alibaba hat geschrieben: Aber eine klare Ansage, das einer im Auto sitzt, reicht bei meinen Kindern um Arztbesuche oder Einkäufe relativ konfliktlos zu überstehen. Da meine Kinder auch noch wissen, das ich das tatsächlich auch so mache was ich generell ankündige, hat bei uns in 6 Jahren genau einmal mein Großer im Auto gesessen. Mittlerweile reicht die Ankündigung dessen, bwz. einfach eine Erinnerung.
Mentale Kontrolle bei Lob und Tadel
Quelle: Journal of Neuroscience 2008, 28, S. 9495.
Die Psychologin Eveline Crone (Universität Leiden) zeigte in Untersuchungen mittels Magnetresonanztomographie (MRT), dass die Gehirnregionen im Stirnhirn und im Schläfenlappen, die für die mentale Kontrolle zuständig sind, bei acht- und neunjährigen Kindern stark auf positives und kaum auf negatives Feedback reagieren. Bei Zwölf- bis Dreizehnjährigen und bei Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren ist genau das Gegenteil der Fall: Die Kontrollregionen sind bei negativem Feedback besonders aktiv und reagieren bei einer positiven Rückmeldung wenig. Vermutlich ist es für jüngere Kinder leichter zu begreifen, dass sie etwas richtig gemacht haben, während es wesentlich komplizierter ist zu erkennen, dass man etwas falsch gemacht und dann noch aus diesem Fehler lernt. Dieser Unterschied zwischen jüngeren und älteren Kindern kommt vermutlich durch eine Kombination von Gehirnreifung und durch Lernerfahrungen zustande.
Angst in der Erziehung
Erziehung und Schule haben ein merkwürdig ambivalentes Verhältnis zu Angst. Auf der einen Seite wird Angst kaum positiv bewertet, auf der andern Seite sind völlig angstfreie Schüler nicht eben beliebt; denn mit Angst wird - leider - sehr viel Erziehung, Verhaltenssteuerung und Motivation betrieben. Ein Schüler, der sich von Schelte, Strafaufgaben oder schlechten Noten wenig beeindrucken lässt, gilt bald einmal als schwierig oder gar schwer erziehbar. Bei genauer Untersuchung müssen wir feststellen, dass ein grosser Teil unserer institutionalisierten und unserer traditionellen Erziehung auf Angsterzeugung beruht. Strafe wirkt nur, wo sie abschreckt, d.h. Angst macht. Konkurrenz und Wettbewerb (Noten) wirken bei vielen nur „motivierend“,weil sie Angst haben vor dem Verlieren oder Unterliegen, Angst vor Blamage oder gar Angst vor der Einschränkung ihrer existentiellen Möglichkeiten (Zukunftsangst).
So ist unsere Kultur durchsetzt von Angstmachern und Ausbeutung dieses Affektes. Diese Ausbeutung wird dadurch ermöglicht, dass Erziehung oft Angst von ihrer ursprünglichen Wahrnehmungsfunktion trennt (entfremdet) und damit nicht mehr sinnvoller Teil unserer Wahrnehmung ist: Oft löst sich eine Angst auf, wenn ich der Spur zurückgehe: Was ist wirklich gefährlich dabei? Was kann mir passieren? Ist es tatsächlich so schlimm, wenn eintrifft, was ich fürchte? Und welche eigenen Möglichkeiten stehen mir dann noch zur Verfügung,?
Wieviel Sicherheit brauche ich denn wirklich? Wer würde mich unterstützen? An wen könnte ich mich wenden? (Oder warum nicht?) Selbstsicherheit gegen fremde Ver(un)sicherung Angst ist nichts objektives. Angst ist eine biologisch sinnvolle Reaktion und ein subjektives Wahrnehmungsorgan. Je mehr ich meine Wahrnehmungen durchspüren, durchschauen und in ihren Feinheiten erleben kann, desto mehr tragen sie zur Selbstsicherheit bei, sogar wenn es sich um Ängste handelt. Der Verlust oder die starke Einschränkung dieses Organismus hat weitreichende Folgen. Kinder können sich nicht mehr auf sich und ihr Gespür verlassen, sie finden den Halt nicht mehr in sich und werden dadurch manipulierbar und verführbar; in gewissen Sinne müssen wir leider auch sagen, erziehbar.
Mit der Abstumpfung der Empfindungen und einer Erziehung (Bildung), die der Lehre (dem Wissen der anderen) - nur zu oft wenig hinterfragt - einen höheren Wahrheitsgehalt attestiert als dem eigenen Gespür, wird Selbstsicherheit und Selbstvertrauen unterhöhlt. Damit wird eine Bastion gegen aufgepfropfte Ängste geschleift. Dann kann Angst auch gezielt geschürt und Menschen „mit Hilfe ihrer Angst“ ausgebeutet werden. Wir schützen unsere Kinder am Besten, wenn wir diesen Wahrnehmungsapparat, ihren Körper mit seinem Gespür und Empfinden, als Seismographen der Atmosphäre und der herrschenden Stimmungen unterstützen.
Dr. Rudolf Buchmann, Psychotherapeut SPV/ASP www. praxis-buchmann.ch
http://www.praxis-buchmann.ch/linkbase/file.php?id=40