Stelle mich verzweifelt vor...

Einfach nur über sich und seine Kinder erzählen
Na Talie
Beiträge: 4
Registriert: Mi 16. Mär 2016, 21:43

Stelle mich verzweifelt vor...

Beitrag von Na Talie »

Hallo in die freundliche Runde :-)

Ich möchte mich vorstellen, ich bin 35 Jahre alt und Mama zweier toller Jungs. (8 und 5 Jahre alt)
Bei unserem "Kleinen" ist vor Weihnachten eine überdurchschnittliche Intelligenz getestet worden mit einem IQ von 125.
Dazu ist uns vom Kindergarten, Kinderarzt und Psychologen geraten worden. Seit er mit 13 Monaten in den Kindergarten kam hat er (oder die anderen mit ihm) nur Probleme.
Von Beginn an ist er nur angeeckt. Aufgrund seiner sehr frühen sprachlichen Begabung hat sich das ganze noch verstärkt. Ständig mussten wir zum Gespräch weil wieder dieses oder jenes vorgefallen ist, auch körperlich. Er ist handgreiflich geworden und hat gebissen.
Nach 3 Jahren haben wir den Kindergarten wegen eines Umzugs gewechselt und hatten uns schon gefreut. Wir haben auf einen Neuanfang gehofft, dachten die Fronten im alten Kindergarten waren zu verhärtet. Hier jedoch ist es schlimmer als zuvor. Bei jedem Entwicklungsgespräch wird uns erzählt, dass er seiner kognitiven Entwicklung weit voraus ist. Gleichzeitig ist er das einzige (und auch älteste Kind) seiner Altersstufe in seiner Gruppe. Mit den Jüngeren kann er leider nichts anfangen.
Nach einem Jahr hat er dann innerhalb des Kindergartens die Gruppe zu den Maxies gewechselt. Da schien es zuerst etwas besser, jetzt ist es wieder eine Katastrophe.
Mitlerweile bekomme ich Herzrasen wenn ich in den Kindergarten muss um ihn abzuholen, mir wird regelrecht schlecht. Nahezu jeden Tag werde ich abgefangen um mir sein Verhalten anzuhören.
Er möchte schon seit 2 Jahren nicht mehr in den Kindergarten gehen.
Wenn ich nachfrage, was ich deren Meinung nach tun soll um es für alle Beteiligten besser zu machen, kommt immer: "Reden sie doch mal mit ihm".
Was denken die was wir machen??? Bei uns sieht er hauen, treten usw. nicht. Wir betieteln uns nicht abfällig und bringen ihm normale Verhaltensregeln bei. Wir reden uns den Mund franselig. Es ging so weit, daß er von seitens des Kindergartens von St. Martin ausgeschlossen wurde.
Zum Kinderturnen darf er aus denselben Gründen auch nicht mehr.
Sehr traurig macht uns auch, dass er beim Großen sieht, dass der regelmäßig eingeladen wird u.a. zu Kindergeburtstagen. Der Kleine nicht. Er fragt uns, wann er denn mal zum Kindergeburtstag eingeladen wird. Das kann man als Eltern kaum aushalten. Bisher hat es uns noch beruhigt, dass er ein fröhliches, aufgewecktes, sehr breit interessiertes aber auch lautes Kind ist. Die laute Stimme und das sehr präsente Verhalten werden uns oft als "nicht erzogen" nachgesagt.
Vor ein paar Tagen fing er plötzlich an von sich in der 3. Person zu sprechen (selbst als Kleinkind hat er das nie gemacht!!) und sagte, er möchte nicht mehr er sein. Wieso er nicht einfach sein Bruder sein kann. Ich war absolut geschockt. Ich habe ihm versichert, daß es für mich ein absolutes Geschenk ist dass er er ist und wir ihn haben. Er sagte nur, wir verstehen ihn nicht, sein Bruder versteht ihn nicht und er versteht uns nicht. Außerdem macht xxxxxxx nur Probleme und ist nirgendwo willkommen. Ich muss zugeben, das macht mich kaputt.
Seit Jahren rennen wir gegen Windmühlen an, sind ständig dabei unser Kind zu verteidigen. Müssen uns immerzu gegen Vorurteile wehren, er ist nicht erzogen oder hätte ADHS.
Dazu ist er jetzt, das war früher nicht so, bei allem absolut unmotiviert. Er ist nicht dazu zu bewegen etwas neues zu lernen, sei es Fahrradfahren oder schwimmen. "Ich kann das sowieso nicht."

Nach der Testung ist uns gesagt worden, daß wir im Grunde genommen gar nichts für ihn tun können.
Der Psychologe (vom Kindergarten bestellt!!) hat uns hinterher mitgeteilt, daß das Testergebnis zwar ganz nett ist mit seinem Sozialverhalten aber nichts zu tun hat.
Wenn wir ehrlich sind, fühlen wir uns veralbert und wirklich wirklich allein gelassen.

Hat vielleicht jemand eine Tipp für uns oder kann uns Stellen nennen an die wir uns wenden können?
Es kann doch nicht sein, daß ein Kind so unter die Räder gerät.
Vielen Dank schon mal. :-)
Bliss
Dauergast
Beiträge: 661
Registriert: Fr 21. Okt 2011, 23:43

Re: Stelle mich verzweifelt vor...

Beitrag von Bliss »

Er hat also in beiden KiGas von Beginn an Schwierigkeiten gehabt. Aber wie war es denn außerhalb des Kindergartens? Gab es da auch Probleme?
Na Talie
Beiträge: 4
Registriert: Mi 16. Mär 2016, 21:43

Re: Stelle mich verzweifelt vor...

Beitrag von Na Talie »

Ja, beim Kinderturnen war sein Verhalten nach ein paar Wochen ähnlich wie im Kindergarten.
Auch privat im Freundes-/ Bekanntenkreis fällt auf, daß er sehr präsent ist und eine laute stimme hat. Auch dort kämpfen wir gegen das Urteil an er wäre nicht erzogen.
Natürlich fällt auch zu Hause auf, daß es eine Unterschied gibt zwischen ihm und unserem Großen. Aber das war nie ein Problem für uns, sind ja zum Glück nicht alle Kinder gleich.
Nie wären wir von allein auf die Idee gekommen ihn testen zu lassen.
Momo
Dauergast
Beiträge: 976
Registriert: Mo 13. Jan 2014, 22:49

Re: Stelle mich verzweifelt vor...

Beitrag von Momo »

Liebe na Talie,
willkommen hier im Forum!
Es tut mir leid zu lesen, wie es Eurem Sohn geht! Ich kenne Eure Familiensituation überhaupt nicht , doch ganz intuitiv würde ich an Deiner Stelle folgendermaßen reagieren:
Kind aus dem Kindergarten nehmen, zu Hause betreuen, viel gemeinsam unternehmen und ganz intensive Beziehungsarbeit leisten. Dein Sohn scheint sich nicht angenommen und "richtig" zu fühlen, was ja auch kein Wunder ist, er bekommt ja ständig dieses Feedback von der Außenwelt. Ich würde nicht von einer Beratungsstelle zur nächsten rennen, dies würde sein Gefühl nur bestärken und vermutlich überhaupt nichts bringen. Mach Dich frei von "guter Erziehung", dem sogenannten "guten Benehmen" und den Erwartungen der Anderen. Nutze die Zeit vor der Schule ganz intensiv mit Deinem Sohn und gib ihm das Gefühl, dass er genau so richtig ist, wie er ist. Dabei würde ich völlig absehen von "aufgesetzten Unternehmungen", sondern begeistert die kleinen Dinge des Alltags gemeinsam entdecken. Damit meine ich z.B. bauen, basteln, spazieren gehen, experimentieren, vorlesen etc.. Ganz ohne großes Tamtam, sondern mit viel Liebe und Wärme.
Und suche die Schule sorgfältig aus- möglichst wenig Leistungsdruck und ein individueller und wohlwollender Blick auf das Kind sollte im Zentrum stehen. Es gibt diverse alternative Schulformen. Ich würde schnell und konsequent handeln!

Alles Gute wünscht Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
Na Talie
Beiträge: 4
Registriert: Mi 16. Mär 2016, 21:43

Re: Stelle mich verzweifelt vor...

Beitrag von Na Talie »

Hallo Momo

Vielen Dank für deine liebe Antwort. :-)
Daran habe ich auch schon oft gedacht, aber leider ist es uns finanziell nicht möglich daß ich komplett zu Hause bleiben kann.
Er muss meist in die Betreuung gehen.
Allerdings habe ich aus diesem Grund meine dreiviertel Stelle schon auf eine halbe Stelle reduziert. Damit ich mehr für ihn da sein kann.
Wir versuchen im Alltag den Druck und Stress für ihn rauszunehmen. Im Gegenzug fordert er das aber ein. Wir lesen sehr viel vor, schon immer. Bücher sind sein ein und alles, von beiden. Und Hörspiele. Er kann sich sehr lange allein beschäftigen und sich komplett in Geschichten verlieren.
Schwierig ist aber auch, dass wir dabei seinen Bruder nicht aus den Augen verlieren wollen. Der möchte natürlich auch seine Aufmerksamkeit die ihm zusteht.
Es ist eben alles nicht so einfach. Hat ja auch keiner vorher behauptet als wir die Süßen bekommen haben. ;-)
Lg
Maca
Dauergast
Beiträge: 390
Registriert: Do 21. Mai 2015, 16:30

Re: Stelle mich verzweifelt vor...

Beitrag von Maca »

Hallo,

Du hast mein volles Mitgefühl!
Hinter seinem Verhalten kann aber so viel stehen, da wäre es vielleicht sinnvoll ihn in einer KPJ vorzustellen.
Eine,wo erfahrene ,pädiatrisch ausgebildete Psychotherapeuten gute Arbeit machen.

Hier bei uns in der Großstadt weiß ich mindestens von 4 Kindern ,die ein soziales Kompetenztraining in Kleingruppen machen.

Eine Mutter berichtete mir neulich,das erste ,was die betreuende Psychologin zu den Eltern sagte war ,,Unser Ziel ist es primär das Selbstvertrauen,Selbstwertgefühl ihrer Kinder so zu stabilisieren,dass sie sich in ihrer eigenen Haut wieder wohl fühlen! Alles andere kann erst daraus folgen!"

Und genau dieses kann im häuslichen Umfeld nicht geleistet werden,die Eltern sind Teil eines komplizierten Beziehungsgeflechtes,das muss von außen durchbrochen werden.

Holt euch Hilfe,eurer Sohn ist noch so jung,ihr habt noch alle Möglichkeiten!
Da man deine tiefe Liebe und Wertschätzung zu ihm spürt,habt ihr doch,für diese blöde Situation, gute Vorraussetzungen.

Ganz,ganz viel Glück und KRAFT

lg von Maca
LiLaLaunebär
Dauergast
Beiträge: 158
Registriert: Mi 24. Okt 2012, 14:35

Re: Stelle mich verzweifelt vor...

Beitrag von LiLaLaunebär »

Hallo und guten Morgen!

Ich kann dir keine wirklich guten Ratschläge geben, da wir hier ja selber alles andere als ein harmonisches Familienleben haben.
Ich kann deine Gefühle gut verstehen und es tut einem im Herzen weh, wenn ein Kind so von anderen Kindern ausgeschlossen wird. Intuitiv würde ich wohl auch versuchen, noch einmal den Kiga zu wechseln, oder mir in einer KJP Rat holen. Wahrscheinlich wird ja alles in der (Grund-)Schule nicht besser :-(
Momo
Dauergast
Beiträge: 976
Registriert: Mo 13. Jan 2014, 22:49

Re: Stelle mich verzweifelt vor...

Beitrag von Momo »

Liebe Na Talie,
gerne möchte ich Dir ein Buch an Herz legen, welches ich schon vor einiger Zeit gelesen hatte und gerade wieder zum Lesen hervorgeholt habe: "Jenseits der Norm- hochbegabt und hoch sensibel?" von Andrea Brackmann. Dieses Buch trifft die Problematik von Hochbegabten und zumeist auch hochsensiblen Kindern sehr gut, öffnet einem die Augen und hilft einfach erstmal, das Kind besser zu verstehen. Die Autorin ist Diplom- Psychologin und beschreibt in diesem Buch auch Seelische Störungen, die sich aufgrund der Kombination Hochbegabung und Hochsensibilität entwickeln können. Vielleicht hilft es Euch! Und ich gebe Maca recht, wahrscheinlich ist es gut, sich in Eurer Situation professionelle Hilfe zu holen. Doch ganz gezielt und nur von Fachleuten, die sich genau mit dieser Problematik auskennen. Gibt es in Eurer Nähe eventuell eine Möglichkeit, sich über Hochbegabung zu informieren (z.B. eine Stelle der "Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind")? Vielleicht gibt es über diese Anlaufstelle wiederum eine Möglichkeit, zu den richtigen Fachleuten vermittelt zu werden.

Ich wünsche Euch alles Gute!
Liebe Grüße von Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
elboku
Dauergast
Beiträge: 194
Registriert: Mi 8. Jan 2014, 18:40

Re: Stelle mich verzweifelt vor...

Beitrag von elboku »

Hallo Na Talie!

Herzlich willkommen im Forum!

Es tut mir auch unglaublich leid, dass dein Sohn sich nicht angenommen fühlt, und verstehe, dass du da aus allen Wolken fällst!

Ehrlicherweise würd ich schon an deiner Stelle schaun, dass ihr zu einem guten klinischen Psychologen kommt, der sich mit Kindern und Wahrnehmungsstörungen auskennt.
Oder ihr geht zu einer guten Ergotherapeutin, die ihn sich mal anschaut.
Denn wie schon vorher geschrieben wurde, in der Schule wird es sicher nicht besser.
Sein Verhalten kann so viele Ursachen haben, und ich denke schon, dass dein Sohn Hilfe braucht!

Parallel dazu versuch herauszufinden, was dein Sohn grad gern macht. Lass ihn bestimmen wie ein Nachmittag bei euch zu Hause ausschaut. Gib ihm dadurch das Gefühl, dass er wichtig ist, dass er mitbestimmen darf.

Alles ,alles Gute!
Lisa
Momo
Dauergast
Beiträge: 976
Registriert: Mo 13. Jan 2014, 22:49

Re: Stelle mich verzweifelt vor...

Beitrag von Momo »

Liebe Na Tali,
gerade habe ich einen Auszug aus dem oben empfohlenen Buch "Jenseits der Norm- hochbegabt und hoch sensibel?" entdeckt:
http://www.kultur-fibel.de/Kultur%20Fib ... begabt.htm
(Evt. kompletten Link kopieren und in Adresszeile einfügen)

Ich habe gerade wieder intensiv in diesem Buch gelesen. Es tut richtig gut, das eigene Kind erstmal in dem Buch wiederzufinden und einen "Gesamtüberblick" über die Problematik zu erhalten. Daraus resultierend können wir Eltern dann neue Wege und Lösungen finden.

Liebe Grüße von Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
Antworten