Wie an anderer Stelle erst kürzlich hier gepostet, hat er kaum Freunde und verbringt seine Freizeit am liebsten daheim in seinem Zimmer. Da liest er dann stundenlang, hauptsächlich Comics (Donald Duck, Asterix, Gaston ...) Er liebt diese Welten, erzählt gern und oft davon und zeichnet mit verblüffender Detailtreue Szenen nach. Nebenbei läuft dauerhaft Radiomusik oder Oldtime Jazz; im Moment steht er auf Harry Belafonte. Wir müssen ihn dazu nötigen, mal rauszugehen oder mal was anderes zu lesen - Harry Potter mag er nicht, lieber verschlingt er derzeit historische Biografien von U-Boot-Kommandanten aus dem Zweiten Weltkrieg.
Wenn ich ihn lassen würde, würde er neben dem Lesen nachmittagelang Spiele auf seinem Tablet spielen (Lego Star Wars ... habe ich ihm erlaubt, damit er darüber vielleicht doch mal Anschluss zu Gleichaltrigen bekommt, obwohl ich eigentlich finde, dass es seine Intelligenz beleidigt

Nun kann man wohl geteilter Meinung sein, ob man diese Art, seine Zeit zu verbringen, unbedingt ändern muss, wenn er damit eigentlich glücklich ist, in der Schule alles passt und er nicht übergewichtig und unfit wird ...
Das Schlimme ist aber, dass man ihm zu jeder Tageszeit alles zehnmal sagen muss, damit man ihn von diesen Beschäftigungen loseisen kann - und das geht mir und meinem Mann so ungemein auf die Nerven. Ich habe nichts dagegen, einen Elfjährigen ans Zähneputzen zu erinnern, oder ihn zu bitten, seine Hose umzuziehen, oder zum Essen zu kommen ... Aber ich werde zunehmend aggressiv, wenn ich das immer gefühlte hundert Mal machen muss. Meist hört er erst, wenn man ihn anbrüllt und eine Konsequenz androht. Manchmal hilft auch Letzteres nicht. Dann versäumt er das Frühstück und isst erst mittags was. Wenn er dann herumheult, dass er so Hunger hat, bleibe ich hart - was ihn aber nicht daran hindert, am nächsten Wochenende wieder das Frühstück zu verpassen. Oder Abends die Nachrichten, die er gern immer ansieht.
Wenn er liest, nimmt er um sich herum offenbar nichts mehr wahr und verliert jedes Zeitgefühl. Er hat sich scheinbar selbst darauf konditioniert, erst zu reagieren, wenn ihn jemand anschnauzt. Auch eine Stoppuhr im Zimmer hilft nicht, weil er sie nicht benutzt. Ich könnte ihn auch niemals auf seinen jüngeren Bruder aufpassen lassen, denn sobald er irgendwo etwas zu lesen sieht (und er sieht überall etwas), ist seine Aufmerksamkeit komplett abgeschaltet.
Kennt jemand dieses Verhalten? Ist das typisch? Geht es evtl. in Richtung Aufmerksamkeitsstörung? Gibt sich das mit der Zeit?
In der Schule, wo er sich selbst kontrollieren muss, klappt es offenbar besser. Da verschusselt er nur gelegentlich etwas.
Wie kann ich mich als Taktgeber- und Erinnerungsmaschine zurückziehen, ohne dass er total in seinem Zimmer versauert??
Bin phasenweise echt ratlos und gerate auch immer wieder mit meinem Mann aneinander, weil der viel härter durchgreifen würde (alle Comics weg etc.). Da mein Sohn aber sehr sensibel ist, widerstrebt mir das total, zumal er ja in gewisser Weise ein Opfer seiner eigenen Veranlagung zu sein scheint.
Bin für jeden Tipp dankbar!