Diskussionsthema Schule

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
Momo
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Momo »

Zu diesem Thema stellt sich mir die Frage:

Was ist das Ziel einer Schullaufbahn? Warum gehen Kinder so viele Jahre ihres Lebens in eine Schule? Was ist wirklich wichtig zu lernen? Wofür? Und vor Allem, wie könnte dies umgesetzt werden mit dem Ziel, dass Kinder sich zu selbstsicheren, ausgeglichenen, gesunden und vielleicht sogar glücklichen (!) Erwachsenen entwickeln und das Gelernte im späteren Leben gebrauchen und anwenden können?

Ich bin gespannt auf Eure Meinungen ;)

Momo
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Rabaukenmama
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Rabaukenmama »

Ich bin der Meinung dass lernen nicht Spaß machen MUSS - auch wenn andere hier glauben, das müsse so sein ;) . Lernen darf, kann und soll Spaß machen, MUSS es aber nicht, vor allem nicht IMMER -ganeuso wie Arbeit (egal ob unselbstständig oder selbstständig oder auch Hausarbeit) nicht permanent Spaß machen muss (und es auch nicht tut). Wenn Arbeit aber nur noch frustrierend ist dann läuft was schief, ebenso wie wenn lernen nur noch Frust bedeutet.

Bei der Frage "was brauchen Kinder wirklich und wie könnte es umgesetzt werden" finde ich mal wichtig, anzusehen, was die Kinder, die in die Schule eintreten, ausmacht. Damit meine ich einerseits die angeborenen Charaktereigenschaften, also die "Persönlichkeit" und andererseits die Erfahrungen, die das Kind bisher in seinem Leben gemacht hat.

So, wie nicht alle Erwachsenen, dieselben Bedingungen "brauchen", so benötigen auch Kinder - je nach Voraussetzung - unterschiedliche Konzepte. Es gibt auch in Büros gute Arbeitskräfte, die nur dann ihre Leisung bringen (können), wenn sie unter Termindruck stehen - zuviel freie Zeiteinteilung führt bei diesen Menschen zu Schlendrian und Unzufriedenheit mit sich selbst. Diese Menschen brauchen einen Chef, der ihnen sagt "Das Projekt muss bis spätstens 20.10. um 10h fertig sein!" und kein "Na, nun arbeiten sie mal los und dann sehen sie schon, wie weit Sie kommen...".

Eine wichtige Sache, die auch im von Elbuko verlinkten Artikel angesprochen wurde, ist die selbstständige Lernorganistiaton von Kindern. Manche Kinder können das, andere nicht. Genauso wie manche Kinder einen Ball selbstständig werfen und fangen können und andere nicht - trotz viel übens (ich spreche aus eigener Erfahrung)! Und ein "du solltest ja schon längst selbst wissen, was dich interessiert, und eigenständig daran arbeiten können" ist für ein Kind, welches das eben NICHT kann, genauso belastend wie ein "Du solltest das kleine Einmaleins ja schon längst auswendig können!".

Dazu fällt mir von Reinhard Mey ein "...nur altes Vorurteil ist jetzt durch neues Vorurteil ersetzt, zu Theorien aufpoliert...".

Wenn wir unsere Kinder wirklich dort abholen wollen, wo sie stehen (da widerspreche ich dem Autor des Artikels, denn das will ich sehr wohl) dann müssen wir auch akzeptieren, dass es kein für alle gültiges und dennoch für jedes einzelne Kind maßgeschneidertes Lern-Konzept gibt.

Beispiel: lernen mit Druck. Heute häufig verpönt und generell als schlecht empfunden sehe ich es so, dass manche Kinder einfach Druck BRAUCHEN um sich selbst ihrer eigenen Leistungsfähigkeit bewusst zu werden. Dabei sehe ich Druck nicht als das Mittel, welches generell eingesetzt werden sollte, um die Kinder überhaupt zum lernen zu bringen. Aber wenn ein Kind wenig Durchhaltevermögen hat und bei Mißerfolgen schnell aufgibt kann moderater Druck für dieses Kind der Weg zum positiven Aha-Erlebnis "Ich kann es ja doch!" sein.

Man muss auch bedenken dass es Kinder (ebenso wie Erwachsene) gibt, die vom Wesen her einfach bequem sind und gerne den Weg des geringsten Widerstandes gehen. Auch hier ist manchmal moderater Druck notwendig, damit das Kind sein Potential entfalten kann. Nur, weil ein Kind oder Erwachsener grundstätzlich die Voraussetzungen, eine bestimmte Aufgabe zu lösen, mitbringt, heißt das noch lange nicht dass er/sie das auch umzusetzen bereit ist. Und da empfinde ich die Aussage "wenn er/sie nicht will dann muß er/sie auch nicht" als falsches Signal. Denn im Leben kann man sich auch nicht immer aussuchen was man will und was nicht - manche Dinge müssen einfach gemacht werden.

Zum Beispiel bringe ich grundsätzlich keinerlei Bedürfnis mit, meinen kleinen Sohn während eines Wutanfalles in seinen Auto-Kindersitz zu zwängen. Aber wenn ich mit ihm mit dem Auto wohin fahren will dass ist das eben nötig. Natürlich MUSS ich ihn nicht anschnallen, denn keiner kann mich dazu zwingen. Aber abgesehen davon, dass ich mich damit strafbar machen würde, ist dieses MUSS ein selbst auferlegtes wo mir bewusst ist, dass es um die Sicherheit meines Sohnes geht und diese mehr Wichtigkeit hat als mein Bedürfnis nach der Bequemlichkeit, mir diesen Kampf nicht anzutun ;) .

Das ist eines meiner Ziele für meine Kinder: dass sie als Erwachsene selbst imstande sind, zu erkennen, was wirklich getan werden MUSS und genauso HALT zu sagen wenn permanent von ihnen erwartet wird, Dinge zu tun, die ihnen widerstreben. Damit meine ich sowohl im Schulalltag als auch im Berufsleben, im Privatleben und im Freundeskreis.

Da bin ich übrigens der Ansicht, dass diese Fähigkeiten in der Familie besser vermittelt werden kann als in der Schule :) . Aber einige Sachen zu "müssen" und keinen Spaß daran zu haben, finde ich nicht generell schlecht. Wichtig ist der Blick aufs Ganze: wie zufrieden bin ich mit meiner momentanen Situation? - nicht der Fokus auf einige Dinge, die nicht meiner eigenen Weltsicht entsprechend laufen.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
elboku
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von elboku »

Hallo Momo,

hab mir schon gedacht, dass deine Antwort auf den Artikel so ausfallen wird ;)

Hier ein paar Gedanken von mir dazu:

- Ja, lernen muss nicht Spaß machen. Es ist fein, wenn es möglich ist, aber ein Muss ist es nicht. Ich unterrichte seit 6 Jahren z.B. Studenten an einer Hochschule und habe hier folgende Erfahrung gemacht: Meine Lehrveranstalltung (aus dem MINT Bereich) ist in einen Theorieteil und einen Praxisteil gegliedert. Die Studenten sind meist freudig motiviert bei der praktischen Arbeit, denken z.T. mit und können am Schluss der Übung meistens den Ablauf der gelernten Methodik wiedergeben. Nach der Übung gibt es auch einen Test dazu, um die Theorie, die extrem wichtig ist, um das Praktische auch zu verstehen, abzufragen. Und hier ist der Großteil wirklich schlecht. Die heutigen Studenten können nicht mehr lernen. Schon gar nicht, wenn es "fade" Grundlagen sind, die sie aber in ihrer weiteren Ausbildung noch brauchen werden.

- In dem Artikel spricht Burchardt von einem Erleichterungskomplott bzw. Pädagogik. MMn trifft es das ganz gut. Leistung zeigen wird immer mit externen (und extremen) Druck gleichgesetzt. Warum? Kinder zeigen gerne was sie können, sie wollen auch gefordert werden. Burchardt nennt es "bewähren". Die meisten Kinder in der Klasse meiner Tochter (1. Klasse) wollen zeigen, was sie können. Sie sind stolz, wenn man ihnen zutraut, dass sie auch Wörter lesen können, wo sie noch nicht jeden Buchstaben 100x im Sand nachgespurt haben, oder mit Steinen nachgelegt haben.
Darf ein Lehrer Leistung verlangen? MMn darf er das. Darf ein Lehrer die Kinder mit massivem Druck zu der Leistung hinführen - Nein, darf er nicht. Das macht den Unterschied aus. Leistung erbringen und zeigen ist per se nicht schlecht!
Und mir ist lieber mein Kind wird daran gemessen, welche Leistung es erbringt, als in welcher Schule es war. In unserem Bezirk gibt es Schulen, wo bekannt ist, dass die Lehrer den Kindern keine Steine in den Weg legen wollen, und daher bekommt (fast) jedes Kind eine Empfehlung für das Gymnasium. Die Konsequenz ist, dass das Niveau immer mehr sinkt, und mittlerweile wird da auch gegengesteuert.

- Als Bsp. für den tollen Lern- und Schulerfolg werden immer gerne Montessori Schulen angeführt. MMn hat noch keine einzige Studie gezeigt, dass dieses Konzept wirklich für die Kinder besser geeignet sei. Wenn man nämlich das klassische Schulsystem mit dem von Montessori vergleichen möchte, müsste man zuerst mal auch gleiche Voraussetzungen schaffen. Sprich die Kinder müssten alle den selben sozialen Background haben, es müssten in allen Klassen gleich viele Schüler geben und gleich viele Lehrpersonen. Und dann ist noch die Frage, wie man den Lernerfolg testet. Hier bräuchte man dann einen externen Test, der zeigen kann, welche Stärken und welche Schwächen die Schüler aus dem jeweiligen System mitbringen.
So kann man noch am ehesten sehen, ob das Konzept wirklich den Unterschied ausmacht, oder ob nicht doch der Betreuungsschlüssel oder die geringere Schüleranzahl, oder der soziale Background eine Rolle spielen.

- Weiters glaube ich, aber hier kann ich nur von Österreich sprechen, dass wir mittlerweile keine Bildungsgesellschaft mehr sind. Früher hat man versucht den Kindern durch gute Bildung ein gutes Leben zu ermöglichen. Auch den bildungsfernen Schichten war klar, dass man mit einer guten Ausbildung etwas erreichen kann.
Heute glauben zu viele, dass eine gute Bildung keinen Wert mehr hat. Und das vermitteln sie auch ihren Kindern. Im Ort meiner Schwiegereltern gibt es das Dorfwirtshaus, und hier hört man öfters "Wozu sich anstrengen (in der Schule), es bringt doch eh nix." "Es zählt nur, wen man kennt." "Lehrstellen findet man eh keine." Was man den Kindern oder Jugendlichen leider nicht vermittelt, dass sie sehr wohl mehr Chancen hätten, wenn sie sich anstrengen. Eine Freundin arbeitet in ihrer Firma mit Lehrlingen zusammen, und mehr als die Hälfte der Bewerber kann sie nicht nehmen, da sie die Grundrechnungsarten im Zahlenraum 20 nicht beherrschen. Hat ihnen in der Schule offensichtlich keinen Spaß gemacht zu lernen...

LG, Lisa
Momo
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Momo »

"Schule MUSS nicht Spaß machen", sie muss nicht, aber sie kann! Und je mehr Freude Kinder daran haben, zur Schule zu gehen, umso besser werden sie lernen. Freude kann man übrigens auch bei Themen entwickeln, die einen auf den ersten Blick nicht interessieren. So ging es mir z.B. im Mathematikunterricht. Ich hatte eine lange Zeit einen Lehrer, der sehr leistungsorientiert und autoritär unterrichtet hat- Mathe war für mich ein Graus. Dann bekamen wir in der Oberstufe einen Lehrer, der jung und frisch war und uns die Mathematik lebendig vermitteln konnte- meine beste Note im Abi habe ich im Fach Mathematik ;) Ich erinnere mich noch genau an das Gefühl, plötzlich Freude an einem Thema zu haben und plötzlich alles zu verstehen. Denn ich hatte es mir dadurch mit einem Mal zugetraut.
Und da wären wir beim nächsten Punkt. Es geht nicht darum, den Kindern nichts zuzutrauen und ihnen eine "Erleichterungspädagogik" anzubieten. Das ist der falsche Ansatz. Es geht hier doch nicht um die Inhalte, sondern um den Weg, Dinge zu vermitteln und zu erlernen!!! Gerade komplizierte Zusammenhänge und komplexe Themen können doch viel tiefgreifender gelernt werden, wenn bei den Schülern ein echtes Interesse für die Materie geweckt wird!
Dazu fällt mir übrigens noch ein, dass dieses Vertrauen ohne Leistungsdruck und Benotung, welches mir von Seiten meiner Lehrer in meiner Schulzeit entgegenkam, für meinen weiteren und auch aktuellen Lebensweg von enormer Bedeutung war und ist. Ich habe gelernt, mir zu vertrauen, mich mit Themen ganz (angst-)frei zu beschäftigen, Dinge anzupacken, meinen ganz individuellen Weg zu gehen. Einen wichtigen Teil hat die Schulzeit und der Umgang zwischen Lehrern und uns Schülern dazu beigetragen! Und in meinem späteren Studium habe ich deutliche Unterschiede zwischen mir und einer Mitschülerin meiner damaligen Schule und den Mitstudenten anderer Schulen bemerkt. Während meine anderen Studienkollegen das Studium meistens eher "absaßen" gingen meine ehemalige Schulfreundin und ich voll darin auf (und zwar allein aus dem Grund, weil es mich/uns brennend interessierte und mich heute noch interessiert, ich liebe meine Arbeit und meinen Beruf, dies hat wiederum Auswirkungen auf mein gesamtes Sein- ein riesengroßer Kreislauf), ich vertiefte mich also in die Materie und hatte letztendlich neben dem besten Abschluss auch noch ein Stipendium und eine Auszeichnung "herausragende Leistung" in der Tasche. Die Voraussetzung dafür hätten meiner Meinung nach alle dafür gehabt, doch die Lernmotivation war nicht die Gleiche. So viel zu der These, dass sich Kinder nicht zu leistungsfähigen jungen Menschen entwickeln sollen, wenn der Leistungsdruck fehlt... weit gefehlt...

Matthias Burchardt hat in dem Artikel geschrieben:
Ich würde etwas polemisch von einem Erleichterungskomplott sprechen, das geschlossen wurde zwischen politischen Interessengruppen, die möchten, dass möglichst viele Abschlüsse vergeben werden können – das kriegt man nur hin, indem man die Leistungsansprüche reduziert -, und Wissenschaftern, die in einer reformpädagogischen Richtung denken, man möge den Kindern nichts zumuten, damit sie sich möglichst frei entfalten.
Meiner Meinung nach ist dies ein kompletter Denkfehler! Eltern und Lehrer vertrauen den Kindern und trauen ihnen sehr viel zu, indem sie den Kindern die Möglichkeit geben, ihre Talente frei entfalten zu können. Die Lehrer andererseits, die mit Leistungsdruck in jeglicher Form arbeiten, trauen den Kinder keine eigene Kompetenz zu und letztendlich werden einheitliche, gesichtslose Staatsdiener herangezüchtet, Das ist jetzt vielleicht von meiner Seite etwas polemisch ausgedrückt, lieber Herr Burchardt!

Momo
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Momo
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Momo »

Hallo liebe Koschka,
Du bist völlig anders geprägt als ich, hast völlig andere Erfahrungen gemacht- spannend! Vor allem, weil Du scheinbar gut mit dem totalitären System klargekommen bist, was ich mir schwer vorstellen kann. Wahrscheinlich genauso schwer wie Du Dir zu viel Freiheit für Kinder vorstellen kannst, oder?

Koschka hat geschrieben:
Das liegt nicht daran, dass sie nichts lernen wollen, sondern daran, dass das Leben draußen viel spannender als jede Schule ist.
Ich gehe so weit zu sagen, dass das Leben draußen die effektivste Schule für Kinder ist. Einen supertollen Weg finde ich das sogenannte "Worldshooling"- wenn wir es beruflich vereinbaren könnten, würde ich am liebsten durch die Welt reisen und unsere Tochter einfach die Welt kennenlernen lassen. Eine bessere Schule (auch für uns Erwachsenen) kann ich mir nicht vorstellen!!

Momo
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Rabaukenmama
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Rabaukenmama »

@Momo: Ich verstehe den Artikel von Hrn. Burchardt als Kritik an der UMSTETZUNG des sogenannten "freien" Lernens an diversen Schulen - und DIESE Kritik ist mMn durchaus berechtigt.

Denn es ist so, wie hier schon häufig beschrieben: das Niveau der Schulabgänger ist teilweise grottenschlecht und wir hatten in unserem Betrieb schon Jahre, wo wir unter 20 und mehr Bewerbern keinen gefunden haben, der die Grundrechnungsarten, halbwegs Rechtschreibung und etwas Allgemeinwissen, mitgebracht hätte. Dabei werden diese Tests seit etlichen Jahren in dieser Form verwendet, nur konnte man sich früher die besten aussuchen und jetzt sind die Ergebnisse generell so mies, dass in einem Jahr diejenigen als Lehrlinge aufgenommen wurden, die es geschafft haben, laut und deutlich zu grüßen, wenn sie das Büro des Personalchefs betreten haben :roll: .

Woran liegt dieses schlechte Niveau? Sind die Kinder heute dümmer als vor 30 Jahren, als mein Mann genau denselben Aufnahmetest (nach Pflichtschule mit Frontalunterricht) mit gutem Ergebnis bestanden hatte? Ich glaube nicht! Es liegt vielmehr daran, dass (sowohl in den Schulen als auch im Elternhaus) grundsätzlich gute Ansätze aus Unwissen oder Bequemlichkeit falsch umgesetzt werden. Nicht jedes Kind, das brüllt "Das kann ich nicht!" ist überfordert und benötigt leichtere Aufgaben! Nicht jedes Kind ist imstande und motiviert , sich seine Lerninhalte selbst zu erarbeiten. Vor allem können unsere Kinder nicht wissen, welches Wissen von ihnen "erwartet" wird und es wäre schon ein großer Zufall, wenn sich die selbst erarbeiteten Inhalte mit den Anforderungen eines Aufnahmetests decken würden.

Natürlich gibt es Mittel und Wege, unseren Kindern sowohl die "Basics" (schreiben, rechnen, ein bisserl Naturwissenschaften und Allgemeinwissen) ohne viel Druck beizubringen UND Ihnen eine individuelle Vertiefung ihrer Interessen zu ermöglichen. Nur kenne ich kaum Schulen, wo das umgesetzt wird. Das, was Hr. Burchardt als "Erleichterungspädagogik" bezeichnet, sind die falschen Auswüchse, wo Kinder nicht begleitet sondern sich selbst überlassen werden und wo man ihnen vor lauter Angst vor Überforderung nicht zumuten will, sich mal anzustrengen, um was zu erreichen. Ergebnis sind demotivierte, desinteressierte Jugendliche mit wenig Selbstbewusstsein und unrealistischen Vorstellungen vom Leben.

Ein bisschen kann man das Ganze mMn mit der Theorie und der Umsetzung des Kommunismus vergleichen. Das, was sich in Russland und den Ländern des ehemaligen Ostblocks tatsächlich abgespielt hat, hat sicher nicht der Vision von Karl Marx und Friedrich Engels gemein. Dadurch kam es oft zur Kritik am "Kommunismus" an sich, wobei nicht die Idee und Theorie sondern die Umsetzung gemeint war. Beim Beispiel Kommunismus hat die Praxis gezeigt wo die Grenzen des Systems sind und dass die große Gefahr darin liegt, dass es für eigene Zwecke mißbraucht wird.

Genau dasselbe ist es mit dem "selbstbestimmten lernen" - unabhängig davon, wie gut die Idee grundsätzlich wäre, muss sie sich Kritik gefallen lassen, wenn die Umsetzung nicht passt.
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Maca
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Maca »

Ich glaube ,daß es einen eklatanten Unterschied zwischen Spaß und FREUDE gibt.
Schule, Lernen muß ,und so finde ich, SOLLTE keinen Spaß machen.Denn Spaß bedeutet Zerstreuung,Zeitvertreib,Vergnügen,was einem vertiefenden,durchdringenden Lernen entgegensteht.
Während Freude ein Gefühl der inneren seelischen Balance,dem positiven Zugewandtsein gegenüber der Welt und ihrer unglaublichen Komplexitität beinhaltet ,und DAS IST FÜR DAS LERNEN NOTWENDIGE UND (hinreichende ;) ) BEDINGUNG.
orangenminze
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von orangenminze »

Hm, ich kann zum Thema Schule nur aus meiner eigenen Erfahrung sprechen, da unsere Kinder noch im Kindergartenalter und jünger sind. Zum Thema Latein und Altgriechisch kann ich nur sagen, dass man es später (und mir ging es auch schon während der Schulzeit so) braucht, wenn man sich gerne mit Philosophie beschäftigt, da kann es schon helfen, bestimmte Zusammenhänge im Original zu nachzulesen und sich nicht auf fremde Übersetzungen verlassen zu müssen. Nichtsdestotrotz ist Spanisch natürlich eine tolle Sprache, die ich neben Französisch, Englich, Latein und minimal Altgriechisch liebend gerne schon in der Schule gelernt hätte. Ist aber auch eine Sprache, die gut zu lernen ist, wenn man drei Monate oder ein halbes Jahr zum Arbeiten oder Studieren in Spanien oder Lateinamerika verbringt.
Ich habe meine Schulzeit erst ab dem Gymnasium genießen können, die Grundschulzeit hat dazu geführt, dass ich zeitweise aufgehört habe, zu sprechen. Das lag aber weniger am Stoff oder an der Didaktik, sondern an vorurteilsbehafteten Lehrern und auch Eltern von Mitschülern, die der Meinung waren, wenn zu Hause zwei Sprachen gesprochen und zwei Kulturen gelebt werden, dann ist die Familie auf jeden Fall schwierig und die Kinder haben in der Schule ein niedriges Niveau (weswegen die eigenen Kinder sich besser nicht mit den "Ausländerkindern" abgeben). Gymnasialempfehlungen sind für Kinder aus binationalen Familien grundsätzlich nicht ausgesprochen worden. Die Empfehlung dennoch bekommen, habe ich nur durch insistieren meiner Eltern, die bei den Lehrern auf eine Empfehlung bestanden haben und bei mir darauf bestanden haben, dass ich mich am Untericht beteilige und mir mehr Mühe bei den Klassenarbeiten gebe. Der Plan ging auf.
Im Rückblick habe ich auf dem Gymnasium sicherlich mehr Herausforderungen gehabt, was den Lernstoff angeht, aber entscheidend waren die Dinge, die neben dem Unterricht passierten: Theaterprojekte, Schülerzeitung, schulpolitische Aktivitäten und das soziale Miteinander und für mich war das durchaus ok, dass das getrennt voneinander stattgefunden hat, trockener Frontalunterricht auf der einen Seite und eben die Aktivitäten, die oft allein auf Schülerinitiative heraus entstanden sind, auf der anderen Seite. Vielleicht sind wir auch durch unsere veränderte Arbeitswelt so geprägt, dass keine Unterscheidung mehr stattfindet zwischen Freizeit und Arbeit, sondern alles soll Spass machen, ist aber auch gleichzeitig Arbeit.
In einem anderen Thread kam das Thema der Schulwahl auch auf und das hat mir zu denken gegeben: wähle ich Schule danach aus, WER dorthin geht und wie oft die Gymnasialempfehlung ausgesprochen wird? Klar, Privatschulen sind natürlich toll, da sie oftmals freier und engagierter umsetzen, was wir uns in unserer eigenen Schulzeit vielleicht gewünscht hätten. Aber wie gehe ich damit um, dass diese Schulen oftmals einen Kosmos für sich bilden und nicht abbilden, wie die Struktur der Gesellschaft ist? Und wie gehe ich mit dem Wissen um, dass sich eine solche Schule eben nicht jeder leisten kann und es aber für die Qualität von Schulen gut wäre, wenn sich privilegierte und Menschen "ohne Hintergrund" nicht von den "normalen, langweiligen" Schulen abwendenwürden?
Na ja, das kam mir so beim Lesen der Diskussion, unabhängig davon, ob Schule nun Spass machen sollte oder nicht (ich finde es nicht so wichtig, da ich glaube, dass Menschen dafür zu unterschiedlich sind. Einem Kind, das schon im Kindergartenalter Fussball spielen mehr Spass gemacht hat als Bücher anschauen, dem wird es wahrscheinlich in der Schule auch so gehen, aber dennoch kann es durch motivierende Lehrer sein, dass es einen inneren Gewinn zieht aus hinsetzen und lernen und Spass haben und Fussball spielen kann es dann in der Freizeit, genau wie das Bücherliebende Kind, Krimis lesen kann in der Freizeit). Schule könnte ja auch ein Ort sein, an dem mehr passiert als nur lernen. Ich weiss nicht, wie ich in zwei, drei Jahren denke, wenn meine dann soweit sind, vielleicht kommen sie ja dann auch auf eine Freie Privatschule, weil wir denken, eine staatliche normale Grundschule würde ihnen nicht gerecht werden. lg orangenminze
Rabaukenmama
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Rabaukenmama »

Wenn es schon einen allgemeinen Thread zum Thema Schule gibt werfe ich mal eine Frage auf: was haltet ihr von Ganztagsschulen? Das Thema wird im Moment (zumindest in Ö) heftig diskutiert und von einigen Politikern wird vehement gefordert, doch mehr Ganztagsschulen zu errichten.

Ich sehe die Sache mit gemischten Gefühlen. Sowohl Halbtags- als auch Ganztagsschulen haben ihre Vor- und Nachteile. Ein Vorteil von Ganztagsschulen ist mMn, dass es keine Hausübungen gibt und das Kind somit seine Freizeit weitgehend unbelastet verbringen kann. Die andere Aufteilung von Lern- und Erholungszeiten sehe ich weder positiv noch negativ. Zwar ist das Ganze vom Zeitschema her "lockerer", dafür ist auch in der Zeit am frühen Nachmittag, wenn die meisten Menschen (Kinder wie Erwachsene) eine natürliches Leistungstief haben, Unterricht.

Ein Nachteil der Ganztagsschulen ist mMn dass dadurch kaum Zeit für individuelle Interessen außerhalb der Schulzeit bleibt. Die meisten Angebote von Musikschulen, Sportvereinen oder Kreativmöglichkeiten gibt es am Nachmittag. Wenn die Kinder bis 16h in der Schule sind (und teilweise dann noch 1-2 Stunden "Spätbetreuung" haben), bleibt kaum Zeit übrig und ob die Motivation nach 8 oder mehr Schulstunden noch so groß ist, sich aus den wenigen Dingen, die zeitlich passend angeboten werden, noch was fix (also regelmäßig) dazuzunehmen, wage ich zu bezweifeln. Und abgsehen von ausdrücklichen Freizeitangeboten für Kinder haben auch z.B. Museen, Ausstellungen, Kletterhallen, Schwimmbäder usw. meistens Öffnungszeiten, dass sich wochentags kaum noch eine Unternehmung auszahlt.

Bei den Halbtagsschulen gibt es für berufstätige Eltern meistens noch die Möglichkeit einer "Hortbetreuung" wenn die Schule aus ist. Ebenfalls mit Mittagessen und mit Hausübung-machen am Nachmittag unter Aufsicht (und im besten Fall - wenn nötig - mit Unterstützung). Das, was mir daran nicht so gefällt ist, dass an den meisten Halbtagsschulen Hausübungen Usus sind.

Wenn man aber den Hort nicht täglich sondern nach Bedarf in Anspruch nehmen kann halte ich diese Variante für die bessere Lösung. Wenn ich z.B. in der Arbeit ein Teilzeitmodell habe, wo ich einen oder zwei Tage bzw. Nachmittage die Woche frei habe, kann ich diese Zeit gemeinsam mit meinem Kind verbringen und mich mit der Gestaltung dieser Tage nach seinen individuellen Interessen richten.

Gerade bei Kindern mit besonderen Bedürfnissen (für mich ich Hochbegabung auch eine Form davon) ist die individuelle Förderung z.B. von speziellen Interessen in der Schule oft gar nicht durchführbar bzw. wäre zwar machbar, wird aber nicht umgesetzt. Und selbst WENN man das Glück haben sollte, eine Schule zu finden, wo das anders ist, empfinde ich ein oder zwei Nachmittage gemeinsam mit meinem Kind als Gewinn für alle Beteiligten.

Wie seht ihr das? Was sind für Euch die Vor- und Nachteile von Halbtags- und Ganztagsschulen?
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Edainwen
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Re: Diskussionsthema Schule

Beitrag von Edainwen »

Rabaukenmama hat geschrieben:Wenn es schon einen allgemeinen Thread zum Thema Schule gibt werfe ich mal eine Frage auf: was haltet ihr von Ganztagsschulen? Das Thema wird im Moment (zumindest in Ö) heftig diskutiert und von einigen Politikern wird vehement gefordert, doch mehr Ganztagsschulen zu errichten.

Ich sehe die Sache mit gemischten Gefühlen. Sowohl Halbtags- als auch Ganztagsschulen haben ihre Vor- und Nachteile. Ein Vorteil von Ganztagsschulen ist mMn, dass es keine Hausübungen gibt und das Kind somit seine Freizeit weitgehend unbelastet verbringen kann. Die andere Aufteilung von Lern- und Erholungszeiten sehe ich weder positiv noch negativ. Zwar ist das Ganze vom Zeitschema her "lockerer", dafür ist auch in der Zeit am frühen Nachmittag, wenn die meisten Menschen (Kinder wie Erwachsene) eine natürliches Leistungstief haben, Unterricht.

Ein Nachteil der Ganztagsschulen ist mMn dass dadurch kaum Zeit für individuelle Interessen außerhalb der Schulzeit bleibt. Die meisten Angebote von Musikschulen, Sportvereinen oder Kreativmöglichkeiten gibt es am Nachmittag. Wenn die Kinder bis 16h in der Schule sind (und teilweise dann noch 1-2 Stunden "Spätbetreuung" haben), bleibt kaum Zeit übrig und ob die Motivation nach 8 oder mehr Schulstunden noch so groß ist, sich aus den wenigen Dingen, die zeitlich passend angeboten werden, noch was fix (also regelmäßig) dazuzunehmen, wage ich zu bezweifeln. Und abgsehen von ausdrücklichen Freizeitangeboten für Kinder haben auch z.B. Museen, Ausstellungen, Kletterhallen, Schwimmbäder usw. meistens Öffnungszeiten, dass sich wochentags kaum noch eine Unternehmung auszahlt.

Bei den Halbtagsschulen gibt es für berufstätige Eltern meistens noch die Möglichkeit einer "Hortbetreuung" wenn die Schule aus ist. Ebenfalls mit Mittagessen und mit Hausübung-machen am Nachmittag unter Aufsicht (und im besten Fall - wenn nötig - mit Unterstützung). Das, was mir daran nicht so gefällt ist, dass an den meisten Halbtagsschulen Hausübungen Usus sind.

Wenn man aber den Hort nicht täglich sondern nach Bedarf in Anspruch nehmen kann halte ich diese Variante für die bessere Lösung. Wenn ich z.B. in der Arbeit ein Teilzeitmodell habe, wo ich einen oder zwei Tage bzw. Nachmittage die Woche frei habe, kann ich diese Zeit gemeinsam mit meinem Kind verbringen und mich mit der Gestaltung dieser Tage nach seinen individuellen Interessen richten.

Gerade bei Kindern mit besonderen Bedürfnissen (für mich ich Hochbegabung auch eine Form davon) ist die individuelle Förderung z.B. von speziellen Interessen in der Schule oft gar nicht durchführbar bzw. wäre zwar machbar, wird aber nicht umgesetzt. Und selbst WENN man das Glück haben sollte, eine Schule zu finden, wo das anders ist, empfinde ich ein oder zwei Nachmittage gemeinsam mit meinem Kind als Gewinn für alle Beteiligten.

Wie seht ihr das? Was sind für Euch die Vor- und Nachteile von Halbtags- und Ganztagsschulen?
Ich kann Dein posting zu 100% unterschreiben. - Das Thema Ganztagesschulen wurde aber schon zu meiner Schulzeit diskutiert und ich habe immer gesagt: Wenn es eine Ganztagesschule wird, dann gehe ich gar nicht mehr zur Schule. Dabei bin ich eigentlich ganz gerne zur Schule gegangen. Aber dann hätte ich keine Zeit mehr gehabt, meine Freundinnen, die nciht auf diese Schule gingen, zu sehen, keine Zeit mehr, meinen eigenen Interessen ohne den festen Schulrahmen nachzugehen. Also für mich als Kind ein no-go, insofern würde ich auch meinen Kindern eine Ganztagesschule nur auf eigenen Wunsch oder dann, wenn es unbedingt sein müsste, zumuten.
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