Wir waren neulich mit unserer Tochter, gerade 3 geworden, bei einem Psychologen der (angeblich) auf Begabungsthemen von Vorschulkindern spezialisiert ist.
Grund ist, dass unsere Tochter zu Hause ganz anders ist als in der Kita, wo sie sich absolut altersgerecht und völlig unauffällig verhält (bis auf motorische Unruheerscheinungen und gelegentliches Einnässen, nur dort, nicht zu Hause... - also für uns alarmierende Signale)
Direkt als wir in die Praxis kamen, dachte ich, dass ich den falschen Psychologen aufgesucht habe. Das Büro sah aus wie ein etwas miefiges ganz normales Büro, überall Urkunden und Landkarten an den Wänden, nichts kindgerechtes, gar nichts. Der Mann gab sich kaum Mühe unsere Tochter kennenzulernen, war über 60, mit einer lauten Baßstimme und legte ihr direkt Testaufgaben vor.
Diese Aufgaben kamen mir unglaublich einfach vor, Seiten waren in zwei Farben aufgeteilt und es gab dieselben Tiere oder Gegenstänge auf jeder Seite zu sehen. Ein einziges Tier gab es allerdings nur auf einer Seite und das sollte sie rausfinden. Auf anderen Blättern war ein Gegenstand auf jeder Seite zu sehen, während alle anderen nur einmal vorkamen, also die umgekehrt Aufgabe.
Der Mann begann ganz kompliziert, unserer Tochter die Regeln zu erklären, also "sag mir doch nun mal, welches Tier auf der grünen Seite zwar zu sehen ist und aber nicht auf der weißen Seite?"
Unsere Tochter gab sich wirklich Mühe, obwohl wir draussen im Flur sassen und sie den Mann etwas einschüchternd fand und liess sich auf die Tests ein, obwohl der Mann sie wie eine viel ältere Schülerin behandelte ("Nein, das war die falsche Antwort!"). Sie war verwirrt, versuchte seinen Gedankengängen zu folgen und fing sogar ganz kompliziert mit Ausschlussverfahren der falschen Lösungen an: "Die Katze ist auf der linken Seite auch zu sehen, daher ist das die falsche Antwort..."
Aufgaben, die sie mit einer einfacheren Anleitung spielend gelöst hätte, bekamen auf einmal eine schwierige Dimension. Auf meine Frage hin, warum er die Frage nicht so formulierte: "Welches Tier ist zweimal zu sehen?� oder �was ist hier doppelt abgebildet?" wurde ich vor meiner Tochter böse angezischt �BITTE NICHT!!!� und bekam zu hören, dass von Seiten des Tests der genau Wortlaut der Fragestellung vorgeschrieben sei.
Das hat mich sehr verwundert, denn dann ist es ja ein totaler Zufall, ob das Kind die ensprechenden Worte kennt die der Test verlangt , bzw. ob ein Kind in der kurzen Zeit auf einmal eine andere Denkweise annehmen kann.
Später stellte er Aufgaben wie: "Was auf dem Bild kann man füttern?" (Katze, Schuh, Baum etc.), unsere Tochter kennt den Begriff �füttern� gar nicht, denn wir geben unserem Hund immer �zu fressen".
Und so war es an verschiedenen Stellen, er fragte immer nur einmal nach einer genau vorgegeben Art und wiederholte dies ganz oft (schrecklich, wenn man weiss, dass das Kind die Wiederholungen total nervig findet, aber einfach den Begriff nicht kennt!), und wenn unsere Tochter das Wort oder den Begriff nicht kannte oder eine andere Zuordnung kannte, dann konnte sie die Aufgabe eben nicht lösen. Z.B. auf die Frage �Was gehört in den Garten?� (Obst, Gitarre, Werkzeug) zeigte sie auf das Werkzeug, denn sie kennt keinen Obstgarten, auch nicht aus Büchern. Allerdings kennt sie Werkzeug im Garten von Torreparaturen. Oder �Was gehört zum Wald?� � da ordnete sie den Pilz nicht zu, den der gehört für sie in den Garten (wir haben viele Pilze im Garten�).
Ich fand den Test so total zufällig irgendwie� wenn es eine Erfahrungs-�Passung� von Begriffen und Situationen gibt, kann das Kind die Aufgaben lösen, sonst eben nicht.
Erklärungen konnte man sich sparen, die wollte der Psychologe nicht hören, es sei alles standardisiert weil sonst nicht vergleichbar.
Aber wie kann man den so einen individuellen Entwicklungsstand messen?
Das Ergebnis besagte trotzdem, dass sie ca. 1 Jahr voraus ist, also den Abstraktionsstand einer Vierjährigen habe. Das hat mich erstaunt, denn sie hat ja höchstens die Hälfte der Ergebnisse richtig gesagt. (Und zu Hause löst sie solche Aufgaben spielend, es würde sie eher langweilen...)
Also das war keine sehr angenehme Erfahrung durch die für unsere Tochter sehr hohe �Fehlerquote� die ihr dann auch ganz bewusst gemacht wurde (�das ist falsch!�) und mich würde interessieren ob alle Entwicklungstests in der Art ablaufen?
Gibt es hier jemand, der damit Erfahrung hat? Ist es wirklich so, dass nur ganz bestimmte Worte genannt werden dürfen und dass keine alternativen Fragestellungen für die Aufgabenerklärung angewendet werden dürfen?
Ich habe den Eindruck, der Entwicklungsstand wurde nur sehr einseitig gemessen, es gab nur diese zwei Sorten von Tests und das ganze hat eine Stunde gedauert, mit nur 5 Minuten Pause dazwischen. Unsere Tochter hat sich so tapfer geschlagen, und er meinte, sie hätte sich nur �sehr kurz konzentrieren können��
Wenn alle Tests so ablaufen, war dies unser letzter�

Viele Gruesse
xenia