Hallo Anna,
das ist deshalb ein so schwieriges Unterfangen, weil unser Schulsystem auf den Mittelwert der Kindesentwicklung fixiert ist. Solange ein Kind in allen Bereichen einigermaßen auf dem Scheitel der Gaußkurve reitet, kommt es gut auf dem Fließband der Klassenstufen durch die Schulzeit. Das Problem sind die äußeren Ränder der Gaußverteilung. Ich halte eine Separierung der Kinder in verschiedenen Schulformen für falsch. Ich propagiere eher ein integratives Modell, das aber mehr Aufwand seitens des Lehrpersonals bedeuten würde - sowohl vom Lehrer-zu-Schüler-Verhältnis, als auch von der Qualität her. So ein Modell rückt aber umso mehr in immer weitere Ferne, je mehr Grundschulen geschlossen und zusammengelegt werden. Also müssen wir uns mit diesem Schulsystem herumschlagen, das von der Gesellschaft als gerade noch als finanziell tragbar erachtet wird für das Bisschen an Nachwuchs, das die Leute noch zu zeugen gewillt sind...
Meines Erachtens steht und fällt die Qualität des Unterrichts mit der persönlichen Motivation der Lehrkraft, die Kinder dort abzuholen, wo sie stehen. Allerdings gibt es da bei über 20 Kindern pro Klasse auch personelle Grenzen, wenn es darauf hinausläuft, dass ein Enrichment des Stoffs nicht mehr ausreicht. Das aktuelle staatliche Schulmodell gibt einfach nicht mehr her. Private Schulen (z.B. Montessori-Schulen) können hier schon besser agieren, weil der natürliche Wissensdrang der Kinder in den Unterricht integriert wird. In staatlichen Schulen werden wissbegierige Kinder eher ausgebremst und demotiviert. Das geht dann so weiter bis zu Schulunlust und Underachievment. Ich sehe in eurer Situation eigentlich keinen vernünftigen Ausweg im bloßen Weitermachen der aktuellen Konstellation. Deine Interventionen gehen irgendwann der Lehrerin auf den Zeiger, bewirken aber offenbar nicht wirklich etwas, weil die Lösungen vielleicht außerhalb der realen Möglichkeiten der Lehrerin liegen. Manche Lehrkräfte haben eine Fortbildungsmaßnahme in Sachen HB hinter sich gebracht und wissen dann, dass auch HB-Kiddies das Lernen lernen sollten. Dies gelingt aber nicht im Rahmen des Lehrplans. Meistens erleben diese kleinen Leute dann eine böse Überraschung, wenn sie später mal tatsächlich das Üben-können brauchen, aber nicht wissen, wie das funktioniert.
Der Karren steckt offenbar fest. Ich würde an deiner Stelle aber nicht warten, bis der Karren im Dreck versunken ist. Ich würde an deiner Stelle folgende Sachverhalte überprüfen:
1) Wie gut ist Sohni in der Klasse integriert? - Hat er dort Anschluss und Freundschaften aus dem Kiga? - Das wiegt nämlich auch sehr viel.
2) Gibt es schulintern die Möglichkeit, dass Sohnemann partiell springen kann (bspw. Mathe und Deutsch in der 2. Klasse, Sport und Kunst in der 1. Klasse)? - Dies wird aber meiner Meinung nach in ein komplettes Springen münden, sofern Sohni das schließlich selber möchte.
3) Gibt es zwecks Notanker eine andere Grundschule außerhalb des Einzugsbereichs mit HB-Förderung (was sehr Unterschiedliches bedeuten kann, aber auf alle Fälle ein Bewusstsein für die Problematik) oder eine Montessori-GS?
Du solltest versuchen, den Psychologen, der Sohnemann getestet hatte, mit ins Spiel zu bringen. Dessen Aussagen wiegen mehr als die Meinung von "überdrehten" Eltern. Organisiere ein Treffen, an dem die KL sowie der Schulrektor beteiligt ist. Thema: seelische Schieflage durch nachhaltige Unterforderung. Vielleicht kannst du in diesem Kreis ein Arrangement bezüglich Hausis und schulinternen Problemlösungen treffen.
Mach dir eher weniger Sorgen um die Altersdifferenz als um die Unterforderungsproblematik. Unser Töchterlein kommt ganz gut mit einer erheblichen Altersdifferenz klar, hatte aber einige seelische Probleme wegen Unterforderung durch akzellerative Känguruh-Sprünge überwinden können.
Desweiteren würde ich dir parallel zu den schulischen Lösungen ganz dringend innerfamiliäre Ergänzungen vorschlagen. Bring ein Musikinstrument ins Spiel. Das fördert ungemein das Üben können, ohne Schulstoff vorweg zu nehmen (auch wenn das zuerst Frust wegen des ungeahnten Huch-Effekts bezüglich der unbekannten Größe des Lernens bedeutet). Schau dich nach einem Sportverein um, damit die Motorik geschult wird und ein Ausgleich zur Langeweile am Vormittag geschaffen wird. Das Auspowern ist ganz wichtig. Schau dich nach der nächsten Kinderuni um. Solche Vorlesungen sind zwar nur punktuelle Ereignisse, an denen die Kiddies aber lange zehren.
http://www.die-kinder-uni.de/html/vorle ... chnis.html
Desweiteren muss dein kleiner Mann akzeptieren lernen, dass für ihn die Langeweile ein ständiger Begleiter durch die Schulzeit sein wird. Er muss lernen, dass für ihn die Schule ein Kinderjob ist. So wie Erwachsene ihre tägliche Arbeit für Geld erledigen müssen, so müssen Hausaufgaben und Schulvorbereitungen sorgfältig und rechtzeitig - ob mit oder ohne Lust - abgearbeitet werden. Solche Dinge wie Kinderuni können dann als Belohnung winken...
Viele Grüße von
Neckri