ich glaub es geht los

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tiduj_gast

ich glaub es geht los

Beitrag von tiduj_gast »

hallo ihr,

ich trag nun schon einige wochen erfahrungen mit mir herum, die ich so (noch?) keinem erzählen mag/kann, aber ich möchts mir so gern mal von der seele schreiben!
im frühling dieses jahres schrieb ich mal was dazu, dass meine kleine, jetzt 3j und 2m wohl anfängt mit lesen. sie kennt schon länger alle buchstaben, der umgang damit war bisher auf das schreiben "beschränkt". ganz langsam, und immer wieder hat sie sich das wort wiederholt, so hab ich es ihr vorgemacht, bis sie jeden nötigen buchstaben heraus hatte. das war nicht immer korrekt, freilich, aber ziemlich gut lesbar.
das hat sie mittlerweile automatisiert, sie schreibt und spricht simultan und schwupps, steht das wort da. sie tut es nicht oft, aber wenn, dann bin ich jedes mal wirklich baff und begeistert, was dieses kleine wesen da macht.
und im urlaub kam es dann plötzlich, dass sie mehrer laute, die zb in einer speisekarte standen, mit einer silbe aussprach, zb. " zu uns" (zu unseren speisen reichen wir bla bla)
dann einmal irgendwo in einem buch "grün" und "man" und "rio" von den "rio grande" produkten.

mittlerweile tue ich mich recht locker mit den dingen, die da so passieren, telefonnummern auswändig wissen (sie hat mich einmal vom festnetz aus auf meinem handy angerufen, sie war in der küche und ich im schlafzimmer; mit der rechtfertigung, sie wollte dass ich wieder rüber komme :D so süß ), beim postkarten schreiben half sie mir mit der hausnummer meiner besten freundin auf die sprünge.

aber wenn man plötzlich in "erklärungsnöte" gerät, ("ach, sie macht das? warum kann sie das denn?") was soll man da sagen, ohne arrogant zu wirken?
es ist auch nicht immer alles so einfach hier, sie ist auch sehr stur, wobei ich bisher dachte, ich sei einfach nur zu wenig belastbar, nun denk ich aber wirklich, dass es einen zusammenhang zwischen ihrem starken ich und dem verhalten gibt.

das wollte ich einfach loswerden, danke fürs "zulesen", vielleicht finden sich einige kommentare ein.
Neckri
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Registriert: Di 14. Feb 2006, 11:51

Re: ich glaub es geht los

Beitrag von Neckri »

Hihi, ich glaube dir auf's Wort, dass du bei solchen Beobachtungen innerlich aufgewühlt bist... Und auch, dass du das Gefühl hast, schier zu platzen, weil du es in deinem Umfeld mit niemandem diskutieren kannst, ohne dir schräge Blicke und einen verbalen Vogel einzuhandeln... Ich glaube dir deswegen sofort, weil ich genau diese Situation kenne. Mit drei-einhalb war es dann schon die schier unendliche Welt der Bücher, die entdeckt werden wollte...

Aber schau mal: In der Steinzeit saßen die Jäger im Kreis und schlugen sich neue Speerspitzen aus den Feuersteinen. Die Kleinen ließen sich zu dieser Zeit wohl schwer davon abhalten, mit den Splittern zu experimentieren... In der heutigen Informationsgesellschaft dreht sich alles um die Schrift und die numerische Beschreibung von Zusammenhängen. Also ist es doch nicht verwunderlich, dass die Kleinen anfangen, sich mit der Entschlüsselung von "Textsplittern" und der Entdeckung des Zahlenstrahls in den Hausnummern ihre Straße zu beschäftigen. Es wäre doch aus diesem Blickwinkel heraus geradezu paradox, wenn die Kinder diese Ambitionen nicht hätten. Es erscheint mir daher eher unnatürlich, wenn Eltern krampfhaft versuchen, ihre Kinder vor der Flut an Buchstaben und Zahlen in ihrer Umgebung abzuschotten. Wahrscheinlich war der erste selbstgebastelte Speer für ein Steinzeitkind ein ebenso erhebender Moment wie heutzutage für ein Kind die Entdeckung des Lesens... Also sorge dich nicht. Ich finde es natürlich, dass die Kinder ihren Eltern nacheifern wollen. Dass sich die Kleinen dabei unterschiedlich geschickt anstellen, liegt halt ebenfalls in ihrer Natur. Es liegt eben eher an der Starrheit der gesellschaftlichen Konventionen und der Unflexibilität des Bildungsapparats, wenn wir hierzulande der Natur unserer Kinder nicht gerecht werden können. Aber zum Glück bewegt sich ja im Moment so einiges.

Und wenn du diese Argumentation einigermaßen diplomatisch gegenüber einem verblüfften Beobachter ins Spiel bringst, dann hilft dir das vielleicht auch bei deiner gelegentlichen Erklärungsnot... Allerdings würde ich es an deiner Stelle vermeiden, die frühe Lesefähigkeit anderen Eltern ungefragt unter die Nase zu reiben. Viele Eltern vergleichen unbewusst mit dem eigenen Kind. Es ist halt so. Daher findest du in dieser Gruppe eher wenige objektive Meinungen...

Viele Grüße von Neckri
alibaba

Re: ich glaub es geht los

Beitrag von alibaba »

Hallo,

diese Beobachtungen kann ich verstehen und nachvollziehen. Ob es allerdings schon lesen ist, sicherlich ein erster Anfang. Ich kann ähnliches bei meiner Kleinen (jetzt 3 geworden) beobachten, sie erkennt, bei Zahlen und Bei Buchstaben diese, wenn sie sie sieht und ordnet auch oft richtig zu. Neulich bei Edeka, ein E. Oder in Speisekarten andere Dinge. Aber vom lesen sind wir noch weit entfernt.

Freu Dich, hole Dein Kind da ab wo es steht und lobe es. So wird es nicht die Freude verlieren und wer weiß, was mal noch kommt............

LG
Neckri
Moderator
Beiträge: 463
Registriert: Di 14. Feb 2006, 11:51

Re: ich glaub es geht los

Beitrag von Neckri »

Hallo Alibaba,

ich kann nicht aus meiner Haut...! - Was soll ich nur machen?! - Also halt doch wieder ein Schlaglicht auf die Wissenschaft... Sorry, ich hoffe, ich langweile euch nicht damit... :roll:

Die räumliche Konstellation von visuellen Mustern - wie zum Beispiel die Striche der Buchstaben oder die Reihenfolge der Buchstaben im Wort - wird (neben dem Hippocampus) auch im Scheitellappen verarbeitet. Dieser Hirnbereich ist übrigens auch für die Zahlenvorstellung verantwortlich, also der "räumlichen" Anordnung der Zahlen auf dem Zahlenstrahl.

Man hat nun festgestellt, dass die Aktivierung genau dieser zuständigen Areale im Scheitellappen mit der Intelligenz korreliert Lee el al. (2006). Sinnigerweise ist auch das Volumen des kindlichen Hippocampus mit dem IQ korreliert Schumann et al. (2007). Diese Struktur hat auch eine zentrale Bedeutung beim Abspeichern von Informationen, so dass damit auch die höhere Gedächtnisleistung erklärbar erscheint. Vergleicht man die anatomische Gehirnentwicklung von sehr intelligenten Kindern mit normalintelligenten Gleichaltrigen im Laufe der Kindheit, so fällt eine höhere Dynamik im Heranwachsen der Dicke der Großhirnrinde auf. Aber nicht überall... sondern unter anderem im Scheitellappen...! Aber auch im unteren, hinteren Schläfenlappenbereich, wo visuelle Symbole (wie Markenzeichen, ganze Buchstaben oder Wortbilder) verarbeitet werden, sowie im Stirnlappen, wo Arbeitsgedächtnisfunktionen und Exekutivfunktionen zum strategischen Abarbeiten der visuellen Informationsketten beheimatet sind... Shaw et al. (2006)

Aus meiner Perspektive scheint es somit eine hohe Wahrscheinlichkeit zwischen dem frühen (Wieder-)Erkennen und Verarbeiten von räumlichen Mustern und der kindlichen Intelligenz zu geben. Tatsächlich basieren auch nonverbale Intelligenztests u.a. auf der räumlichen Zuordnung visueller Konstellationen...!

Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, ob frühes Buchstabieren etwas intelligenter macht - oder ob intelligentere Kinder etwas früher buchstabieren... ;)

Viele Grüße von Neckri
alibaba

Re: ich glaub es geht los

Beitrag von alibaba »

Hallo neckri,

nein keine Langeweile nur manchmal schwer zu verstehen. :lol:

Nun, es ist ja noch kein "lesen" im klassischen Sinne wenn ich Dinge (nennen wir sie mal so) wo anders wiedererkennen und richtig zuordnen kann. Aber es ist doch erstaunlich wie es sich gemerkt wird. Das finde ich auch das herausragenste daran. Also nicht den Vorgang ansich, sondern das Verständnis dessen es wiedererkannt zu haben.
Und ganz wichtig dabei ist die Rolle der Eltern. Wenn ich hier dran bleibe und erkläre dann wird es auch Spaß machen weiterhin zu experimentieren. Und da sich ja immer mehr Synapsen im Hirn verknüpfen wird hier der erste Grundstein gelegt. Kommt dann noch Interesse, Unterstützung und Intelligenz dazu würde ich annehmen das intelligentere Kinder etwas früher Buchstabieren.

Wobei :schwitz: unser Junior (gerade 5 geworden) sehr zeitig die Buchstaben ansich und deren Wiedererkennung konnte, lesen beginnt aber erst jetzt. Schreiben so wie es gesprochen wird, auch erst jetzt. Mag wohl daran liegen das er "nur" überdurchschnittlich begabt ist. :shock:

Liebe Grüße
JOJO

Re: ich glaub es geht los

Beitrag von JOJO »

Hallo,

auch ich warte auf die Lösung.

Mit den mitleidigen Blicken und Bemerkungen, weil ein Kind lesen kann, muß man leben. Da geht das Mitleid glaube ich an die Falschen.
Unsere laß die Baderegeln im Schwimmbad. Das war richtiges Lesen. Die Mütter vom Schwimmkurs hatten echt MITLEID, weil die Kassierin das Alter unserer Maus verriet.

Unser Kind und wir leiden nicht. Vielleicht jetzt in der Schule, weil Sie gerade anfängt die Buchstaben zu lernen. Dort ist Ihr Lesetempo weder bekannt noch gefragt.

Es gibt Kinder, denen kannst du die Augen verbinden und die Ohren zuhalten und sie lernen etwas. So hat wahrscheinlich ein Kind die Gebärdensprache für Taubblinde erfunden.

Bin gespannt, wann es mehr von Euch zu hören gibt.

JOJO
tiduj_gast

Re: ich glaub es geht los

Beitrag von tiduj_gast »

meine rolle als "eltern", das war eben bislang das schwierige:
sie wollte etwas wissen, aber konnte irgendwie schwer akzeptieren, dass das jetzt nicht von ihr stammt. ich kann auf diese art von lesen überhaupt nicht einwirken (von wegen "dranbleiben"), da würde sie sich taub stellen.
sie macht es auch doch eher heimlich. ich höre sie etwas vor sich hin murmeln, lautieren, rumexperimentieren; schaue sie an und sie grinst nur verlegen.
ich glaube sie weiß genau, dass sie eben noch nicht liest wie ich ihr ein buch vorlese, deshalb ist sie da auch nicht so offen.
tiduj_gast

Re: ich glaub es geht los

Beitrag von tiduj_gast »

@ JOJO: wie alt ist /war denn deine bademaus? den leuten hast du mitleid angesehen? warum? wie?

sie hat nun wohl fibelunterricht?
JOJO

Re: ich glaub es geht los

Beitrag von JOJO »

Hallo tiduj,

ich habe es am Tonfall und den Blicken erkannt. So reden die andern Eltern immer über Behinderte Kinder.
Bei dem Vorfall war sie schon gut 4,5. Sie hat es seit etwa 2,5 ausprobiert. Gescheitert. Ein Jahr später wieder... Mehr so für sich.

Eine Fibel hat unser Großer nicht benutzt. Jetzt habe ich auch noch keine gesehen. Wir haben eine im Haus, aber da ist ja kaum Text.

Heute konnte ich beim Thalia ein Buch erwerben: Erst ich ein Stück, dann du. Das war eben ganz putzig, mal mit ihr abwechselnd zu Lesen. Bisher habe ich Sie das nie "üben" lassen. Sie kam früher von selber und las zB in der Tageszeitung einige Überschriften. Jetzt gerne PIXI Bücher oder noch die Wieso Weshalb Warum Bücher. Was sie davon wirklich ließt weiß ich nicht.


Hallo Heike,

ja die Schule. Wie weit die andern mit dem Lesen sind, weiß ich nicht. Es sind nur 3 Kinder in der Klasse, die ich kenne. Von denen kann keiner Lesen. Aber sie hat ja hoffentlich genug anderes zu tun. Tasche ein- und auspacken. Einfachste, allereinfachste Arbeitsblätter ausfüllen. Möglichst auf hohem Niveau. Damit sie nicht auffällte. Es geht dabei nur ums ausmalen.

Auf die Kommentare wie bei Euch warte ich noch.

Schönen Abend noch

JOJO
katija
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Re: ich glaub es geht los

Beitrag von katija »

Was mich in dem Zusammenhang des frühen Lesens auch so nervt, ist so ein Kleinmachen und verkrampft relativert bekommen wollen von dem Umfeld, das es dann doch mal mitbekommen hat: "Also, naja, das sind ja nur so Anfänge, richtiges Lesen ist es ja noch nicht/ Das hat er dann sich wo abgekuckt, wie das Wort heisst, und gemerkt/ Also naja, er erkennt halt ein paar Buchstaben wieder, aber so richtig ist das ja nicht......" und am Schlimmsten das sofort testen: So dann lies mal, was da steht" Kind hat verständlicherweise keinen Bock - "Naja, also soweit ist es ja nun noch nicht mit dem Lesen.." etc. etc. etc.

Dabei kann man als Elternteil, der sich viel mit dem Kind beschäftigt, und es gut kennt, sehr genau sehen, was wo ist und ab wann Sprünge gemacht werden. Und man ist ja immer wieder erstaunt, was da plötzlich rauskommt aus dem kleinen Wesen.
Und ich hab überhaupt keine Lust, das Thema vor Micha immer so thematisiert zu bekommen. Er kann lesen, das ist super! Er kann auch von der 3. Treppenstufe hüpfen. Das ist auch grandios. Andere Kinder können anderes und wieder anderes nicht. Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten stärken, und Blick für die Vielfalt schärfen - das ist mein Ziel.

Aber es war dann bei uns teilweise so schlimm, dass mein Mann sich davon hat anstecken lassen und auch immer alles kleingemacht und bezweifelt hat.

Ich denke, Ihr versteht, was ich meine. Klar gibt es diese Zwischenstufen des Lesens und sehr viele Kinder gehen einen langen Weg bis dahin und sehr viele überehrgeizige Mütter posaunen was weiss ich schon raus, wenn die Knirpse nach 20X bei Ikea auf die Buchstaben zeigen und "Ikea" sagen. Aber als Kind zu merken, dass das, was man kann, immer infrage gestellt und getestet wird, muss sehr bedrückend sein.

Ich meine, man sagt ja auch: "Was habe ich gehört, du kannst schon von der 3 Stufe hüpfen? Das ist aber super!" und nicht : "Ach naja, wie hoch waren die denn, ob das auch wirklich die 3. Stufe war, also ich weiß ja nicht..und dann war es ja bestimmt kein richtiges Hüpfen, sondern nur ein nach vorne Kippen, ja das sind so Vorstufen.." :roll:

Kennt Ihr sowas auch?

lg katija
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