu viel zurückgewiesen wird, bekommt man eher Hemmungen und der richtige Sprachgebrauch kommt ja viel mehr durch aktives Tun als durch Theorie und Fehler ausbessern. Natürlich muss man Grundlagen schaffen, teilweise analysieren und richtigstellen. Aber die Erfahrung zeigt doch, dass die beste Schule das Anwenden selbst ist, und da gilt es, so viel wie möglich zu sprechen und ungehemmt zu schreiben! Lieber nur manche Texte verbessern, die dann in Reinschrift präsentiert werden (Wandzeitung, Schülerzeitung, Klassenjahrbuch u.ä.), und mit verbalen Tips beim Schreiben aufwarten als immer nur den Rotstift ansetzen, oder ? Vielleicht kann man das Gleichgewicht dann weg vom überprüfenden Lehrer zum Coach und Mentor verschieben und den Schülern mehr eigenständige Arbeit und Freude am Spracherwerb beibringen?
Natürlich habe ich keine Ahnung vom Oberstufenunterricht, aber ich weiß, dass ich mich damals sehr gelangweilt habe. Ich selbst hätte ohne den Druck und das fade PAuken wesentlich lieber eine Sprache gelernt und die Fortschritte, die ich jemals in Englisch gemacht habe, waren sicher nicht in der Schule, sondern im freien Dialog (mit Nativspeakern und in den Ferien), bei Liedtexten und Literatur. ..
Deshalb bitte nicht böse sein, wenn die Ideen sehr subjektiv gefärbt sind....
Viel Erfolg mit dem Schüler und bitte das tolle Engagement für die Schule aufrechterhalten, es braucht viel mehr solche Lehrer! Danke!