Meine Tochter weiß in Filmen auch immer gut bescheid, wer mit wem was hatte, wer Dreck am Strecken hat, wer in wen heimlich verliebt ist... Und das immer sehr früh.
Sie merkte in der Grundschule auch, wenn jemand kurz davor war, zu weinen, weil er bspw geärgert wurde oder sich ärgerte. (Nur handelt sie dann nicht, tröstet oder so, sondern beobachtet das mit Abstand, währenddessen die kleine Schwester wohl für den Betroffenen irgendwie aktiv würde. Die Große ist von Emotionen - auch denen anderer - oft überfordert. Typisch für Hochsensibilität.)
Ich habe mit der Großen gerade gestern die Serie "Little Fires everywhere" geschaut, wo es um Lügen und Geheimnisse und unterschwellige Vorurteile und verleugnete und unterdrückte Gefühle zweier Familien geht. Hat ihr so gefallen, dass sie weitere Folgen sehen wollte (an sich wollte ich die Serie schauen, sie kam nur dazu) und sie war sehr gut darin, die Motive der einzelnen Personen zu erkennen.
Auf der anderen Seite ist die Kleine im Alltag oft sehr viel empathischer, sie weiß genau, wann es angemessen ist, jemandem aus dem Weg zu gehen, wann man sich über Hilfe freut, wann es besser ist den Mund zu halten, statt auf einem Thema weiter rumzureiten. Darin ist die Große nicht ganz so geschickt. Und das hat nichts mit dem aktuellen Altersunterschied zu tun, denn ich vergleiche hier die Kleine mit der Großen im gleichen Alter.
Und wenn ich (nur zur Orientierung) Asperger-Tests im Internet mache, landet die Große tatsächlich auch meist im Grenzbereich, so dass dann steht, man könne es nicht eindeutig sagen.
Wo ich ihr den Lehrer betreffend übrigens Recht gebe:
wenn ich im Nachgang das Gespräch noch mal repetiere, dann ist recht klar, dass er den mathematisch besonders Begabten, Schnellen in der Klasse innerlich den Vorzug gibt. Ich erzählte bspw, dass meine Tochter zu Stressreaktionen neigt, wenn sie ihre Leistungsgrenze erreicht, wie das auch im Testgutachten steht. Er sprach dann davon, dass das natürlich für sie in seinem Unterricht sehr ungünstig wäre, da er in Klasse 5 und 6 sehr viel und sehr komprimierten Stoff vermittelt und die Kinder damit ständig an ihre Leistungsgrenze bringt, und dass er das vor allem auch für die 5,6 besonders starken Schüler mache, denen er ja auch was bieten müsse.
Was ja auch ein sehr deutlich formuliertes Ziel der Schule ist, also die Begabtenförderung für den MINT-Bereich.
Sicherlich (und verständlicherweise) hat er persönlich ganz besonders viel Freude daran, mit diesen leistungsstarken Kindern zu arbeiten. Da kann ich mir schon vorstellen, dass er unbewusst den "anderen" mitunter etwas weniger begeistert gegenübertritt und vielleicht dann auch manchmal unabsichtlich ungeschickt abwertende Bemerkungen und Witze macht oder entsprechende Mimik zeigt.
Und wo er meine Tochter da im Leistungsspektrum einordnet, hat er ja am Anfang des Gespräches recht deutlich gesagt.

Vermutlich hat meine Tochter genau das gespürt.
(Trotzdem bleibe ich dabei, dass es ein netter und guter Lehrer ist, denn er hat wie ich ja schrieb auch sehr verständnisvoll auf meine Beschreibung meiner Tochter und ihrer Probleme reagiert)
Ein häufigesThema für meine Große ist ja auch, dass sie sich nicht ernst genug genommen fühlt, bspw als Mädchen.
(U.a. so begründete sie ja damals auch, dass sie wie ein Junge aussehen wollte Anfang der Grundschule).
Ging mir als Kind übrigens auch so und geht mir bis heute noch so. Ich reagiere sehr grantig, wenn man mich für dümmer hält, als ich bin. Gerade auch deswegen, weil ich mir viele Gedanken mache und wenn ich eine Meinung zu etwas äußere, diese eigentlich immer auf langem Reflektieren und Analysen und ausführlichen Überlegungen und gesammelten Informationen beruht und nicht einfach so dahingesagt ist.
Und wenn dann jemand das "mit einem Wisch" vom Tisch fegt oder nicht ernst nimmt, oder selbst eine völlig unreflektierte Meinung dazu vertritt, ärgert mich das sehr.
Ich denke also, dass ihr Eindruck, dass der Lehrer meine Tochter fälschlicherweise für "dumm" hält (überspitzt ausgedrückt), eine großen Anteil ihrer Abneigung bzw Kritik an ihm ausmacht.
Ich habe mit ihr da gestern Abend noch mal genau darüber gesprochen, sie erinnert, wie sie mal in meinem Malkurs jüngeren Kindern gezeigt hat, wie man aus geometrischen Grundformen einen tollen Drachen malt, was bei weitem nicht jedes Grundschulkind direkt so gut umsetzen kann. Und dass es ihr doch auch besonders Freude gemacht hat bei den Kindern, die das, was sie Ihnen gezeigt hat, gleich gut umgesetzt bekommen und eine tolles Ergebnis erzielt haben.
Dass es dem Lehrer sicher auch so geht und es ihm dann evtl manchmal schwerfällt, das pädagogisch geschickt zu managen. (Es war mir wichtig, ihr nicht zu vermitteln, dass ihre eigene Wahrnehmung falsch sei, nur weil ich den Lehrer so nett und sympathisch fand.)
Sie meinte dann direkt dazu, dass sie sich so einen Lehrer in der Grundschule gewünscht hätte. Also einer, der sich um die Leistungsstarken kümmert und dass es schade sei, dass sie aktuell in Mathe nichts davon hat.
Ich habe den Eindruck, dass solcherlei Reflexionen ihr durchaus helfen, sich und anderer Leute Motive zu verstehen und das auf emotionaler Ebene dann besser zu verarbeiten.
(genauso, wie wir schon oft über die Motive von Kindern zusammen nachgedacht haben, die andere ärgern. Dass es eigentlich weniger an den Opfern als in den Tätern steckt, wer und wann jemand Opfer und wer Täter ist. Dass die Opfer nicht schuld sind dran sind, wenn ihnen etwas passiert, sondern eigentlich der Täter gerade ein Problem hat, was er mit seiner Tat nach außen trägt. Dass man sich darum als Opfer nicht schuldig fühlen muss... Denn natürlich kommt sowas im Schulalltag immer mal wieder vor und passiert auch ihr und sie nimmt das dann auch immer ziemlich schwer. Wobei ich da deutliche Fortschritte sehe - so kam sie neulich heim und schimpfte herzhaft, aber selbstbewusst, weil die Jungs die Mädchen in Sport "gedisst" hatten, die Mädchen wären ja eh unfähig mit einem Ball umzugehen etc. Früher hätte sie darauf ganz anders reagiert. Nicht so expressiv.)