charlotte12 hat geschrieben:Du liebe Zeit, diese Entwicklung scheint es ja öfters zu geben. V.a. der Bericht von deiner Tochter, Auguste, hat mich erschreckt, denn genau so war es bei uns auch.
aber immer viel zu viel Zeit beim Abzählen vertrödelt oder viel zu kompliziert denkt.
Wenn deine Tochter in der siebten Klasse noch abzählt, dann hängt sie in einer ganz fiesen Sackgasse fest. Diese Finger-Abzählerei verhindert so ziemlich IQ-unabhängig zuverlässig, dass man Rechnen lernt, darüber habe ich mittlerweile so einiges gelesen. Die Kinder kommen durch Abzählen zuverlässig ans Ziel und behalten die Strategie deshalb bei. Aber erstens strengt das Rechnen dadurch viel zu sehr an, und Mathe und wird zum Hass-Fach, zweitens bleiben die Kinder dadurch langsam, weil die Zählerei einfach Zeit kostet, und drittens verhindert diese Strategie das "Automatisieren", sprich, einfache Rechenergebnisse werden nicht auswendig gelernt, und 8+6 wird ewig jedes Mal frisch ausgerechnet. Und der Abstand zu den Mitschülern wird immer größer, weil die anderen ja in derselben Zeit alle möglichen zielführenden Strategien einüben, der Lerneffekt beim Abzählen jedoch ziemlich schnell gegen null geht, da hilft unreflektiertes Üben überhaupt nichts, schadet eher. Ich weiß nicht, wie weit ihr das Ganze in Klasse 7 überhaupt noch angehen wollt (wann kommt der Taschenrechner?) und wie weit du dein Kind überhaupt motiviert bekommst (bei uns DAS Problem...), aber bei "Zählkindern" wird empfohlen, noch mal komplett von vorn anzufangen und erst mal das kleine 1+1 gezielt auswendig zu lernen. Ist deiner Tochter überhaupt bewusst, dass sie sich die Ergebnisse im einstelligen Bereich einfach merken darf? Meine Tochter dachte ja, das sei verboten und fiel aus allen Wolken, als ihr klar wurde, dass die Anzahl der Rechnungen beim kleinen 1+1 doch sehr überschaubar und schlicht merkbar ist. Wichtig ist, dass man beim Üben bei schwierigeren Aufgaben nicht nur auf die Lösung schaut sondern v.a. darauf, ob der Weg zielführend ist, und dass man nicht drängelt, denn bei Stress fallen diese Kinder sofort wieder in ihr gewohnte Schema, sprich Zählen, zurück. Kann es sein, dass deine Tochter in Ruhe und bei der Tante vom Abzählen weggekommen ist, in der Arbeit aus Stress aber wieder anfängt zu zählen und auf diese Weise vor lauter Zählen zu wenig freie Resourcen hat, um die eigentlichen Aufgaben zu bearbeiten?
Ich gebe hier Tipps, und hab die Sache selbst nicht im Griff - ein Tag Pause, und mein Kind blockierte gestern schon wieder, rechnete von 5 Aufgaben 3 falsch und fand Mathe wieder gewohnt doof

Wie sie es zwei Tage vorher geschafft hatte, alles in Turbo-Geschwindigkeit zu rechnen, wusste sie nicht mehr und ich wusste es ebenfalls nicht, da sie es mir ja nicht verraten hatte

Wir haben allerdings gerade auch viel um die Ohren und nicht die nötige Ruhe.
Das Problem bei meiner Tochter ist, dass sie bei Mathe extrem verunsichert ist. Sie glaubt einfach nicht, das sie es kann und denkt, sie macht alles falsch - obwohl sie meist auf dem richtigen Weg ist. Sie weiß, dass man sich die Ergebnisse merken darf und kann die Malfolgen einigermaßen, aber sie traut ihrem eigenen Wissen nicht

Das hat mir auch ihre Tante bestätigt. Mit ein bisschen mehr Selbstvertrauen in ihre eigenen Mathe-Fähigkeiten, könnte sie die Aufgaben problemlos lösen

Dieses Abzählen gibt ihr anscheinend eine Sicherheit, die sie ohne Abzählen nicht hat. Und da könnte der Taschenrechner durchaus Abhilfe schaffen - denn dann kommt die Sicherheit aus dem Taschenrechner, ganz ohne Abzählen
Leider wohnt die Tante zu weit weg, daher können wir sie nicht regelmäßig als Coach einsetzen - und Mathe-Aufgaben per WhatsApp lösen ist einfach unpraktisch. Das Problem wurde bei ihr durch die Lehrer in der Grundschule verursacht. Ich darf mir oft den Satz anhören "Warum erklären die Lehrer das nicht so wie Du? Wenn du mir das erklärst, dann verstehe ich das auch!". Nur leider setzt sie das zu Hause gelernte dann in den Arbeiten nicht um, sondern schaltet wieder zurück auf "Lehrer-Modus".
Mathe ist auch das einzige Fach, wo meine Tochter immer Hilfe einfordert. Alle anderen Fächer sind Selbstläufer. Und die Mathe-Hausaufgaben laufen immer gleich ab: Tochter bittet um Hilfe. Wir fangen an. Ich erkläre etwas. Tochter unterbricht "aber der Lehrer hat das ganz anders erklärt"" ---- > es folgt Heulerei + Wutanfall ihrerseits, verordnete Auszeit meinerseits. Nach der Auszeit (meist 30 - 60 Minuten) fangen wir von vorn an, Tochter hört endlich zu und macht dann ziemlich fix die Aufgaben fertig.

Ich liebe Mathe-Hausaufgaben

Bei meinem Mann läuft es übrigens genauso - nur ist der extrem ungeduldig und dann auch sauer, wenn die Tochter bockt - ist also keine Alternative.
Mit dem Taschenrechner fangen sie etwa im November/Dezember an. Ihr jetziger Mathe-Lehrer hatte schon angedeutet, dass viele Kinder erst dann anfangen, Mathe zu mögen, wenn sie den Taschenrechner benutzen dürfen. Wir hoffen also.
Für Deine Tochter wünsche ich, dass sie ihre Mathe-Fähigkeiten ganz schnell wiederfindet. Sie weiß ja jetzt, dass sie es kann - und ihr auch

Nun müsst ihr "nur noch" gemeinsam herausfinden, wo das Wissen hingewandert ist und es wieder herausholen
Gruß