KL 3 überspringen / Ungewohnte Situation / Umfeld
Verfasst: Sa 8. Aug 2020, 10:07
Hallo zusammen,
meine Tochter wird nach den Ferien von Klasse 2 in 4 springen. Wirklich wundern tut es uns nicht, trotzdem hat es viel mit uns als Familie angestellt und im normalen Bekanntenkreis ist einfach klein Platz dafür. Daher freue ich mich, hier eine vertrauenswürdige Runde zu finde.
Ich fange mal von vorne an. Unser Tochter (Einzelkind) wird im Oktober 9 Jahre alt und war schon immer sehr "fit". Mit 10 Monaten konnte sie Babyzeichensprache (hatte ich mit ihr aus Langeweile meinerseits gemacht) und auch schon komplexere Sachverhalte erfragen. Mit 1 Jahr ging sie in gerne in ihre schnuckelige kleine und liebevolle Krippe, sprach mit 18 Monaten fließend ganze Sätze, kannte alle Farben und war kognitiv immer sehr fit (habe zuletzt mal alle Entwicklungsberichte gelesen). In der Krippe flackerte sogar mal eine "Buchstabenphase" auf, d.h. sie konnte mit 2 die Buchstaben auf dem Kissen lesen. Mit 2,5 Jahren erklärte sie der Erzieherin was Diabetes sei oder dass sie nicht aufräume könne, sie habe Rheuma. Im Kindergarten brauchte sie lange, um mit den Kindern warm zu werden. Mit den Erzieherinnen konnte sie einfach besser reden. Sie malte auffällige Bilder, z.B. Blumenwiesen immer mit Gesteinsschichten darunter (Magma, Gestein, Erde, Wiese, Blumen) bis ihr die anderen Kinder erklären, dass so die Wiese nicht richtig sei. Mit 5 puzzelte sie ausdauernd ihre 1.000er-Puzzles. Schon im Kiga interessierte sie sich sehr für politische und philosophische Fragen, was nach dem Tod passiert, wie man Kapital gerechter verteilen könnte.
Rückblickend ergibt vieles Sinn, damals konnte ich das nicht einordnen, da sie unser einziges Kind ist und wir keine Kinder im Bekanntenkreis haben. Okay, die anderen Kinder waren sprachlich nie so weit wie sie, aber man sagt ja immer, dass die Bandbreite riesig ist und jedes Entwicklungsniveau okay ist. Und man möchte ja auch nicht angeben. Es ist ja eigentlich sozial erwünschter, tief zu stapel und davon zu reden, was ein Kind alles nicht kann und wo der Schuh drückt.
Früher eingeschult haben wir sie (leider) nicht. Mein Mann hatte negative Erfahrungen gemacht, weil er immer der Kleinste war und wir wollten sie nicht um ihre drei Freundinnen bringen. Beim Einschulungstest verzweifelte sie an den Formen-/Farbplättchen, weil sie diese nicht multiplizieren konnte. Abzählen hätte ja auch gereicht. Sie wusste, dass man das irgendwie kann, bekam es aber nicht hin. Heute sagt sie, dass sie schon in der Vorschule locker im Raum bis 20 rechnen konnte, aber das hat man da ja nie gemacht und sie wusste nie, ob man sie auslache.
Meine Tochter ist ein sehr braves, angepasstes Kind. Sie beachtet alle Regeln, schon fast zwanghaft, und würde daher nie aus der Reihe tanzen. D.h. sie macht alles brav, auch wenn sie es blöd findet. Obwohl sie ein sehr extrovertiertes Kind ist, es nur aus ihr raussprudelt und gerne mit uns in der Familie diskutiert. Als wüsste sie, was wo von ihr verlangt wird.
In der Schule flutschte es daher auch nur so. Sie musste sich nie anstrengen, arbeitete selbständig und sorgfältig. Doch in KL 1 brachte sie sich Mathe selber bei, nicht immer zu unserer Freude, weil man nicht eine Rechenmethode auf den nächsten Zahlenraum oder Rechenoperation übertragen kann. Ich habe die Lehrerin (erst kurz im Schuldienst) drauf hingewiesen. Zum einen, weil das echt Diskussionen und Konflikte in der Familie entfachte (von uns wird nichts angenommen, nur von der Lehrerin) und weil ich nicht wollte, dass sie sich was falsch beibringt. Vor lauter Langeweile im Unterricht, wie sich herausstellte. Es sollte immer mal die Förderlehrerin drauf schauen, dann sollte ein Förderplan geschrieben werden, aber nichts passierte, weil die Lehrerin mit den verhaltensauffälligen und aggressiven Kindern ausgelastet war. Meine Tochter machte da brav mit. War immer den Prellbock zwischen den Rüpeln, weil sie so ruhig war (Rückblickend: "Ich langweilte mich manchmal die ganze Stunde, aber ich durfte ja trotzdem nicht reden. Das macht man nicht. Dann rechnete ich eben im Kopf was Schwieriges bis es was zu tun gab."). Sie hätte sich nie was eingefordert, weil es ja auch nicht zum einfordern gab. Das Motivationssystem war so ausgelegt: Erst machst du das Leseheftchen 1, dann bekommst du ein kleines Geschenk, dann machst du 2, dann kriegst du wieder was etc. Und nicht: Toll, du kannst schon direkt bei 8 einsteigen! Oder in HSU hieß es, dass die Lehrerin sie nicht dran nehmen könne, dann sei das Thema umfassend behandelt und sie brauche keinen anderen mehr zu fragen. Das ist natürlich auch hart für ein Kind, zu merken, dass man nichts sagen darf oder das das viele Wissen nicht erwünscht ist.
In Kl 2 ging es so weiter, bis zu Corona. Ich war zuhause (Homeoffice) und zuerst machte sie brav die Aufgaben. Ich war aber sehr erstaunt, dass sie in 15 min fertig war, sonst kam sie immer mit einem ganzen Stapel Blätter heim und nun nur eine Seite Mathe und eine Seite Deutsch. Da müsste doch mehr von der Schule kommen. Ich forderte das ein, bekam aber immer mehr vom gleichen für sie. Irgendwann hatte sie keine Lust mehr. Nach den Osterferien schleuderte sie mir das Zeug entgegen "Ich dachte, nun wäre alles wieder normal und ich könnte endlich was richtiges lernen. Die Lehrerin interessiert sich doch gar nicht dafür, was ich mache." Oder sie machte nur das Notwendigste. Wenn sie zuviel wisse, gelte sie ja als Streber, meinte sie. Ich suchte das Gespräch mit der Schule und da sagte man mir, dass meine Tochter von ihrer KL1-Lehrerin einen Vermerk in der Akte hätte, sie sollte einen Förderplan kriegen, man habe das versäumt Man habe sich sie nun genau angeschaut und sie solle nun den Stoff aus Kl 3 und 4 probieren und wir beobachten dann mal, wie ihre Motivation steigt und wie sie damit (kognitiv) zurecht kommt. Fazit: Sie machte Mathe Kl 3 (nur +/-) und Deutsch Literatur der KL 4. Im Präsenzunterricht machte sie das parallel zum normalen Unterricht, d.h. alle haben die andere Lektüre gelesen und sie saß da und kämpfte sich durch ihr Buch inkl. Arbeitsmaterial. Aber: Sie war glücklich. Irgendwann zeigte sich, dass sie sich auch schriftlich Addieren und Subtrahieren selbst (aber mit einer anderen Methode, also von links nach rechts und alle Überträge im Kopf behalten) beigebracht hat. Sie kam dadurch auch ins freie Schreiben rein und schrieb komplexe Geschichten, d.h. sprachlich hatte sie auch den Anspruch, die Stilmittel ihrer Jugendbücher anzuwenden.
Gegen Schuljahresende hat man uns vorgeschlagen, dass sie Kl 3 überspringen. Ich hatte sehr große Bedenken, mein Mann eher nicht. Ich hatte dann die Aufgabe, mit ihr in der ersten Ferienhälfte zu schauen, was sie schon alles kann, weil ja keine Förderlehrerin drauf schauen konnte. In Mathe beherrschte sie schon 80% des Stoffes von KL 3 und in Deutsch schrieb sie aus dem Stehgreif die geforderten Aufsätze (Ja, und bei Bildergeschichten mit Papa Moll verhallen dann eben Rufe im Wald, statt zu schreiben, dass er nirgends seinen Sohn findet, das wäre auch zu platt ). Zudem haben wir zwei Beratungen aufgesucht, die uns alle dazu rieten, das Springen auszuprobieren. Die Schule hatte auch vorgeschlagen, sie auf HB testen zu lassen, was ich aber nicht unbedingt möchte, wenn es nicht für irgendwas notwendig ist. Die Beratungsstelle hat uns trotzdem ins Förderprogramm aufgenommen, sodass sie sogenannte Tagesakademien besuchen kann. Sie selbst war vom Springen war sofort begeistert. Zuerst dürfe sie bis zu den Herbstferien schnuppern, erklärten wir ihr. Sie fragte dann direkt, ob sie bleiben dürfe, wenn es gut läuft. Also haben wir uns dazu entschieden.
Eigentlich könnte man meinen, alles schön. Sieht doch gut aus. Aber irgendwie hat es alles auf den Kopf gestellt.
Ich merke schon, das die Leute reservierter werden. Irgendwann muss man ja sagen, dass man sich nicht zum Schulbeginn sieht, weil eben so und so. Natürlich sollte das einem egal sein, was andere sagen. Zum einen Ohr rein und wieder raus. Doch irgendwas bleibt immer hängen und macht was mit einem einem. Man kann ja auch nicht mit jedem drüber reden. Irgendwann muss man es sagen und dann kommen immer die ganzen Vorurteile. Kennt ihr das auch? Dass man seinem Kind die Kindheit nimmt, indem man ihm ein Jahr Unbeschwertheit klaut. Oder die ganzen versteckten Aussagen: Also, mein X schreibt zwar auch überall 1er, aber trotzdem würde ich ihn nie drillen, nur damit er überspringt. Meine X rechnet zwar auch gerne, aber das heißt ja noch lange nicht, dass sie intelligenter ist als andere.
Dass es aber die anderen Aspekte sind, die uns dazu bewogen haben, das kann ich niemandem erklären. Dass ich befürchte, dass sie nie richtig Lernen lernt, weil sie das nie brauchte. Ja, das ist schön, dass ein Kind immer bequem durchkommt. Aber wenn man sieht, dass es sein Potential selbst beschränkt, weil sie spitz gekriegt hat, was erwünscht ist oder das eine Antwort auf eine so dämliche Frage auf dem Arbeitsblatt ausreicht und man mit einem Bruchteil dessen was man weiß schon ne 15 bekommt und über den grünen Klee gelobt wird. Sie stellt das auch selbst fest. "Was eine 15 in Rechtschreibung? Ich schreib doch noch so viel falsch?" oder "Warum bekommt man für so eine Popelaufgabe in HSU eine 15? Das ist doch nur Bild mit Text verbinden statt wirklich etwas wissen. Das ist doch ungerecht!" Es ist ja nicht nur die Leistung in der Schule, sondern auch das Denken, das etwas anders ist. Z.B. Bücher nach sprachlichen Stilmitteln zu beurteilen, Erwachsenen zu erklären, in welchen Hirnregionen Gefühle entstehen und was das mit dem Körper macht etc. Sich mit 7 schon zu überlegen, fürs Studium zu sparen oder damit man später keine Kredite aufnehmen muss.
Wie waren die Reaktionen in eurem Umfeld?
Wie seid ihr damit umgegangen?
Einige schrieben hier, dass sie ihre Kinder wie Aliens fühlten. Ich fühle mich gerade wie eine Alien-Mama
P.S Witzig, ich habe mir mal meinen Post von 2013 angeschaut, in dem ich mein Kind schon etwas anders als andere fand. Der geriet ganz in Vergessenheit. Komisch, dass ich mich heute nicht mehr wundere...
meine Tochter wird nach den Ferien von Klasse 2 in 4 springen. Wirklich wundern tut es uns nicht, trotzdem hat es viel mit uns als Familie angestellt und im normalen Bekanntenkreis ist einfach klein Platz dafür. Daher freue ich mich, hier eine vertrauenswürdige Runde zu finde.
Ich fange mal von vorne an. Unser Tochter (Einzelkind) wird im Oktober 9 Jahre alt und war schon immer sehr "fit". Mit 10 Monaten konnte sie Babyzeichensprache (hatte ich mit ihr aus Langeweile meinerseits gemacht) und auch schon komplexere Sachverhalte erfragen. Mit 1 Jahr ging sie in gerne in ihre schnuckelige kleine und liebevolle Krippe, sprach mit 18 Monaten fließend ganze Sätze, kannte alle Farben und war kognitiv immer sehr fit (habe zuletzt mal alle Entwicklungsberichte gelesen). In der Krippe flackerte sogar mal eine "Buchstabenphase" auf, d.h. sie konnte mit 2 die Buchstaben auf dem Kissen lesen. Mit 2,5 Jahren erklärte sie der Erzieherin was Diabetes sei oder dass sie nicht aufräume könne, sie habe Rheuma. Im Kindergarten brauchte sie lange, um mit den Kindern warm zu werden. Mit den Erzieherinnen konnte sie einfach besser reden. Sie malte auffällige Bilder, z.B. Blumenwiesen immer mit Gesteinsschichten darunter (Magma, Gestein, Erde, Wiese, Blumen) bis ihr die anderen Kinder erklären, dass so die Wiese nicht richtig sei. Mit 5 puzzelte sie ausdauernd ihre 1.000er-Puzzles. Schon im Kiga interessierte sie sich sehr für politische und philosophische Fragen, was nach dem Tod passiert, wie man Kapital gerechter verteilen könnte.
Rückblickend ergibt vieles Sinn, damals konnte ich das nicht einordnen, da sie unser einziges Kind ist und wir keine Kinder im Bekanntenkreis haben. Okay, die anderen Kinder waren sprachlich nie so weit wie sie, aber man sagt ja immer, dass die Bandbreite riesig ist und jedes Entwicklungsniveau okay ist. Und man möchte ja auch nicht angeben. Es ist ja eigentlich sozial erwünschter, tief zu stapel und davon zu reden, was ein Kind alles nicht kann und wo der Schuh drückt.
Früher eingeschult haben wir sie (leider) nicht. Mein Mann hatte negative Erfahrungen gemacht, weil er immer der Kleinste war und wir wollten sie nicht um ihre drei Freundinnen bringen. Beim Einschulungstest verzweifelte sie an den Formen-/Farbplättchen, weil sie diese nicht multiplizieren konnte. Abzählen hätte ja auch gereicht. Sie wusste, dass man das irgendwie kann, bekam es aber nicht hin. Heute sagt sie, dass sie schon in der Vorschule locker im Raum bis 20 rechnen konnte, aber das hat man da ja nie gemacht und sie wusste nie, ob man sie auslache.
Meine Tochter ist ein sehr braves, angepasstes Kind. Sie beachtet alle Regeln, schon fast zwanghaft, und würde daher nie aus der Reihe tanzen. D.h. sie macht alles brav, auch wenn sie es blöd findet. Obwohl sie ein sehr extrovertiertes Kind ist, es nur aus ihr raussprudelt und gerne mit uns in der Familie diskutiert. Als wüsste sie, was wo von ihr verlangt wird.
In der Schule flutschte es daher auch nur so. Sie musste sich nie anstrengen, arbeitete selbständig und sorgfältig. Doch in KL 1 brachte sie sich Mathe selber bei, nicht immer zu unserer Freude, weil man nicht eine Rechenmethode auf den nächsten Zahlenraum oder Rechenoperation übertragen kann. Ich habe die Lehrerin (erst kurz im Schuldienst) drauf hingewiesen. Zum einen, weil das echt Diskussionen und Konflikte in der Familie entfachte (von uns wird nichts angenommen, nur von der Lehrerin) und weil ich nicht wollte, dass sie sich was falsch beibringt. Vor lauter Langeweile im Unterricht, wie sich herausstellte. Es sollte immer mal die Förderlehrerin drauf schauen, dann sollte ein Förderplan geschrieben werden, aber nichts passierte, weil die Lehrerin mit den verhaltensauffälligen und aggressiven Kindern ausgelastet war. Meine Tochter machte da brav mit. War immer den Prellbock zwischen den Rüpeln, weil sie so ruhig war (Rückblickend: "Ich langweilte mich manchmal die ganze Stunde, aber ich durfte ja trotzdem nicht reden. Das macht man nicht. Dann rechnete ich eben im Kopf was Schwieriges bis es was zu tun gab."). Sie hätte sich nie was eingefordert, weil es ja auch nicht zum einfordern gab. Das Motivationssystem war so ausgelegt: Erst machst du das Leseheftchen 1, dann bekommst du ein kleines Geschenk, dann machst du 2, dann kriegst du wieder was etc. Und nicht: Toll, du kannst schon direkt bei 8 einsteigen! Oder in HSU hieß es, dass die Lehrerin sie nicht dran nehmen könne, dann sei das Thema umfassend behandelt und sie brauche keinen anderen mehr zu fragen. Das ist natürlich auch hart für ein Kind, zu merken, dass man nichts sagen darf oder das das viele Wissen nicht erwünscht ist.
In Kl 2 ging es so weiter, bis zu Corona. Ich war zuhause (Homeoffice) und zuerst machte sie brav die Aufgaben. Ich war aber sehr erstaunt, dass sie in 15 min fertig war, sonst kam sie immer mit einem ganzen Stapel Blätter heim und nun nur eine Seite Mathe und eine Seite Deutsch. Da müsste doch mehr von der Schule kommen. Ich forderte das ein, bekam aber immer mehr vom gleichen für sie. Irgendwann hatte sie keine Lust mehr. Nach den Osterferien schleuderte sie mir das Zeug entgegen "Ich dachte, nun wäre alles wieder normal und ich könnte endlich was richtiges lernen. Die Lehrerin interessiert sich doch gar nicht dafür, was ich mache." Oder sie machte nur das Notwendigste. Wenn sie zuviel wisse, gelte sie ja als Streber, meinte sie. Ich suchte das Gespräch mit der Schule und da sagte man mir, dass meine Tochter von ihrer KL1-Lehrerin einen Vermerk in der Akte hätte, sie sollte einen Förderplan kriegen, man habe das versäumt Man habe sich sie nun genau angeschaut und sie solle nun den Stoff aus Kl 3 und 4 probieren und wir beobachten dann mal, wie ihre Motivation steigt und wie sie damit (kognitiv) zurecht kommt. Fazit: Sie machte Mathe Kl 3 (nur +/-) und Deutsch Literatur der KL 4. Im Präsenzunterricht machte sie das parallel zum normalen Unterricht, d.h. alle haben die andere Lektüre gelesen und sie saß da und kämpfte sich durch ihr Buch inkl. Arbeitsmaterial. Aber: Sie war glücklich. Irgendwann zeigte sich, dass sie sich auch schriftlich Addieren und Subtrahieren selbst (aber mit einer anderen Methode, also von links nach rechts und alle Überträge im Kopf behalten) beigebracht hat. Sie kam dadurch auch ins freie Schreiben rein und schrieb komplexe Geschichten, d.h. sprachlich hatte sie auch den Anspruch, die Stilmittel ihrer Jugendbücher anzuwenden.
Gegen Schuljahresende hat man uns vorgeschlagen, dass sie Kl 3 überspringen. Ich hatte sehr große Bedenken, mein Mann eher nicht. Ich hatte dann die Aufgabe, mit ihr in der ersten Ferienhälfte zu schauen, was sie schon alles kann, weil ja keine Förderlehrerin drauf schauen konnte. In Mathe beherrschte sie schon 80% des Stoffes von KL 3 und in Deutsch schrieb sie aus dem Stehgreif die geforderten Aufsätze (Ja, und bei Bildergeschichten mit Papa Moll verhallen dann eben Rufe im Wald, statt zu schreiben, dass er nirgends seinen Sohn findet, das wäre auch zu platt ). Zudem haben wir zwei Beratungen aufgesucht, die uns alle dazu rieten, das Springen auszuprobieren. Die Schule hatte auch vorgeschlagen, sie auf HB testen zu lassen, was ich aber nicht unbedingt möchte, wenn es nicht für irgendwas notwendig ist. Die Beratungsstelle hat uns trotzdem ins Förderprogramm aufgenommen, sodass sie sogenannte Tagesakademien besuchen kann. Sie selbst war vom Springen war sofort begeistert. Zuerst dürfe sie bis zu den Herbstferien schnuppern, erklärten wir ihr. Sie fragte dann direkt, ob sie bleiben dürfe, wenn es gut läuft. Also haben wir uns dazu entschieden.
Eigentlich könnte man meinen, alles schön. Sieht doch gut aus. Aber irgendwie hat es alles auf den Kopf gestellt.
Ich merke schon, das die Leute reservierter werden. Irgendwann muss man ja sagen, dass man sich nicht zum Schulbeginn sieht, weil eben so und so. Natürlich sollte das einem egal sein, was andere sagen. Zum einen Ohr rein und wieder raus. Doch irgendwas bleibt immer hängen und macht was mit einem einem. Man kann ja auch nicht mit jedem drüber reden. Irgendwann muss man es sagen und dann kommen immer die ganzen Vorurteile. Kennt ihr das auch? Dass man seinem Kind die Kindheit nimmt, indem man ihm ein Jahr Unbeschwertheit klaut. Oder die ganzen versteckten Aussagen: Also, mein X schreibt zwar auch überall 1er, aber trotzdem würde ich ihn nie drillen, nur damit er überspringt. Meine X rechnet zwar auch gerne, aber das heißt ja noch lange nicht, dass sie intelligenter ist als andere.
Dass es aber die anderen Aspekte sind, die uns dazu bewogen haben, das kann ich niemandem erklären. Dass ich befürchte, dass sie nie richtig Lernen lernt, weil sie das nie brauchte. Ja, das ist schön, dass ein Kind immer bequem durchkommt. Aber wenn man sieht, dass es sein Potential selbst beschränkt, weil sie spitz gekriegt hat, was erwünscht ist oder das eine Antwort auf eine so dämliche Frage auf dem Arbeitsblatt ausreicht und man mit einem Bruchteil dessen was man weiß schon ne 15 bekommt und über den grünen Klee gelobt wird. Sie stellt das auch selbst fest. "Was eine 15 in Rechtschreibung? Ich schreib doch noch so viel falsch?" oder "Warum bekommt man für so eine Popelaufgabe in HSU eine 15? Das ist doch nur Bild mit Text verbinden statt wirklich etwas wissen. Das ist doch ungerecht!" Es ist ja nicht nur die Leistung in der Schule, sondern auch das Denken, das etwas anders ist. Z.B. Bücher nach sprachlichen Stilmitteln zu beurteilen, Erwachsenen zu erklären, in welchen Hirnregionen Gefühle entstehen und was das mit dem Körper macht etc. Sich mit 7 schon zu überlegen, fürs Studium zu sparen oder damit man später keine Kredite aufnehmen muss.
Wie waren die Reaktionen in eurem Umfeld?
Wie seid ihr damit umgegangen?
Einige schrieben hier, dass sie ihre Kinder wie Aliens fühlten. Ich fühle mich gerade wie eine Alien-Mama
P.S Witzig, ich habe mir mal meinen Post von 2013 angeschaut, in dem ich mein Kind schon etwas anders als andere fand. Der geriet ganz in Vergessenheit. Komisch, dass ich mich heute nicht mehr wundere...