Dem Kind die Hochbegabung ansehen?
Verfasst: Fr 13. Mai 2016, 23:10
Guten Tag!
Vielleicht erst mal der Reihe nach bzw. meine ursprüngliche Frage zuerst:
Ist es wirklich möglich, einem Kind "Intelligenz" anzusehen, insbesondere einem Säugling? Wann haben Außenstehende in Bezug auf Eure hochbegabten oder jedenfalls überdurchschnittlich klugen Kinder Vermutungen in Bezug auf deren Intellekt angestellt?
Ein bisschen absurd finde ich es schon, als Mutter eines sieben Monate alten Kindes bereits in Richtung Hochbegabung zu denken. Nein, ich habe kein Wunderkind, das mit sieben Monaten bereits spricht oder sonstwie auffällig ist - für mich auffällig waren bisher immer nur die Reaktionen der anderen.
Sie war vier Monate alt, als eine auf Mutter-Kind-Bindungsstörungen spezialisierte Psychiaterin (ich hatte da so gewisse Anlaufschwierigkeiten nach komplikationsreicher Schwangerschaft und Geburt) meine Tochter lange musterte und dann sagte "Dieses Kind ist wahnsinnig gscheit."
Mein Denken ging eher in die Richtung: "Das schmeichelt mir natürlich. Sowas kriegen aber sicher viele Mütter hier gesagt. Sagt man was positives, "besonderes" über das Kind, ist die Mutter gleich viel zugänglicher."
Bis heute hatte ich nicht mehr weiter darüber nachgedacht. Heut hat ein Nachbar meine Tochter zum ersten Mal gesehen und lange in den Kinderwagen gestarrt. "Dieses Kind ist sehr gescheit" hat er gesagt. "Es hat den selben Blick wie mein Sohn als Baby."
"Aha. Bisschen Smalltalk halt." hab ich mir gedacht. Minuten später kam dann seine Frau, die meine Tochter auch noch nicht kannte, blickte in den Kinderwagen, starrte meine Tochter an und sagte ohne zu wissen worüber wir gerade gesprochen hatten: "Dieses Kind ist sehr gescheit."
Das wäre mir insofern nicht so ins Auge gestochen und gedanklich als schmeichelhaft, aber wurscht ad acta gelegt worden, wenn es irgendwer gesagt hätte. Dieses Ehepaar ist aber nicht irgendwer, sondern sie sind Eltern von zwei hochbegabten Söhnen, die beide in irgendwelchen Sonderförderprogrammen sind, mit 11 und 13 bereits mehrere Klassen übersprungen haben usw.
Bisher haben also drei einigermaßen mit der Materie vertraute Menschen völlig unabhängig voneinander mein Kind angestarrt und alle das selbe gesagt. "Dieses Kind ist nicht wie andere Kinder." Mag sein, keine Ahnung, ich habe wenig mit anderen Babys zu schaffen.
Insgeheim tu ich mir mit diesen Aussagen allerdings schon schwer: Kann man wirklich Blickdiagnosen stellen, an einem Baby noch dazu?
Nun, ich werde jetzt nirgendwo hin laufen und meine Tochter durchtesten lassen oder zum MandarinChinesisch Kurs für unter Einjährige schicken - aber diese Begebenheit heut hat bei mir etwas angestoßen:
Wenn meine Tochter wirklich ein so kluges Kind wäre, würde ich es dann erkennen und wahr haben wollen? Sollte ich mich nicht vielleicht mit meiner eigenen Geschichte auseinander setzen, um nicht ein altes Familienmuster zu wiederholen?
Es sei dazu gesagt, dass ich selbst als Kind immer zumindest als sehr begabt galt, unspezifisch begabt, anders halt. Eine Achtjährige, die Theaterstücke schreibt und in der Schule aufführt etwa. Die Reaktionen darauf waren halt zumeist "Sie ist halt so."
Meine Schulkarriere verlief durchwachsen und blieb mir letztlich massiv negativ in Erinnerung. Versuchskaninchen für Direktor und Psychologieprofessorin, die mich mit 15 als eine von 4 Schülern an der Schule zu einem Intelligenztest schickten, der dann nicht erwartungsgemäß ausfiel (Mir zwar eine gratis Sommerakademie, aber auch viel soziale Ausgrenzung und Neid einbrachte). Ich war etwas unter der 130er Messlatte und damit eine Enttäuschung - Das und ein paar andere Dinge haben sich in dem Zusammenhang quer durch mein Leben gezogen.
Und ich denke diese Diskrepanz zwischen Alle hielten mich für ein sehr kluges Kind, das eh alles von sich aus macht und keiner Förderung bedarf - und dem Scheitern an den Ansprüchen, dass ein kluges Kind aber dieses und jenes können muss und soll spielen durchaus eine tragende Rolle in meinem sehr wackeligen Werdegang, der bis in die 30er auch viele heftige Tiefen mit sich brachte.
Auch der Vater meiner Tochter hat eine ähnliche Geschichte. Einige Menschen in unseren Familien haben ähnliche Geschichten.
Erst im Zuge eines spontanen "Was wäre, wenn meine Tochter wirklich ein überdurchschnittlich kluges Kind wäre?" heut im Hausflur wurde mir bewusst, wie ablehnend ich dem Thema gegenüber stehe, wie negativ ich Schule bewerte und wie sehr ich mich gedanklich gegen Förderung und Co. sträube
Nicht, dass da bei einem sieben Monate alten Kind bereits ernsthaft was zu fördern wäre, aber in allen zukünftigen langfristigen Entscheidungen in Bezug auf Kindergarten und später Schule, so sie ansatzweise schon Form gefunden haben, tendierte ich, wie ich nun erkennen muss, zu einem Weg, der im Grunde meinem eigenen Bildungsweg in jungen Jahren gleicht.
Würde ich meine Tochter, der ich ersparen möchte, später auch der obergscheite, schwierige Freak zu sein, so sie denn das Zeug dazu hätte, nicht unbewusst geradezu in genau die selbe Schiene drängen?
Bisschen viel Überlegungen für gerade mal sieben Monate neuer Mensch und dennoch: klar, sie hat einige Menschen in der Familie die zumindest in Richtung überdurchschnittlich begabt in einigen Bereichen gehen, theoretisch könnt sie also durchaus in diese Kerbe schlagen.
Würde ich es sehen wollen? Könnte ich mich darauf einlassen? Ab wann war das für andere klar, wenn das Kind "anders" war? Sollte ich näher hinsehen, für den Fall dass…?
Oder lass ich die Leut weiter reden, steiger mich nicht in die Lektüre von einschlägigen Internetforenberichten rein und warte einfach, was auf uns zu kommt?
Vielleicht erst mal der Reihe nach bzw. meine ursprüngliche Frage zuerst:
Ist es wirklich möglich, einem Kind "Intelligenz" anzusehen, insbesondere einem Säugling? Wann haben Außenstehende in Bezug auf Eure hochbegabten oder jedenfalls überdurchschnittlich klugen Kinder Vermutungen in Bezug auf deren Intellekt angestellt?
Ein bisschen absurd finde ich es schon, als Mutter eines sieben Monate alten Kindes bereits in Richtung Hochbegabung zu denken. Nein, ich habe kein Wunderkind, das mit sieben Monaten bereits spricht oder sonstwie auffällig ist - für mich auffällig waren bisher immer nur die Reaktionen der anderen.
Sie war vier Monate alt, als eine auf Mutter-Kind-Bindungsstörungen spezialisierte Psychiaterin (ich hatte da so gewisse Anlaufschwierigkeiten nach komplikationsreicher Schwangerschaft und Geburt) meine Tochter lange musterte und dann sagte "Dieses Kind ist wahnsinnig gscheit."
Mein Denken ging eher in die Richtung: "Das schmeichelt mir natürlich. Sowas kriegen aber sicher viele Mütter hier gesagt. Sagt man was positives, "besonderes" über das Kind, ist die Mutter gleich viel zugänglicher."
Bis heute hatte ich nicht mehr weiter darüber nachgedacht. Heut hat ein Nachbar meine Tochter zum ersten Mal gesehen und lange in den Kinderwagen gestarrt. "Dieses Kind ist sehr gescheit" hat er gesagt. "Es hat den selben Blick wie mein Sohn als Baby."
"Aha. Bisschen Smalltalk halt." hab ich mir gedacht. Minuten später kam dann seine Frau, die meine Tochter auch noch nicht kannte, blickte in den Kinderwagen, starrte meine Tochter an und sagte ohne zu wissen worüber wir gerade gesprochen hatten: "Dieses Kind ist sehr gescheit."
Das wäre mir insofern nicht so ins Auge gestochen und gedanklich als schmeichelhaft, aber wurscht ad acta gelegt worden, wenn es irgendwer gesagt hätte. Dieses Ehepaar ist aber nicht irgendwer, sondern sie sind Eltern von zwei hochbegabten Söhnen, die beide in irgendwelchen Sonderförderprogrammen sind, mit 11 und 13 bereits mehrere Klassen übersprungen haben usw.
Bisher haben also drei einigermaßen mit der Materie vertraute Menschen völlig unabhängig voneinander mein Kind angestarrt und alle das selbe gesagt. "Dieses Kind ist nicht wie andere Kinder." Mag sein, keine Ahnung, ich habe wenig mit anderen Babys zu schaffen.
Insgeheim tu ich mir mit diesen Aussagen allerdings schon schwer: Kann man wirklich Blickdiagnosen stellen, an einem Baby noch dazu?
Nun, ich werde jetzt nirgendwo hin laufen und meine Tochter durchtesten lassen oder zum MandarinChinesisch Kurs für unter Einjährige schicken - aber diese Begebenheit heut hat bei mir etwas angestoßen:
Wenn meine Tochter wirklich ein so kluges Kind wäre, würde ich es dann erkennen und wahr haben wollen? Sollte ich mich nicht vielleicht mit meiner eigenen Geschichte auseinander setzen, um nicht ein altes Familienmuster zu wiederholen?
Es sei dazu gesagt, dass ich selbst als Kind immer zumindest als sehr begabt galt, unspezifisch begabt, anders halt. Eine Achtjährige, die Theaterstücke schreibt und in der Schule aufführt etwa. Die Reaktionen darauf waren halt zumeist "Sie ist halt so."
Meine Schulkarriere verlief durchwachsen und blieb mir letztlich massiv negativ in Erinnerung. Versuchskaninchen für Direktor und Psychologieprofessorin, die mich mit 15 als eine von 4 Schülern an der Schule zu einem Intelligenztest schickten, der dann nicht erwartungsgemäß ausfiel (Mir zwar eine gratis Sommerakademie, aber auch viel soziale Ausgrenzung und Neid einbrachte). Ich war etwas unter der 130er Messlatte und damit eine Enttäuschung - Das und ein paar andere Dinge haben sich in dem Zusammenhang quer durch mein Leben gezogen.
Und ich denke diese Diskrepanz zwischen Alle hielten mich für ein sehr kluges Kind, das eh alles von sich aus macht und keiner Förderung bedarf - und dem Scheitern an den Ansprüchen, dass ein kluges Kind aber dieses und jenes können muss und soll spielen durchaus eine tragende Rolle in meinem sehr wackeligen Werdegang, der bis in die 30er auch viele heftige Tiefen mit sich brachte.
Auch der Vater meiner Tochter hat eine ähnliche Geschichte. Einige Menschen in unseren Familien haben ähnliche Geschichten.
Erst im Zuge eines spontanen "Was wäre, wenn meine Tochter wirklich ein überdurchschnittlich kluges Kind wäre?" heut im Hausflur wurde mir bewusst, wie ablehnend ich dem Thema gegenüber stehe, wie negativ ich Schule bewerte und wie sehr ich mich gedanklich gegen Förderung und Co. sträube
Nicht, dass da bei einem sieben Monate alten Kind bereits ernsthaft was zu fördern wäre, aber in allen zukünftigen langfristigen Entscheidungen in Bezug auf Kindergarten und später Schule, so sie ansatzweise schon Form gefunden haben, tendierte ich, wie ich nun erkennen muss, zu einem Weg, der im Grunde meinem eigenen Bildungsweg in jungen Jahren gleicht.
Würde ich meine Tochter, der ich ersparen möchte, später auch der obergscheite, schwierige Freak zu sein, so sie denn das Zeug dazu hätte, nicht unbewusst geradezu in genau die selbe Schiene drängen?
Bisschen viel Überlegungen für gerade mal sieben Monate neuer Mensch und dennoch: klar, sie hat einige Menschen in der Familie die zumindest in Richtung überdurchschnittlich begabt in einigen Bereichen gehen, theoretisch könnt sie also durchaus in diese Kerbe schlagen.
Würde ich es sehen wollen? Könnte ich mich darauf einlassen? Ab wann war das für andere klar, wenn das Kind "anders" war? Sollte ich näher hinsehen, für den Fall dass…?
Oder lass ich die Leut weiter reden, steiger mich nicht in die Lektüre von einschlägigen Internetforenberichten rein und warte einfach, was auf uns zu kommt?