Mir macht das auch Angst, aber aus anderen Gründen...

ganz allgemein zu Kleinkindern, ob nun aufgeweckt, klug oder hochbegabt
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Winnie
Dauergast
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Mir macht das auch Angst, aber aus anderen Gründen...

Beitrag von Winnie »

http://www.babycenter.de/toddler/entwic ... e/monat25/

Ich kriege ja immer noch für L. diese Newsletter, wo so monatlich die Entwicklung des Kindes beschrieben wird: Was gibt es Neues, welche Phase kommt als nächstes, wie geht man mit Problemen um? Eigentlich lese ich die Briefe kaum noch, weil ich das ja alles zum zweiten Mal erlebe und das meiste kenne ich eben schon. Manchmal überfliege ich es kurz und stelle dann fest, dass L. bei allem im Rahmen ist und dann hake ich das gedanklich ab.

Was mir aber wieder im Kopf hängen geblieben ist: Lest euch mal die Kommentare durch! :roll:

Mal ganz abgesehen davon, dass der Text nur so vor Fehlern wimmelt, was mir persönlich über die Schmerzgrenze geht, frage ich euch folgendes: WARUM muss jemand extra dazu schreiben, dass das Kind nicht dazu gedrängt wurde?? Wenn es so wäre, würde man das zugeben?

Was ist so schlimm daran, einfach zu sagen: Passt mal auf, mein Kind kann dies oder das (...), weil ich es ihm beigebracht habe. Ist es deswegen irgendwie weniger intelligent? Heißt es jetzt allgemeingültig, dass ein Kind hochbegabt ist, weil es ohne Zutun der Eltern lernt, aber ein Kind, was von den Eltern lernt, muss dumm oder nur normalbegabt sein, weil es erst angeschubst werden muss? Was sagt das darüber aus, wenn ein Kind lesen und schreiben gar erst in der Schule lernt?

:x Was ist los in Deutschland?

Ich bin immer wieder fassunglos, wenn ich von Amelies Einschulung erzähle, was da für Kommentare kommen. Sämtliche Leute erzählen mir unaufgefordert, was ihr Kind schon alles kann und dass man ja auch in Erwägung zieht, das Kind mit 5 einschulen zu lassen. Und dauernd wird mir hoch und heilig versichert, dass die Kinder das aber alles selber wollten. Wie sehr man sich gewundert hat, dass die Kinder sich schon so früh für die Buchstaben interessieren. Als ob das das einzige Kriterium für Schulfähigkeit oder Hochbegabung wäre.

Es fällt mir total schwer, in Worte zu fassen, warum A. nun eingeschult werden sollte, aber aber unter Berücksichtigung der individuellen Umstände scheint es die beste Lösung zu sein. Es gibt aber tatsächlich Leute, die meinen, dass ihr Kind schon Fahrrad fahren kann und A. nicht, deshalb müsste es nun erst recht früh eingeschult werden. Ich habe schon geahnt, dass viele Leute zum dem Thema eine Meinung haben, aber ich bin erschrocken, wie falsch die Informationen teilweise sind, die so verbreitet werden.

Ich habe ja gedacht, na gut, es wird eine kurze Phase geben, wo man die Einschulung offenbaren muss, aber dann wirds auch wieder ruhiger. Ich habe dann mit meiner Freundin gesprochen, deren Tochter jetzt in die 2. Klasse kommt und die hat mir da wenig Hoffnung gemacht. Wie sie es ausdrückte:"Die Eltern drehen total am Rad!" :schwitz:

Und immerhin handelt es sich bei dieser Entwicklungsseite erst um Kinder von 25 und 26 Monaten. Was werden die Eltern erst erzählen, wenn ihre Kinder mal 5 Jahre alt sind????? :o
"Entschuldigung, ich habe nur kurz fantasiert." meine große Tochter, 4 Jahre alt (inzwischen 9 geworden)
Neckri
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Re: Mir macht das auch Angst, aber aus anderen Gründen...

Beitrag von Neckri »

Koschka hat geschrieben:die frage ist, ob das auch der beste weg für das kind ist, und nicht ob das kind das schafft.
Das möchte ich gerne mit unterschreiben...! - Dann bleibt bloß noch die beiläufige Frage, woher man seine Kristallkugel beziehen möchte, um herauszufinden, welcher Weg denn nun der beste für das Kind ist...

@Winnie: Normalerweise gibt keiner seine eigene Kristallkugel her. Jedenfalls hatte ich dies niemals am Rande von Spielplätzen und Konsorten beobachten können... ;) Jeder bestellt also seine eigene Kristallkugel - und guckt dann nur da durch. Sogar innerhalb der Familien gibt es manchmal individuelle Kugeln. Väter präferieren normalerweise den Hersteller, der etwas risikofreudigere Zukunftsszenarien einbaut. Mütter sehen durch ihre Kristallkugel lieber Szenarien zur Gefahrenabwehr. Andere Eltern blicken erst recht lieber nicht durch eine fremde Kugel, sondern betrachten eben das Szenario aller möglichen Kinder durch die selber erworbene Kugel, die ja aber auf den eigenen Nachwuchs justiert wurde.

Ich denke jedoch, dass die Kristallkugeln tatsächlich nach Volkszugehörigkeit und Bildungshintergrund sortiert werden. Die frankophonen Kugeln funktionieren offenbar anders und würden der Kundschaft deutschsprachiger Kugeln bloßes Grauen einflößen... Französische Schüler sind nämlich in der Regel 2 bis 3 Jahre früher mit dem Abi (Baccalauréat) fertig als deutsche Schüler. Sehr häufig sind sie daher noch minderjährig, wenn sie ein Studium beginnen..! - Aber zum Glück bekommen das die meisten Besitzer deutscher Kristallkugeln gar nicht mit, obwohl sich die Studenten durch die international angeglichenen Bachelor-Studiengänge durchaus mischen. Sie bekommen es deswegen nicht mit, weil es eben überhaupt kein Drama an den Unis darum gibt... Es gibt halt einfach keine Altersbegrenzung nach unten, so dass jüngere Leute einfach bloß jünger sind - aber sonst eben nicht anders (nur rechtlich anders gestellt durch den gesetzlichen Rahmen). Aber irgendwann sind dann einfach alle erwachsen - ganz unabhängig von den Kristallkugeln der jeweiligen Eltern...

Vielleicht wären solche Analogien der beste Weg, um um zu erklären, wieso der beste Weg auch mal anders als üblich sein kann.

Viele Grüße von

Neckri
Winnie
Dauergast
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Re: Mir macht das auch Angst, aber aus anderen Gründen...

Beitrag von Winnie »

Manchmal habe ich das Gefühl, dass es auch daran liegt, dass zu viele Informationen zur Verfügung stehen, vor allem durch das Internet, aber dass viele Eltern einfach damit überfordert sind, diese Informationen richtig zu deuten. Denn vielfach kommt auch eben darauf an, dass man bestimmte Begriffe auch richtig im Zusammenhang verstehen muss.

Ich hatte das neulich, als es um das Thema Sprache ging. Es ging darum, ob bei einem Kind, was undeutlich sprach, eine logopädische Unterstützung helfen könnte. Und es ging auch darum, dass es zum Beispiel im Kindergartenalter für das Stottern verschiedene Gründe geben kann. Da war dann die Frage, ob es sich um eine Sprachentwicklungsverzögerung oder um eine wirkliche Sprachstörung handelt. Es gibt da so Spezialisten, einfach behaupten:"Das verwächst sich!" Es gibt eine häufig vorkommende vorübergehende Stotterphase, die bei vielen Kindern im Kindergartenalter vorkommt und die dann wirklich über Nacht vorbei sein kann. Das wäre dann überhaupt kein Grund zur Besorgnis. Auf der anderen Seite kann aber eine wirkliche Sprachstörung auch von Dauer sein und eben nur durch therapeutische Behandlung und/oder Logopädie wieder "geheilt" werden. In seltenen Fällen hat es eben auch seelische Gründe, wobei auch schon die Geburt eines Geschwisterkindes die Kinder dazu bringen kann, dass es sein bereits erworbenen Sprachfähigkeiten unterwegs verloren zu haben scheint. Das zu erkennen ist für einen Laien unglaublich schwierig. Ist es jetzt eine krankhafte Störung, steht das Kind kurz vorm nächsten Entwicklungsprung oder ist es ein schon fast normaler Teil der Entwicklung?

Jedenfalls wurde dieser besagten Mutter bereits bei der U 8 nahegelegt, sie möge bitte wegen der Sprache ihres Kindes eine logopädische Praxis zu Rate ziehen, die Entwicklung sei bedenklich. Darauf hin hat die Mutter entschieden, dass es eine Unverschämtheit vom Kinderarzt wäre zu behaupten, dass das Kind nicht richtig sprechen könne. Es wäre doch so intelligent und könne "besser" sprechen als andere. Sie meinte ebenfalls, dass es reichen müsste, dass das Kind sich noch "entwickeln und mehr zutrauen" müsste. Zwischendurch kam auch noch der Spruch:"Mein Kind denkt halt schneller, als es sprechen kann. Das liegt an der Mundmotorik und das ist ja oft bei intelligenten Kindern so, dass die Motorik noch nicht so richtig ausgeprägt ist."

Nun sind ein paar Monate nach dem 4. Geburtstag vergangen und dann hat sich auch der Kindergarten ein Herz gefasst, die sprachliche Entwicklung zum Thema zu machen. Sie erzählte mir unter Tränen von diesem Elterngespräch und meinte:"Die tun alle so, als ob mein Kind BEHINDERT wäre..." Am Ende hat sie dann doch die Logopädie-Praxis aufgesucht und da hat man dann die Diagnose gestellt, dass die Sprachfähigkeit (Mundmotorik, Wortschatz usw.) wohl vorhanden wäre und dass man eben den Verdacht hat, dass sich aber die Sprache auf Grund eine psychischen Überforderungssituation nicht weiterentwickelt hat. :o

Die Überforderungssituation war folgende: Das Kind kam mit noch nicht 3 Jahren als Kann-Kind in den Kindergarten. Es hatte große Probleme sich von den Eltern zu lösen, woraufhin der Kindergarten dazu riet, das Kind wieder aus dem Kindergarten herauszunehmen und/oder als Schnupperkind zweimal die Woche zu bringen oder es ganz zuhause zu lassen. Darüber haben sich die Eltern mit dem Kindergarten zerstritten, weil man eben meinte, dass das Kind auf Grund seiner Intelligenz die Förderung im Kindergarten bräuchte. Man hat also den Kindergarten gewechselt und bei uns im Kindergarten gleich als "hochbegabt mit entsprechendem Förderungsbedarf" angemeldet. Die Erwartungen der Erzieherinnen war entsprechend hoch. Und dennoch spricht das Kind aktuell nur in Dreiwortsätzen. Und seit ca. 1 Jahr kommt nun auch noch das Stottern dazu. Ich kenne das Kind auch noch vom Kinderturnen und man kann schon hören, dass es im Kindergarten besonders heftig zu kämpfen hat.

An diesem Beispiel finde ich kann man sehr schön sehen, was es auch ausmacht, wenn Eltern, auch sehr informierte und liebevolle Eltern, ihre Sachkenntnis in bestimmten Bereichen überschätzen und über die Meinung der Fachleute stellen. Denn es besteht ja immer die Gefahr, dass man nicht objektiv denkt. Vielfach lässt einen auch die eigene Angst Dinge übersehen und überlesen, die man nicht wahrhaben möchte.

Das Traurige ist, hätte man das Kind ganz normal mit 3 Jahren und ohne den Hinweis, dass es hochbegabt ist, in den Kindergarten gebracht, würde das Kind wahrscheinlich ganz normal sprechen, so wie es sich vor dem Kindergarten auch angedeutet hat. Fatal ist eben auch die Annahme, dass alle hochbegabten Kinder motorische Defizite aufweisen und dass man daraus die Selbstverständlichkeit ableitet, dass ein Kind mit solchen Defiziten keine Hilfe braucht. Und man darf eben nicht vergessen, dass auch hochbegabte und intellektuell weit entwickelte Kinder immer noch kleine Kinder sind, die verschiedenste Ängste haben.

So erging es uns ja auch, als uns dann gesagt wurde: Ihr Kind ist sehr intelligent, aber es braucht trotzdem Ergotherapie. Man hat uns knalllhart ins Gesicht gesagt, dass A. auch später noch Probleme mit der Feinmortorik haben wird, weil sie natürlich alles vermeiden wird, was ihr schwer fällt. Sie hat z. B. die ersten vier Jahre ihres Lebens nie irgendwas mit der Schere geschnitten. Sie konnte es nicht und wollte es dann auch nicht mehr probieren. Bei der Ergo hat sie es dann gelernt. Anfangs waren wir von der Ergo auch nicht begeistert, aber in Nachhinein sind wir froh, dass wir sie hatten.

Irgendwie bewegt sich das im Moment scheinbar in so Extremen zwischen behindert, defizitär auf der einen Seite und dann eben hochbegabt auf der anderen Seite. Aber die meisten Kinder befinden sich eben immer noch irgendwo dazwischen und nicht am Rand. Und ob irgendwas nun krankhaft oder behandlungsbedürftig ist, das könne Eltern in der Regel doch gar nicht abschätzen (das ist jedenfalls meine Meinung). Und ebenso können die meisten Eltern zwischen Langeweile und Unterforderung nicht unterscheiden. Alle Kinder langweilen sich ab und zu mal, nur wenige sind wirklich unterfordert. Und trotzdem wird der Begriff "unterfordert" wirklich inflationär eingesetzt.
"Entschuldigung, ich habe nur kurz fantasiert." meine große Tochter, 4 Jahre alt (inzwischen 9 geworden)
mussmal
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Re: Mir macht das auch Angst, aber aus anderen Gründen...

Beitrag von mussmal »

Ich würde nicht so viel Energie darauf verschwenden, mir um andere Eltern Gedanken zu machen. :-)
Koschka_

Re: Mir macht das auch Angst, aber aus anderen Gründen...

Beitrag von Koschka_ »

halllo Winnie,

ich finde die Situation mit diesem Kind fuchtbar. In erster Linie braucht die Mutter hlife. Alle sind so schlau - der Arzt, der Kindergarten, der Logopäde, aber keiner bietet scheinbar richtig Hilfe. Wenn man zum logopäden geht und gesagt bekommt - du hast das kind falsch behandelt, du bist an seiner behinderung schuld... wessen psyche kann es aushalten?

LG
Koschka
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