Koschka hat geschrieben:@Rabaukenmama
Das ist alles richtig, Aber man kann nicht jedes Kind voller Entwicklungsdiagnostik unterziehen. Auch nicht jedes vermuttlich hochbegabtes. Das funktioniert einfach nicht, weil nicht genug Kapazität vorhanden ist. Wir sind uns schon einig, dass ein reiner IQ-Test wenig bringt. Für die ganze Entwicklungsdiagnostik muss man sich an eine kompetente Stelle wenden, in Deutschland SPZ, die eine ganze Reihe Tests aus allen Bereichen mit dem Kind durchführt und ihre Ergebnisse vorstellt. Weil sie wenig Erfahrung mit Begabung haben, sind die Diagnosestellung/Ausschluss nicht unbedingt richtig. Wartezeit für so einen Termin beträgt bis zu einem halben Jahr, dabei wird dieser Platz in dem Terminkalender vielleicht einem Kind weggenommen, das es viel nötiger hat.
Warum KANN man nicht jedes Kinder einer vollen Entwicklungsdiagnostik unterziehen? Klar, es macht nicht bei jedem Kind Sinn, aber Goldstorms Tochter dürfte nach der Beschreibung abgesehen von einer etwaigen Hochbegabung auch einige Schwierigkeiten haben. Und Goldstorm wohnt in Österreich, wo es anders läuft, als in Deutschland. Meine Empfehlung, das KH für barmherzige Brüder in Linz, macht ausgezeichnete, professionelle Entwicklungsdiagnostik mit einem multidisziplinärem Team und ist außerdem auf Wahrnehmungsstörungen spezialisiert. Das kann man nicht mit einem beliebigen SPZ-Arzt (der auf Grund der Bandbreite der Kinder zwangsläufig eher oberflächlich arbeitet) vergleichen!
Meine Jungs hatten beide mit 4 Jahren erstmals eine Entwicklungsdiagnostik, und BEIDE Male war es nicht auf mein Betreiben hin, sondern beim älteren Sohn aufgrund einer Empfehlung vom Kindergarten (wegen Auffälligkeiten im Verhalten) bzw. beim jüngeren Sohn von der Frühförderin (wegen konkretem Verdacht auf Autismus). Gerade bei meinem älteren Sohn hätte man damals sagen können "Lassen wir mal, so toll sind die Auffälligkeiten auch wieder nicht, vielleicht nimmt er ja einem Kind dann den Platz weg, welches die Diagnostik nötiger braucht...". Tatsächlich war diese erste Diagnostik der totale Reinfall und hat nichts gebracht, vor allem, weil die Psychologin die unfähigste Person ihres Berufszweiges war, die ich je erlebt habe (und mittlerweile sind das einige). Aber das ändert nichts am Hintergrund der Untersuchung. Hätten wir damals mehr Glück gehabt, wären wir mit den extremen Verhaltensmustern im folgenden Jahr vermutlich anders umgegangen und hätten uns vielleicht einiges an Streß und Nerven erspart...
Grundsätzlich macht eine Untersuchung bei einem Kind dann Sinn, wenn was auffällig ist. Hochbegabung allein ist noch nicht auffällig und auch nicht die Ursache von Problemen. Goldstorm besucht seit geraumer Zeit eine Erziehungsberatung und ich gehe davon aus, dass das nicht geschieht, weil das Kind so pflegeleicht und "einfach" ist. Und im Gegensatz zu anderen (medizinischen) Untersuchungen gibt es bei einer Entwicklungsdiagnostik keine Risiken (außer vielleicht, eine unfähige Psychologin zu "erwischen"
). Wenn es danach heißt "Alles bestens, ihr Kind ist gesund und außerdem noch klug!" ist auch kein Schaden passiert.
Koschka hat geschrieben:Ich war mit einem meiner Kinder bei einer Erziehungsberatungsstelle. Sie haben mit ihm einen IQ-Test gemacht, dessen Ergebnisse nicht auswertbar waren, sie haben mir eine Menge unbrauchbare Tipps aus den Erziehungsratgebern gegeben. Mir wurde es auch vorgeschlagen, das Kind bei SPZ vorzustellen. Da ich wegen des Geschwisterkindes weiß, mit was für Problemen sie sich dort beschäftigen und was für Wartezeiten dort anfallen, habe ich mich bewusst dagegen entschieden. Mein Kind ist alles andere als typisch oder einfach. Es ist auch schon viel älter als 5, ich kenne den IQ nicht und will es nicht wissen. Nicht weil ich Angst vor der Zahl oder nicht Zahl habe, sondern weil es nicht weiter hilft und ich auch nicht die Zahl vor Augen, sondern das Kind sehen möchte. Aber auch weil ich weiß, dass ich nicht der Psychotherapie (nett ausgedruckt heißt es Verhaltenstherapie) noch der medikamentösen Therapie der Impulsivität zustimmen würde.
Koschka, das sind DEINE Erfahrungen und DEINE Entscheidungen! Bitte gesteh anderen Menschen zu, ihre eigenen Erfahrungen zu machen und Entscheidungen zu treffen! Was die Zahl (IQ) betrifft ist sie mir auch nicht wichtig, wenn aber mal bei meinem älteren Sohn ein IQ festgestellt werden sollte, wird das bei mir definitiv nichts daran ändern, wie ich ihn sehe. Aber gerade im Bereich Wahrnehmungsstörung definiert oft die Gesellschaft, was noch "normal" und was schon "auffällig" ist. Nur, weil eine Diagnose da ist, muss ich als Mutter noch lange keiner Psychotherapie oder medikamentösen Behandlung zustimmen. Und ich bestimme immer noch selbst, wem ich von der Diagnose erzähle und wem nicht. Was den Unterschied macht ist, dass es den meisten Menschen (mir eingeschlossen) leichter fällt, bestimmte Verhaltensweisen zu aktzeptieren, wenn eine Diagnose da ist. Der zweite Unterschied ist, dass man die Umgebung dem Kind besser anpassen kann, wenn die Diagnose (einem selbst) bekannt ist. Es mag Menschen geben, die dafür keine Diagnose brauchen und das alles auch so hinbekommen. Aber andere Dinge gibt es einfach nur mit Diagnose, z.B. (wenn nötig) Schulbegleitung oder, im Fall meines älteren Sohnes, ein spezieller Hort, wo er so angenommen wird, wie er ist.
Koschka hat geschrieben:Geht man zu einem KJP mit einem Kind, das vielleicht erziehungstechnisch schwierig aber ansonsten glücklich und zufrieden ist, läuft man das Risiko, eine Diagnose zu bekommen, die man nicht erwärtet hat. Das kann das Leben ordentlich beeinflussen, und nicht nur im positivem Sinne. Hat man wirkliche Probleme, die weit über reine Neugier und anstrengende Erziehung hinaus gehen, soll man wirklich eine geeignete Stelle suchen. Hofft man durch eine nette Ferststellung "ihr Kind ist begabt" und Extraförderung Probleme zu lösen, soll man es lieber sein lassen. Ich kenne kein einziges Kind bei dem Extraförderung irgenein Verhaltensproblem gelöst hat.
Geht man zu einem Augenarzt mit einem Kind, wo bisher noch keine Fehlsichtigkeit aufgefallen ist, kann auch sein, dass man aus allen Wolken fällt, wenn es plötzlich heißt "Ihr Kind ist kurzsichtig und braucht eine Brille!". Klar kann man dann immer noch sagen "Ach nein, nicht nötig, bisher ist mein Kind auch gut ohne Brille ausgekommen!" - aber wer macht das schon? Egal, worum es geht: durch eine Diagnose werden natürlich keine Probleme gelöst, es wird maximal eine Ursache herausgefunden. Mit diesem Wissen kann man dann anders an den bestehenden Problemen arbeiten bzw. damit umgehen, als ohne Diagnose.
Im Prinzip geht es aber auch nur darum, für mich (als Mutter) eine Art "Gerüst" zu finden, auf dessen Basis ich mit den Besonderheiten meiner Kinder umgehen kann. Ich kann sagen "Ich agiere soundso weil mein Kind ein autonomes Kind ist" oder "Ich agiere sonundso weil mein Kind Autist ist" oder auch "Ich agiere soundso (ohne Begründung)".
Zumindest mir als Mutter fällt es leichter, die Hintergründe zu kennen. Was ich kenne kann mir nicht so viel Angst machen. Mittlerweile habe ich Eltern kennengelernt, die ständig Gründe suchen, bei ihren verhaltensauffälligen Kindern NICHT in Richtung Wahrnehmungsstörung schauen zu müssen, weil sie Angst vor einer Diagnose haben. Das erspare ich mir. Ich kenne die Diagnosen und habe gelernt, sie als Diagnosen und nicht als Urteile zu sehen. Ehrlich gesagt fällt es mir mit dem Wissen, dass auch mein älterer Sohn Autist ist, leichter, zu akzeptieren, wenn er sich wieder mal unangemessen verhält. Natürlich werde ich trotzdem immer wieder als "unfähig, ein Kind zu erziehen" gesehen. Ich muß das aber weder aufklären noch mich rechtfertigen. Auch diese Phasen habe ich schon hinter mir. Mittlerweile reicht es, selbst zu wissen, was dahinter steckt, dass meine Jungs so sind, wie sie sind.
Gerade beim älteren Sohn, der ja augenscheinlich in ganz vielen Bereichen sehr schlau ist, fällt mir Toleranz jetzt leichter. Ich selbst hatte als Kind ähnliche Begabungen und ähnliche Probleme. Und bei mir hieß es immer "Die xxx ist so gescheit, die müsste ja wissen, dass man dasundjenes nicht macht!". Unsinn, IQ und sozial-emotionale Fähigkeiten sind voneinander unabängig! Wenn mein 8jähriger kognitiv auf dem Stand eines 11jährigen und sozial-emotional auf dem Stand eines 5jährigen steht, kann ich daran verzweifeln oder es akzeptieren.