Kontaktschwerigkeiten - bitte um Rat

[Spicewhite]

Hallo, ich bin neu hier und möchte Euch um Rat bezüglich meiner älteren Tochter fragen. Mein Mann und ich hatten vergangene Woche ein Entwicklungsgespräch im Kindergarten, das immer noch in mir nachhallt. Ich werde Euch nicht mit Details zutexten, warum sie anscheinend ein recht intelligentes Mädchen ist. (Zumal ich dieses Vergleichen und Wetteifern auch müßig finde, das dadurch schnell impliziert wird.) Bisher habe ich mir immer gedacht, dass es ja auch vollkommen egal ist, wie klug sie ist, solange sie gut zurecht kommt. Nun ist es aber offensichtlich so, dass sie im Kindergarten ziemliche Probleme mit den anderen Kindern hat. Sie wird im Sommer vier, spricht nach Aussage der Erzieherin wie eine Sechsjährige und spielt leider die meiste Zeit alleine vor sich hin. Dazu muss ich sagen, dass sie sehr fantasiebegabt ist, fast immer verkleidet in den Kindergarten kommt und bei ihren Spielen recht unflexibel ist, sodass die anderen Kinder keinen Zugang zu ihr bekommen. Sie selbst zeigt Interesse an anderen Kindern, ist keinesfalls autistisch, sondern eher übermäßig empathisch,ängstlich und sensibel, und traut sich schlichtweg nicht, mit den Kindern in Kontakt zu treten. Mit den Erzieherinnen versteht sie sich sehr gut, und ist meinem Eindruck nach bei ihnen auch recht beliebt. In ihrem Alter kommen und gehen die Freundschaften sehr schnell, und sie ist immer furchtbar verwirrt und traurig, wenn ein Kind, mit dem sie gestern noch gespielt hat, heute nicht mehr mit ihr befreundet sein will. Das belastet sie sehr, und in den Tagen danach mag sie gar nicht in den Kindergarten gehen. Mir ist auch aufgefallen, dass sie auf dem Spielplatz körperliche Angst vor anderen Kindern hat. Leider ist sie in der Kita  (wie fast alle anderen Kinder vermutlich auch) schon getreten oder gebissen worden. Sie ist ein sehr friedliches, nachdenkliches Mädchen und versteht solche Situationen offenbar nicht. Die Erzieherin sagte auch, dass sie anderen keine aktive Angriffsfläche bietet, diese sie aber teilweise sonderbar finden. Feinmotorisch ist sie gut entwickelt, aber grobmotorisch imponiert sie recht ungeschickt, was ihr die Integration zusätzlich erschwert.
Es hat mich offen gesagt sehr getroffen, dass sie so schlecht Anschluss findet. Für mich ist sie so ein wunderbarer, feinfühliger, kluger Mensch. Nun soll sie heilpädagogische Förderung erhalten, um ihre Defizite auszugleichen, was ich auch durchaus befürworte. Mein Problem mit der Situation ist, dass ich mich so in ihr wieder erkenne und ihr meinen Weg gerne ersparen würde. Bei mir gab es früher nur die Option, zu sein, wie ich bin und das Außenseitertum in Kauf zu nehmen, oder mich künstlich  'klein' zu machen und dafür integriert zu sein. Alleine schon, weil ich damit so viele Schwierigkeiten hatte und habe, möchte ich ihr das  'Label' hochintelligent oder gar hochbegabt ersparen. Ich möchte, dass sie sich liebt und akzeptiert wie sie ist und sich nicht für andere verstellt, aber gleichzeitig wünsche ich mir natürlich, dass sie besser integriert ist, als ich es als Kind und Jugendliche meist war. Hat vielleicht jemand von Euch ähnliche Erfahrungen und kann mir Tipps geben, wie ich mit der Situation umgehen soll? Das wäre sehr nett.

[sogesehen]

Hallo Spicewhite,
mein erster Gedanke, als ich Deinen Beitrag gelesen habe war, wie Ihr zu einem Tapetenwechsel steht?
Wo kommt Ihr denn her? Es gibt Gegenden in Deutschland, die sehr gut damit umgehen können, dass Kinder unterschiedlich begabt sind.
Ich selbst, und meine Kinder sind bisher nie im Kindergarten gebissen worden. Getreten sicherlich, aber das passiert auch im Spiel. Seit wann ist sie denn im Kindergarten? Gibt es Kindergarten-Alternativen, wo Ihr vielleicht Kinder kennt, die eher zu Deiner Tochter passen? Wenn es die Chance dazu gibt, würde ich versuchen, die passende Umgebung für Dich und Deine Tochter zu finden. Das tut Dir sicher auch gut.
LG

[Spicewhite]

Wir

[Bliss]

Deine Sorge kommt jetzt nur wegen dieses Gesprächs? Oder hattest du schon den Eindruck, dass deine Tochter auch unglücklich ist mit der Situation im KiGa?

Sie ist ja noch recht jung und vermutlich noch nicht allzulange im KiGa, da ist es jetzt nicht so ungewöhnlich, wenn ein Kind mehr beobachtet und allein spielt. Oft gibt sich das dann im zweiten Jahr, wenn die Gruppe neu zusammengesetzt wird weil neue Kinder dazukommen und alte weggehen. Also wenn sie nicht unglücklich ist, würde ich das erstmal noch relativ entspannt sehen.

[Spicewhite]

Ich habe schon den Eindruck, dass es ihr zu schaffen macht, ja. Wie gesagt, ist sie immer total betroffen, wenn ein Kind ihr sagt, dass es nicht ihr Freund ist. Sie nimmt sich das wahnsinnig zu Herzen. Wenn eines der Mädchen, die sie gebissen haben, an uns vorbei geht, versteckt sie sich hinter mir. Und wenn sie sich mal durchringen sollte, im Kiga zu frühstücken (was sie nach sechs Monaten zum ersten Mal gemacht hat), dann steht sie mit ihrem kleinen Rucksack in der Hand vor dem Tisch, geht von einem Kind zum nächsten ohne etwas zu sagen und setzt sich dann ganz alleine an einen Tisch. Wenn ich sie frage, warum sie sich nicht zu den anderen setzt, sagt sie, sie möchte ihre Ruhe haben. Das stimmt sicher einerseits, aber andererseits merkt man deutlich, dass sie sich eigentlich gerne dazu gesetzt hätte.

[Rabaukenmama]

So traurig es ist - man kann dem eigenen Kind auch dann keine negativen Erfahrungen ersparen wenn man sie voraussieht und selbst erlebt hat. Aber es macht schon einen grossen Unterschied wenn man (als Mutter) das Kind selbst wertschätzt und ihm das Gefühl gibt, so in Ordnung zu sein, wie es ist. Mehr kann man mMn nicht tun - ausser dem Kind zuzutrauen, SELBST Wege zu finden, die eigenen Schwierigkeiten zu bewältigen.

Ich erkenne mich genauso in meinem Sohn (4,1) wieder wie Du Dich in Deiner Tochter. Ich bin selbst hochbegabt und hatte immer extreme Schwierigkeiten mit Gleichaltrigen. Es dauerte sehr lange, bis ich im Kindergarten die ersten Freundschaften schloss und ich (unsportlich, dicke Brille, Zahnspange, orthopädische Einlagen) war sowohl im Kindergarten als auch in der Schule nicht gerade "hoch im Kurs" als Freundin.

Meinem Sohn geht es besser als mir damals, aber er hat auch Kontaktschwierigkeiten. Sein Kindergarten ist GsD eine altersgemischte Gruppe und er "kümmert" sich um die Kleinen wenn mal Gleichaltrige und "Grosse" nichts von ihm wissen wollen. Er möchte bei Spielen gerne die Regeln vorgeben und "Anschaffer" sein, was viele andere Kinder nicht wollen. Selbst betont er immer wieder "Ich habe keine Freunde im Kindergarten!". Tatsächlich ist es nicht so schlimm wie es sich im ersten Moment anhört, immerhin geht er meistens sehr gerne in den Kindergarten. Es gab aber auch schon Tage, wo er nicht hinwollte, weil "Alle anderen spotten mich immer aus und sagen Kakaerlak zu mir!" Im Moment ist diese Phase wieder vorbei und ich habe insgesamt das Gefühl, dass er trotz Kontaktschwierigkeiten Spass am Kindergarten hat und auch davon profitiert.

Umgekehrt gibt es im Kindergarten z.B. auch einen schüchternen Bub, der gerne Freund meines Sohnes sein möchte - den mein Sohn aber mit den Worten "NEIN, der ist nicht mein Freund!" ablehnt. Nachgefragt stellt sich dann heraus, dass er den anderen Bub zwar ganz gut leiden kann, ihn aber (aus nicht näher erklärten Gründen) trotzdem nicht als Freund haben will. Ich vermute bei meinem Sohn dass bei seinen Kontaktschwierigkeiten auch mitspielt, dass er selbst immer im Mittelpunkt stehen will und andere neben ihm kaum zu Wort kommen.

Wenn ich ins Grübeln komme warum mein Sohn so schwer Anschluss findet und wie ich ihm helfen könnte, mache ich mir immer bewusst, dass es etliche Kinder gibt, die mit 4 Jahren einfach noch nicht zu echten Freundschaften und innigeren Kontakten zu Gleichaltrigen fähig sind. Mein Sohn ist seinen Altersgenossen in sehr vielen Dingen weit voraus - da ist es eigentlich nur logisch, dass es auch Bereiche geben MUSS, wo er Defizite hat. Auch Erwachsene haben unterschiedlich viele und unterschiedlich innige soziale Kontakte. Manche haben lieber viele "oberflächliche" Freunde, anderen reichen 1-2 Menschen, zu denen sie oft eine innige Verbundenheit empfinden. Daher gestehe ich meinem Sohn zu, noch "keine" Freunde zu haben und versuche, nicht eingreifen zu wollen wo es nichts einzugreifen gibt. Ich kenne sehr viele Eltern, die ihre Kinder gerne in eine Art Idealschema pressen würden: ausreichend lebhaft um sich was sagen zu trauen aber zurückhaltend genug um nicht als vorlaut unangenehm aufzufallen, nicht ständig überall Mittelpunkt aber auch keinesfalls Aussenseiter, bitte nicht "auffällig" begabt (um schön angepasst zu sein) aber auch ja in keinem wichtigen Punkt "schlechter" als andere Kinder gleichen Alters,...

Das führe ich mir vor Augen und versuche dann, mein Kind WIRKLICH so zu nehmen, wie es ist. Seine Ähnlichkeit zu mir selbst macht mir das aber leider oft schwer, vor allem weil mir mein Sohn meine eigenen Schwächen immer wieder vor Augen führt. Aber ich erinnere mich noch genau, dass mich der Rückhalt, den ich bei meiner Mutter gefunden habe, IMMER gestärkt hat - auch wenn sie mir meinen eigenen Weg nicht ersparen konnte.

[Spicewhite]

Ich kann sehr gut nachvollziehen, was du schreibst. Natürlich ist es das Wichtigste, die Kinder genau so zu lieben und wertzuschätzen, wie sie sind, an sie zu glauben und ihnen das auch zu vermitteln. Das ist das Rüstzeug fürs Leben, aber eben leider kein Allheilmittel. Naja, ist wahrscheinlich der Lernprozess, den eine Mutter einfach durchlaufen muss, sobald die Peers für das Kind relevant werden.

[Lalena]

ach du lieber himmel
ich habe keinen rat für dich.
dein text könnte von mir sein

[AngelikaMeister]

Ich habe immer meine Hausaufgaben selbständig gemacht, so kriegst du unschätzbare Erfahrung. Jetzt schöpfe ich Erfahrung hier – lord of the ocean spielen. Das ist das beste was ich in der letzten Zeit gefunden habe!