Aber diese ganze Hochleistungs-Welt ist so gar nicht meine Welt. Immer, wenn mir mal irgendwas gelungen ist, habe ich das für Glück oder Zufall gehalten, deswegen identifiziere ich mich nicht so sehr damit. Aber ich weiß, dass das für Amelies Zukunft vor allem total wichtig ist, dass ich mir in Gedanken zumindest vorstellen kann, dass sie z. B. mit ihren 5 Jahren schon was Großartiges leisten kann. Wenn ich nicht dran glaube, dann wird sie wahrscheinlich auch nicht dran glauben.
Ich habe so eine ganz komische Art von Prüfungsangst. Ich mache mich im Vorfeld immer total fertig und habe Alpträume und Bilder im Kopf, dass mir nichts einfällt und am Ende ein leeres Blatt abgeben muss. Oder dass ich voll am Thema vorbeischreibe oder nicht fertig werde. Kurz davor denke ich, ich werde wohl einen Herzinfarkt bekommen. Am Morgen vor der Prüfung habe ich ein Gefühl, als ob ich zur Hinrichtung gehe und in der Prüfung selbst überkommt mich dann eine Ruhe, so dass ich mir sage: Jetzt kannst du eh nichts mehr üben, lernen, vorbereiten... Jetzt machst du das so gut du kannst und der Rest ist Schicksal! Wenn ich aus der Prüfung rauskomme, denke ich immer, dass ich nur Mist geschrieben habe und froh bin, dass ich das Gesicht des Prüfers beim Korrigieren nicht sehen muss.
Und immer bin ich dann überrascht, wenn dann am Ende was Gutes dabei herauskommt. So war ich mein ganzes Leben lang immer davon überzeugt, ich wäre gar nicht so gut in Mathe. Aber seit dieser Entwicklung mit Amelie muss ich mir eingestehen, dass ich schon ein paar Mal die Rückmeldung bekommen habe, dass meine Matheprüfungen ziemlich gut gelaufen sind. Mein bestes Ergebnis zum Beispiel in der Ausbildung hatte ich in Rechnungswesen. (91 % ) Klar, zur Kenntnis genommen und schnell wieder verdrängt. Oder ich habe mal an einem Bewerbungstest teilgenommen, da wurde ich dann zum Vorstellungsgespräch eingeladen und man hat mir mitgeteilt, dass ich von 80 Bewerbern einen der besten Mathetests hatte. Ich habe die Stelle dann nicht bekommen, weil ich noch keine Berufserfahrung hatte. Und schon landetet die ganze Bewerbung in der Schublade "wieder nicht geklappt". Im Abi hatte ich auch eine Matheprüfung, da habe ich dann nach 3 Stunden abgebrochen und auf die Arbeit geschrieben:"Sorry, ich kann nicht mehr. Es müsste aber reichen." Am Ende hatte ich dann 9 Punkte und dachte: Naja, eine Drei - Durchschnitt. Ich habe mich aber nie gefragt, was wohl draus geworden wäre, wenn ich die Arbeit zuende geschrieben hätte. Und im Studium dieser Statistik-Schein, den ich bestanden habe. Undundund...
Ich kann mich aber auch nach all diesen Erfahrungen immer noch nicht hinstellen und sagen: Ich bin gut in Mathe! oder Ich habe eine Zahlenbegabung! Aber die große Frage ist: Würde sich das nach einem IQ-Test ändern, der besagt, dass ich eine Hochbegabung habe?
Bei diesem gammeligen IQ-Test von focus habe ich den Matheteil gleich mal durchgeklickt, weil ich selbstverständlich meinte, ich kann das eh nicht. Am Ende hatte ich dann einen IQ von 110. Mittlerweile bin ich aber doch so ehrlich zu mir selbst, dass ich dachte: Da haste dich mal wieder fein selbst hinters Licht geführt! Einerseits war ich schon etwas schlauer als der Durchschnitt aber doch irgendwie normal. Aber andererseits weiß ich auch, dass das Ergebnis höher gewesen wäre, wenn ich den Mathetest mitgemacht hätte. Ich mache ihn aber nicht, weil ich mir einrede, dass ich kein Mathe kann und somit das Ergebnis ja dann auch nur minimal höher ausfallen kann. Es sei denn der mathematische Teil wäre exorbitant gut, aber das will ich dann ja gar nicht wissen.

