charlotte12 hat geschrieben: Ich finde, man kann die gängige Erziehungsliteratur in zwei grobe Lager einteilen: die eine Hälfte hält Konsequenzen hoch, ist für feste Regeln und ist eher autoritär, die andere Hälfte ist bedürfnisorientiert dem Kind gegenüber. Wenn man einer Mutter aus dem anderen Lager begegnet, macht man in deren Augen sowieso alles falsch.
Das sehe ich ganz genauso, Charlotte!
Wobei sich für mich bedürfnisorierntierte Erziehung durchaus oft mit festen Regeln unter einen Hut bringen läßt. Was die "Konsequenzen" betrifft, so meinen 99% der Eltern, die dieses Wort verwenden, eigentlich Strafen. Nur Strafen kling eben altmodisch und autoritär, deshalbe hat man eines neues Wort gebraucht, das alte Verhalten zu umschreiben.
@Toffelchen:
Auch von mir erst mal herzlich willkommen hier! Ich bin Mutter von zwei herausfordernden Buben und erkenne vieles, was du von deinem Sohn beschreibst, bei meinen Kindern wieder. Eines ist das geringe Schlafbedürfnis. Meine Jungs kommen beide (jetzt 5 und 7 Jahre alt) mit ca. 9 Stunden Schlaf pro 24 Stunden vollkommen aus. Als sie im Alter deines Sohnes waren, waren es ca. 10 Stunden.
Leider ist mein älterer Sohn ein Abendmensch und Morgenmuffel und bei meinem jüngeren Sohn ist es genau umgekehrt. Aktuell geht mein jüngerer Sohn gegen 21h30 schlafen und steht gegen 6h30 wieder auf (auch an den Wochenenden). Bei meinem älteren Sohn bin ich froh, wenn um 22h30 endlich Ruhe ist, dafür schläft er aber auch bis ich ihn aufwecke (aktuell um 7h15) und an den Wochenenden oder in den Ferien schläft er durchaus auch mal bis 9h.
Da mein Mann und ich jeweils etwa 7-8 Stunden Schlaf benötigen haben wir die Einteilung, dass mein Mann unter der Woche mit dem jüngeren Sohn schlafen geht, denn er (mein Mann) steht um 5h morgens auf weil er um 6h zu arbeiten beginnt. Ich gehe mit unserem älteren Sohn schlafen uns stehe um 6h20 auf, weil ich den jüngeren Sohn zum Behindertenbus und dann den älteren in die Schule bringen muss, bevor ich selbst in die Arbeit fahre. Mich frisst immer der Neid, wenn ich andere Eltern davon erzählen höre, dass sie sich erholen, wenn die Kinder mal im Bett sind. Das gibt´s bei uns nie, denn wir sind am Abend selbst immer hundemüde! Es hilft aber nix, das Schlafbedürfnis ist genetisch bedingt und lässt sich nicht ändern. Dazu kommt, dass unser 5jähriger jede Nacht aufwacht und mehrmals die Betten wechselt, also mal bei meinem Mann schläft, mal bei mir, mal bei seinem Bruder...
Es war einfach ein Lernprozess, zu erkennen, dass wir als Eltern nichts "falsch" machen, weil unsere Kinder nicht um 20h friedlich einschlummern und bis 7h morgens durchschlafen. So Aussagen wie "Also, bei meinem Kind habe ich mir das gleich anders eingeführt/hätte ich das nicht durchgehen lassen..." haben mich früher oft verunsichert. Seltsamerweise kamen diese Aussagen hauptsächlich von 1-Kind-Eltern und hie und da mal von 2-Kind-Eltern. Eltern mit 3 oder mehr Kindern haben so was nie gesagt, weil sie aus Erfahrung gewusst haben, dass das nichts ist, was man "erzieherisch" beeinflussen kann.
Dann gibt es leider immer so Bilder in den Köpfen der Menschen, was ein Kind mit demunddem Alter zu machen hat, woran es Interesse zeigen soll, was es schon selber können "sollte" und wo es sich noch helfen lassen darf, wie lange es sich schon allein beschäftigen sollte,... alles Quatsch, wie ich mittlerweile weiß! Selbst die Dinge, die ich mir bei meinem älteren Sohn noch stolz, auf die Fahnen geheftet habe, weil ich der Überzeugung war, etwas "richtig" gemacht zu haben, haben sich ab der Geburt des jüngeren Sohnes als Zufall herausgestellt

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Mittlerweile gebe ich überhaupt nichts mehr auf den (hauptsächlich mütterlichen) Konkurrenzkampf nach dem Motto "mein Kind kann schon....". Sollen doch die sich messen, die es für wichtig halten, ob ein Kind mit 17 Monaten oder 27 Monaten nachts keine Windel mehr braucht! Wenn die Sache mal ausgestanden ist interessiert es ohnehin keinen mehr.
Mein jüngerer Sohn ist gehörlos geboren. Mit 4 Jahren wurde bei ihm außerdem Asperger Autismus diagnostiziert. Mein älterer Sohn war immer ein sehr kluges, vielseitig interessiertes, aber sozial-emotional schwieriges Kind. Auch bei ihm haben wir mittlerweile die Diagnose Asperger-Autismus bekommen. Das interessante daran ist, dass meine Jungs trotz gleicher Diagnose grundverschiedene Menschentypen sind. Mein älterer Sohn ist eher anghänglich und sehr auf mich fixiert. Das war nicht immer so, als Kleinkind war er sehr unabhängig. Er kann zwar altersentsprechend selbstständig sein, würde es nach ihm gehen wäre er aber gerne noch ein kleines Baby, das sich von allen Seiten bedienen lässt. Wenn ich etwas nicht sofort gelingt, gibt er frustriert auf. Dann neigt er dazu sich selbst runterzumachen und zu beschimpfen. Er hat Schwierigkeiten, soziale Kontexte zu verstehen, und teilweise eine niedrige Frustrationsschwelle. Unter Gleichaltrigen fühlt er sich oft ausgegrenzt, auch wenn das manchmal nur subjektiv so ist. Es blödelt sehr viel und manches ist für sein Alter unangemessen (z.B. Reime mit Fäkalausdrücken oder lautes rumbrüllen). Für Außenstehende (sowohl Erwachsene als auch Kinder) wirkt er einfach oft schlecht erzogen. Damit kann ich mittlerweile leben. Seit er vom normalen Hort in eine heilpädagogische Einrichtung gewechselt ist, geht es meinem älteren Sohn endlich emotional wieder besser. Freunde hat er zwar immer noch keine, aber immerhin kommt er mit den anderen Kindern in Schule und Hort jetzt halbwegs aus. Er tut zwar so, als würde ihm nichts ausmachen, keine Freunde zu haben, ich weiß aber, dass dem nicht so ist.
Mein jüngerer Sohn ist sehr selbstständig, obwohl auch er an mit hängt. Im Gegensatz zum Bruder ist er sehr zielstrebig und möchte alles selbst machen. Wenn ihm was nicht sofort gelingt probiert er es mit einer Eselsgeduld immer wieder, bis er es entweder schafft, oder er dann doch um Hilfe bittet. Andere Kinder interessieren ihn nicht, stören ihn aber auch nicht. Am liebsten macht er inmitten einer Horde Kinder fröhlich "sein" Ding. Seine Horchis (er hat beidseitig Hörimplantate) verweigert er zu tragen - vermutlich autismusbedingt. Daher kommunizieren wir in Gebärdensprache. Da er außerdem noch viel lautiert (er hört sich ja selbst nicht) und einige stereotype Bewegungen macht (z.B. Kopfzucken) wird er von fast allen Außenstehenden als geistig behindert angesehen, was er aber nicht ist. Leider kann er wegen Kleinigkeiten fürchterliche, lang anhaltende Wutanfälle bekommen, was dann wieder für Außenstehende nach Erziehungsfehler aussieht. Aber insgesamt ist er vom Wesen her zufriedener als sein Bruder.
Durch die Erfahrung mit meinen Jungs habe ich gelernt, meine Kinder nicht an anderen zu messen und es niemanden mehr "recht" machen zu wollen. Wer glaubt, es besser zu wissen ode zu können, darf das bei seinen eigenen Kindern (oder Enkeln) ausprobieren. Ich habe aufgehört, mich für das, was ich tue oder unterlasse, rechtfertigen zu wollen. Ich mache sicher immer wieder Erziehungsfehler, bin - je nach Tagesverfassung - mal zu mild und mal zu streng, aber ich bin ein Mensch und darf das! Ich strebe nach Besserung, nicht nach Vollkommenheit.
Liebes Toffelchen, ich wünsche Dir auch eine ganz dicke Portion Gelassenheit mit deinem Sohn! Von dem, was du beschrieben hast, ist zwar einiges für euch (als Eltern) schwierig, aber nichts bedenklich, was das Wohlergehen deines Sohnes betrifft. Es mag 2 1/2jährige geben, die sich alleine beschäftigen, aber das sind längst nicht alle! Jeder Gedanke "mein Kind sollte doch schon dieses oder jenes machen/können" frutriert sowohl euch als auch euren Sohn. Es ist nicht schlimm, wenn er jemanden zum spielen "braucht". Wenn er keine Wahrnehmungsstörung (wie z.B. Autismus, ADHS oder AVWS) hat, dann werdet ihr als Spielgefährten in den nächsten Jahren nach und nach durch Freunde ersetzt werden. Und auch, wenn euer Sohn Schwierigkeiten mit Freundschaften haben sollte, wird er immer mehr Wege finden, sich selbst zu beschäftigen.
Mein älterer Sohn hat keine Freunde, aber er liest und zeichnet gern und kann sich mittlerweile durchaus mal ein, zwei Stunden allein beschäftigen. Wenn wir aber unterwegs sind (einmal die Woche ist unser Mama-Sohn-Tag) dann will er mich in der Zeit ganz für sich in Anspruch nehmen. Das darf er auch, es ist okay. Ich entscheide mich bewusst, ihm diese gemeinsame Zeit zu schenken, auch wenn sich seine Themen bei Rollenspielen immer wiederholen und er am liebsten beide Rollen vorgeben würde.
IN der Hinsicht kann ich Charlotte zustimmen: es wird mit zunehmenden Alter auf jeden Fall besser

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Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)