Waldorfschule

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
charlotte2
Dauergast
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Re: Waldorfschule

Beitrag von charlotte2 »

Vielen Dank für Eure vielen Antworten! Dass nicht nur Wissen eingebleut und abgefragt wird, sondern eben auch Handwerk, Musik usw. vermittelt wird, dieses ganzheitliche Lernen, das gefällt mir sehr gut an Waldorf. Wir haben uns damals auch ja auch für den Waldorfkindergarten entschieden. Die Erzieherin dort gab uns allerdings auch den dringenden Rat, unsere Kleine nicht lesen zu lassen sondern abzulenken. Was ich nicht wirlich ernsthaft versucht habe, weil ich nicht dahinterstehe, ich glaube auch nicht, dass das funktioniert hätte, sie ist sehr willensstark. Ich habe im Kindergarten vor kurzem beobachtet, wie sie etwas aufs Papier schreibt, wild darüberkritzelt und dann schelmisch grinsend der Erzieherin erzählt, dass sie einen See gemalt hat. Sie malt im Kindergarten nicht gegenständlich, so dass man mir im Entwicklungsgespräch etwas von "Urkreisen" erzählt hat, obwohl sie zu dem Zeitpunkt schon lange Männchen, Häuser, Bäume usw gemalt hat. Beim Vorsingen hat sie demonstrativ gähnend die Bewegungen dermaßen lustlos mitgemacht, dass ich mich fast für sie geschämt habe - um dann von der Erzieherin zu hören, wie toll sie doch mitgemacht hätte. Als beim Puppenspiel mal die Eltern dabei sein durften, war mir gleich klar, dass sie die Geschichte todlangweilig findet (x Wiederholungen, kaum Handlung), ich sah ihr das auch an, so wie sie da saß, und sie bestätigte mir das dann auch. Wobei das alles nur Einzeleindrücke sind, ich bin ja nicht im Kindergarten-Alltag dabei. Wenn man fragt, wie es ihr gefällt im Kindergarten, sagt sie nur, dass sie nicht so viele Kinder auf einem Haufen mag. Deshalb bin ich zunehmend skeptisch, ob das in der Schule nicht genau so weitergeht, wobei das "normale" Schulsystem mit Wissen einbleuen, wiedergeben, vergessen, mich auch nicht wirklich überzeugt. Aber dort muss sie wenigstens nicht das Gefühl haben, wenn man schreiben kann, dann sei das etwas, was man verstecken muss. Andererseits überzeugt mich Steiner auch nicht wirklich, z.T. finde ich die Ideen ganz interessant, z.T. haarsträubend (z.B. Thema Linkshänder...) Bin hin- und hergerissen. Momos Erfahrungen sind ja sehr positiv, wobei in anderen Artikeln unsere Kindergartenerfahrungen anklingen mit sehr unflexiblem Menschenbild usw.
Wir haben ja auch noch Zeit. Aber wie bekommt man denn schon vor der Einschulung besser Einblick in die örtliche Waldorfschule?
alibaba

Re: Waldorfschule

Beitrag von alibaba »

charlotte2 hat geschrieben: Aber wie bekommt man denn schon vor der Einschulung besser Einblick in die örtliche Waldorfschule?
Wie überall gibt es auch hier Tag der offenen Türen. Unabhängig davon, wird ja nicht jeder dort aufgenommen :mrgreen: so dass es ein recht großes Prozedere bei der Schuleinschreibung gibt. Es wird sozusagen geschaut ob es passt. Die Eltern werden also "überprüft".

Ihr könntet auch das Kind mal schnuppern lassen, wenn das die Schule mitmacht. Am besten anfragen. Ihr dürftet es doch recht einfach damit haben, durch die Grundlage des Kigas.

Wenn Ihr es genau wissen wollt, schießt doch gleich mal mit Pfeil und Bogen. Vereinbart einen Termin, zum gegebenen Zeitpunkt. Sprecht dort an, was euch auf dem Herzen liegt und seht wie die Reaktion darauf ist. :geek:

Das Kinder in einer normalen Regelschule besser gefördert oder sogar besser verstanden werden, das halte ich für Quatsch. Automatisch muss das nicht besser sein. Auch kann es einem apassieren, das man in einem ganz nromalen Kiga darauf angesprochen wird, dem Kind doch lieber soziale Strukturen statt lesen beizubringen. Das man erst als Vorschulkind eine Sprechrolle im Theaterstück bekommt ist auch im normalen Kiga oft so, was auch an den Elternforderungen liegt und weniger an dem was die Erzieher gerne wollten.

Es ist ganz schwierig. Es gibt einige Dinge an Waldorf die mich durchaus ansprechen, einige jedoch gar nicht. DIE Schule gibt es nicht. Auch die Regelgrundschulen sind keine Stätten der kognitiven Entfaltung. :x

Schaut, was für Euch passt. Viel Erfolg.
Rabaukenmama
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Re: Waldorfschule

Beitrag von Rabaukenmama »

alibaba hat geschrieben: Auch kann es einem apassieren, das man in einem ganz nromalen Kiga darauf angesprochen wird, dem Kind doch lieber soziale Strukturen statt lesen beizubringen. Das man erst als Vorschulkind eine Sprechrolle im Theaterstück bekommt ist auch im normalen Kiga oft so, was auch an den Elternforderungen liegt und weniger an dem was die Erzieher gerne wollten.
Es gibt auch den umgekehrten Fall: mein Sohn geht in einen Kindergarten wo alle Kinder ab 4 Jahren eine interne "Vorschule" besuchen, wo sie Buchstaben und Zahlen lernen. Für meinen Sohn ist das auch voll ok (obwohl er schon lesen und schreiben kann ist er in der Vorschule sehr motiviert), aber ich habe mit einer anderen Mutter besprochen, deren 4jähriger Sohn eben einfach noch kein Interesse an Buchstaben oder Zahlen hat. Außerdem kennt die Mutter ihr Kind und hat bezweifelt, dass es schon zu konzentrierter Mitarbeit bereit sein wird.

Diese Mutter hat gebeten, bei ihrem Kind mit der Vorschule noch zu warten und die Kindergartenleiterin hat ihr zugeredet daß das Kind ganz viel Spaß in der Vorschule haben wird weil es allen so Spass macht und daß das Interesse bald kommen wird.

Tja, es ist so gekommen, wie die Mutter vorhergesehen hat: der Bub verweigert in der Vorschule die Mitarbeit und zeigt keinerlei Interesse an Buchstaben oder Zahlen. Jetzt ist die Mutter gerade dabei, auszufechten dass ihr Kind nicht in die Vorschule MUSS sondern auf eigenen Wunsch in der Zeit bei den "Kleinen" bleiben darf...

...ich finde dieses Beispiel zeigt (im Vergleich mit Kindern im Waldorf-Kiga, die bei Interesse an Buchstaben oder Zahlen abgelenkt werden sollen) sehr schön, wie in beide Richtungen versucht wird, Kinder entgegen ihren tatsächlichen Interessen in ein bestimmtes Schema zu pressen.

Und das ist im Kindergarten genauso wie in der Schule, unabhängig davon, den Namen welches Erziehungsgurus sich die jeweilige Institution nach aussen hin auf die eigenen Fahnen heftet.

Seine erste Sprechrolle in einem Theaterstück bekam mein Sohn übrigens kurz nach seinem 3. Geburtstag. Wie gesagt - SEINER Wesensart kommt das Konzept des Kindergartens entgegen. Aber beim letzten Theaterstück war außer meinem Sohn nur ein einziges Mädchen dabei, dass seine Rolle auch in der "Vorstellung" vor den Eltern deutlich und verständlich aufsagen konnte.

Eine Einrichtung zu finden, die WIRKLICH auf jedes Kind als Individuum eingeht und - je nach Bedarf und Wesensart - fördert oder in Ruhe lässt, ist mit der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen vergleichbar.
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Momo
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Re: Waldorfschule

Beitrag von Momo »

Koschka hat geschrieben:
Hinter der Waldorfpädagogik stecke viel drin - von esotherik bis philosophie. Es ist eine Illusion, dass dieses Konzept den kreativen Kindern mehr Freiheit bietet. Es ist sehr streng und sehr dogmatisch. Der einzige Unterschied zu der normalen Schule - dieses Dogma geht in die andere Richtung.
Dies kann ich überhaupt nicht unterschreiben, da ich es wie oben beschrieben völlig anders erlebt habe! Sicherlich gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Schulen, je nachdem wie die Persönlichkeit der Lehrer ist und wie die Lehre Rudolf Steiners für die heutige Zeit interpretiert wird. Es gibt natürlich auch konservative Schulen, aber auch viele mit einer jungen, offenen und progressiven Umsetzung, in der sich alle Kinder wunderbar entfalten können.
Hast Du selbst Erfahrungen mit Waldorfschulen gemacht oder warum bist Du der Meinung, dass es eine Illusion ist, dass das Waldorfkonzept kreativen Kindern mehr Freiheit bietet???

LG Momo
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Rabaukenmama
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Re: Waldorfschule

Beitrag von Rabaukenmama »

Naja, kommt ganz drauf an wie man "kreativ" definiert. Es gibt sicher kreative Kinder, denen das Waldorfkonzept entgegenkommt.

Ich halte meinen Sohn auch für sehr kreativ, aber nicht NUR in dem Sinn, dass er z.B. gerne malt, bastelt, musiziert, sich in der Natur aufhält, mit Ton arbeitet, oder Geschichten erfindet. Er hat z.B. mit 3 Jahren und 8 Monaten eine Landkarte gezeichnet - mit Ortsnamen. Orthografisch natürlich nicht ganz richtig, aber genau so, wie für ihn eine Landkarte aussehen soll. Es gibt sicher auch Waldorfschulen, wo er das "darf" - aber ob er dafür gelobt und darin bestärkt wird, in dieser Art kreativ zu sein, wage ich zu bezweifeln.

Wenn ein musikalisches Kind auf einem Xylophon oder Keybord rumklimpert ist das toll. Wenn es selbst Melodien erfindet, dann "darf" es das auch noch. Wenn es diese Melodien aber in Noten aufschreiben will wird ihm mMn aber in einer typischen Waldorfschule nicht die Möglichkeit geboten, das Noten-lesen und Noten-schreiben zu lernen. Und das ist auch so, wenn es sowohl den Willen als auch die Fähigkeiten dazu hätte.
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alibaba

Re: Waldorfschule

Beitrag von alibaba »

Koschka hat geschrieben:Hinter der Waldorfpädagogik stecke viel drin - von esotherik bis philosophie. Es ist eine Illusion, dass dieses Konzept den kreativen Kindern mehr Freiheit bietet. Es ist sehr streng und sehr dogmatisch. Der einzige Unterschied zu der normalen Schule - dieses Dogma geht in die andere Richtung.
Ich wäre da liberaler. Die Kinder die ich aus Waldorf kenne machen alle keinen unglücklichen Eindruck. Ok, ich bin hier nicht repräsentativ. ;)

Drill und autoritäre Vorgaben kenne ich hier aus dem örtlichen Voltigierverein, da kommen manche weinend raus. :gruebel:

Wichtig ist, man muss sich genau über diese Schulform informieren und ob Förder- und Forderung gelingen kann, hängt sehr stark von den Lehrern der Schule vor Ort ab.

VG
Momo
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Re: Waldorfschule

Beitrag von Momo »

Rabaukenmama hat geschrieben:
Naja, kommt ganz drauf an wie man "kreativ" definiert. Es gibt sicher kreative Kinder, denen das Waldorfkonzept entgegenkommt.

Ich halte meinen Sohn auch für sehr kreativ, aber nicht NUR in dem Sinn, dass er z.B. gerne malt, bastelt, musiziert, sich in der Natur aufhält, mit Ton arbeitet, oder Geschichten erfindet. Er hat z.B. mit 3 Jahren und 8 Monaten eine Landkarte gezeichnet - mit Ortsnamen. Orthografisch natürlich nicht ganz richtig, aber genau so, wie für ihn eine Landkarte aussehen soll. Es gibt sicher auch Waldorfschulen, wo er das "darf" - aber ob er dafür gelobt und darin bestärkt wird, in dieser Art kreativ zu sein, wage ich zu bezweifeln.

Wenn ein musikalisches Kind auf einem Xylophon oder Keybord rumklimpert ist das toll. Wenn es selbst Melodien erfindet, dann "darf" es das auch noch. Wenn es diese Melodien aber in Noten aufschreiben will wird ihm mMn aber in einer typischen Waldorfschule nicht die Möglichkeit geboten, das Noten-lesen und Noten-schreiben zu lernen. Und das ist auch so, wenn es sowohl den Willen als auch die Fähigkeiten dazu hätte.
Rabaukenmama,
es ist interessant, was Du schreibst. Wie kommst Du darauf, dass es nicht begrüßt wird, wenn Kinder eigenständig Landkarten zeichnen??? Es ist gerade ein wichtiger Teil des Waldorfkonzeptes, dass die Kinder, anstatt sich dass Wissen aus Schulbüchern anzueignen, sich die Inhalte selbst erarbeiten. Dazu gehört z.B. auch ein selbst erstelltes Heft, in denen die Kinder sowohl die Texte als auch die Bilder selbst malen und schreiben. Dadurch, dass z.B. Landkarten selbst gezeichnet werden, konnte ich mir jedenfalls die Inhalte sehr viel besser merken, als wenn ich sie nur rein visuell eingeprägt hätte.
Und auf die Noten bezogen- es wird sehr begrüßt, wenn Kinder ein Musikinstrument lernen und dazu gehört meistens auch das Lernen von Noten. Ich hatte z.B. seit der ersten Klasse Geigenunterricht und liebte es auch, eigene kleine Musikstücke zu komponieren. Gebremst wurde ich nie, ganz im Gegenteil!

Was wirklich anders ist im Gegensatz zu den Regelschulen ist die Zeit, die den Kindern für die Entfaltung ihrer Talente gegeben wird. Und damit haben viele Eltern erfahrungsgemäß ein Problem, alles was sich erstmal nicht messen lässt wird schnell missverstanden oder übersehen. Doch ich bin der Meinung, dass auch begabte Kinder Zeit, Zuspruch und Motivation brauchen, damit sie nicht demotiviert werden. Nur Leistungsdruck bringt gar nichts, denn wo durch Druck die Motivation zerstört wird, hilft einem auch das größte Talent nichts!

Im Schulsystem muss sich dringend etwas ändern, es gibt viele gute alternative Konzepte, die werden sich auf lange Sicht durchsetzen- das hoffe ich zumindest sehr!

LG Momo
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Rabaukenmama
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Re: Waldorfschule

Beitrag von Rabaukenmama »

@Momo: Ich habe gar kein Problem damit wenn in Waldorfschulen den Kindern Zeit gegeben wird. Was mich stört sind bei typischen Waldorfschulen die Vorgaben, wann ein Kind etwas FRÜHESTENS machen bzw. wissen darf. Das ist in meinen Augen genauso bevormundend, wie wenn vom Kind verlangt wird, etwas zu machen, was es noch nicht kann oder will, weil es schon soundso alt ist.

Um auf´s Landkarte-zeichnen zurückzukommen: da stelle ich mir vor, dass die Grenze schnell erreicht ist. Denn geschriebene Ortsnamen passen schon nicht mehr zu einem nicht mal 4-jährigen Kind und wenn das Kind dann auch noch nachfragt "Habe ich das RICHTIG geschrieben?" gibt´s eigentlich nur noch 2 Möglichkeiten: entweder das Kind anlügen und sagen, "Ja, Wien schreibt man wirklich WIN" oder die Wahrheit sagen und dem Kind vielleicht sogar noch zeigen, wie man die Orte korrekt schreibt. Ich spreche hier nur von dem Fall, dass das Kind VON SICH AUS nach der richtigen Schreibweise fragt, ansonsten habe ich kein Bedürfnis zu sagen "Ja, das ist ja ganz nett, aber Amstetten schreibt man nicht mit SCH..." sondern kann - wenn das Kind mit seinem Werk zufrieden ist - auch zufrieden sein.

Ähnlich verhält es sich mit Musikinstrumenten und Noten. Wenn ein Kind Spaß am improvisieren und "klimpern" hat - sehr gerne! Wenn es aber ein "richtiges" oder sogar ein bestimmtes Musikstück selbst spielen möchte ist es einfach notwendig, Noten lesen zu können. Und wenn es seine eigenen Kompositionen auf Papier festhalten will ist auch Noten schreiben notwendig. Und da hat ein Kind bei einem GUTEN Kindergarten- oder Schulkonzept das Recht auf Information und Wissen - unabhängig von seinem Alter.

Bei beiden Beispielen frage ich mich: wie wird in einer typischen Waldorfschule damit umgegangen, wenn das Kind erst 3, 4 oder 5 Jahre alt ist? Ich spreche nicht von Ausnahmen, die es bei allen Schulformen gibt - sowohl positiv als auch negativ!
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Re: Waldorfschule

Beitrag von Momo »

Rabaukenmama hat geschrieben:
Bei beiden Beispielen frage ich mich: wie wird in einer typischen Waldorfschule damit umgegangen, wenn das Kind erst 3, 4 oder 5 Jahre alt ist? Ich spreche nicht von Ausnahmen, die es bei allen Schulformen gibt - sowohl positiv als auch negativ!
Die Waldorfschule geht ja in der Regel ab 6 Jahren los, somit erübrigt sich diese Frage. Auf den Waldorfkindergarten bezogen weiß ich, dass es den Kindergärtnerinnen vor Allem darauf ankommt, dass die Kinder frei und kreativ spielen dürfen und dabei Erfahrungen sammeln und lernen dürfen. Wie konkret auf Fragen nach Buchstaben etc. eingegangen wird, weiß ich nicht. Da ich mir ebenfalls in der Kindergartenzeit das Lesen selbst beigebracht habe, wurde ich scheinbar auch nicht daran gebremst. Doch ich denke auch, dass ein begabtes Kind so viel mehr in dieser Kindergartenzeit lernen kann als "nur" Lesen und Schreiben und dass es absolut richtig ist, auf Dinge wie soziale Kompetenz, eigenes kreatives Schaffen etc, den Schwerpunkt zu legen.
Ich habe übrigens eine interessante Studie gelesen, aus der hervorgeht, dass Waldorfschüler, die teilweise spät lesen gelernt haben, im Alter von ca. 10 Jahren eine bessere Lesefähigkeit als die Frühleser hatten: http://www.spiegel.de/schulspiegel/wiss ... 35406.html

Um das Ganze aus meiner Sicht auf den Punkt zu bringen:
Die Fragen der Kinder beantworten ist gut und richtig. Doch es gibt neben den Fähigkeiten des frühen Lesens, Schreibens und Rechnens so viele andere Fähigkeiten, die in diesem jungen Alter unterstützt und ausgebildet werden sollten. Ein gutes Gefühl für sich selbst, die Erfahrung, kreativ Probleme selbst lösen zu können, soziale Kompetenz, grob- und feinmotorische Fähigkeiten, achtsam mit der Natur und den Mitmenschen umzugehen usw., all diese Dinge sind auch meiner Meinung nach der Grundstein für eine gute weitere Entwicklung. Wann das Kind letztendlich Lesen lernt, ist in Bezug auf die gesamte Persönlichkeitsentwicklung unwichtig. Deshalb kann ich gut nachvollziehen, warum in Waldorfkindergärten die Persönlichkeitsentwicklung und Stärkung der Kinder im Vordergrund steht. Und wenn ein besonders interessiertes Kind sich zusätzlich auch noch das Lesen beibringt ist das schön, doch nicht wirklich wichtig in diesem Alter. Interessierte Kinder haben ja nicht nur Interessen in diesem Bereich, oder?
Ich glaube, so ist auch die Waldorfpädagogik zu verstehen.
LG Momo
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Rabaukenmama
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Re: Waldorfschule

Beitrag von Rabaukenmama »

Momo hat geschrieben: Die Fragen der Kinder beantworten ist gut und richtig. Doch es gibt neben den Fähigkeiten des frühen Lesens, Schreibens und Rechnens so viele andere Fähigkeiten, die in diesem jungen Alter unterstützt und ausgebildet werden sollten. Ein gutes Gefühl für sich selbst, die Erfahrung, kreativ Probleme selbst lösen zu können, soziale Kompetenz, grob- und feinmotorische Fähigkeiten, achtsam mit der Natur und den Mitmenschen umzugehen usw., all diese Dinge sind auch meiner Meinung nach der Grundstein für eine gute weitere Entwicklung."

Das sind mMn alles Dinge, die in ganz normalen Kindergärten vermittelt werden. Meine beiden Buben besuchen Familiengruppen (altersgemischt von 1,5 bzw. 2 bis 6 Jahre), der ältere in einem privaten, der Kleine in einem städtischen Kindergarten. Da muss nicht "Waldorf" drüberstehen damit das so gehandhabt wird. Wie gesagt - alle Konzepte stehen und fallen mit den Personen, die sie umsetzen.

Aber Kinder sind nun mal verschieden und haben auch in den von Dir aufgezählten Gebieten nicht alle im selben Alter die gleiche Kompetenz - weder in Waldorf- noch in sonstigen Einrichtungen. Daher gibt´s mMn durchaus Kinder, denen in der Schule das Waldorfkonzept entgegenkommt und andere, die sich mit einem klassichem Schulbetrieb leichter tun. Bei Konzepte haben mMn einige Vor- und einige Nachteile.
Momo hat geschrieben: Wann das Kind letztendlich Lesen lernt, ist in Bezug auf die gesamte Persönlichkeitsentwicklung unwichtig. Deshalb kann ich gut nachvollziehen, warum in Waldorfkindergärten die Persönlichkeitsentwicklung und Stärkung der Kinder im Vordergrund steht. Und wenn ein besonders interessiertes Kind sich zusätzlich auch noch das Lesen beibringt ist das schön, doch nicht wirklich wichtig in diesem Alter. Interessierte Kinder haben ja nicht nur Interessen in diesem Bereich, oder?
Doch, es gibt ETLICHE Kinder, die sich - zumindest eine Zeitlang - nur für einen Bereich interessieren. Mein Großer ist so ein Kind. Und ich glaube nicht, eingreifen zu müssen, solange das Interesse an nur EINER Sache nicht so lange anhält, dass mMn Suchtgefahr besteht. Nach seinem Ausflug ins Legoland wollte mein Sohn ca. 10 Tage lang NUR Lego bauen. Er war nur gegen seinen Willen auf den Spielplatz zu schleppen (sonst liebt er Spielplatzausflüge), wollte nicht zum einkaufen mitkommen ("Geh nur allein, ich muss das noch fertig bauen") und war abends nicht ins Bett zu bekommen weil er sich nicht von den Lego-Steinen loseisen konnte. Morgens bei Kindergarten-bringen war es das Gleiche und gleich nach dem heimkommen mussten sofort wieder die Lego-Steine hergeräumt werden.

Nun ist Lego mMn ein sehr hochwertiges, interessantes Spiel und die Kinder können damit herrlich kreativ sein - doch das war sogar mir zu viel und ich habe kurze Zeit echt überlegt, ein Lego-Limit einzuführen. Doch dann habe ich mir selbst innerlich eine Frist gesetzt, bis zu der ich die Sache noch beobachten wollte, und siehe da - plötzlich waren wieder andere Dinge interessant :) .

Und genau DA versagt mMn das Waldorf-Konzept: darin, auch zu akzeptieren, dass viele Kinder Phasen haben, wo sie nur an einer Sache interessiert sind! Darin, ihnen das Recht einzuräumen, die dem Kind für "freies Spielen" zur Verfügung stehende Zeit EXZESSIV für eine Sache zu nutzen, ohne diese Sache bewerten zu müssen!

Bei meinem Sohn beobachte ich solche exzessiven Phasen immer wieder - im Moment ist wieder Rollenspiel dran. Irgenwann sind es wieder Kinder-Videoclips am PC, dann ist es wieder lesen, dann rechnen, dann Auto-spielen, dann zeichnen,...

Und das will ich damit sagen: es geht nicht explizit ums lesen-lernen (das ist nur EIN Punkt und noch dazu ein sehr kleiner) sondern darum, das Kind im Rahmen des möglichen SELBST bestimmen zu lassen, wie es sich beschäftigt. Dazu gehört aber eine grosse Portion Vertrauen in die Fähigkeiten des eigenen Kindes. Wenn wer glaubt, ständig bewerten und limitieren zu müssen, damit das Kind den "richtigen Weg" finden kann, macht es dem Kind mMn im Endeffekt schwerer, diesen Weg zu finden.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
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