Ach, schön, dass das jemand kennt. Ich habe mich bisher nie getraut, mit jemandem darüber zu reden, weil es immer irgendwie überheblich klingt. Keiner verstand mich bisher. Irgendwie habe ich mich bisher immer und überall verstellen müssen. Ich habe sogar manchmal extra Fehler gemacht oder falsch gesprochen, damit man denkt, "ach, die macht auch Fehler". Aber dann zogen die Leute extra stark drüber her, als wenn sie sich freuen, bei mir etwas zum Kritisieren gefunden zu haben. Seufz. Wie mans macht...Erst jetzt durch meine Tochter, als ich merkte, dass es mit ihr ähnlich ist, habe ich das Selbstvertrauen und mehr Selbstbewusstsein bekommen, zu sagen, wir sind halt so und fertig. Kommt damit klar oder nicht, aber wir werden uns nicht dauernd nach anderen richten! Ich möchte nicht mehr als "komisch" oder "unnormal" betrachtet werden und möchte für Marlene, dass sie gleich das Selbstbewusstsein hat, dass mir fehlte. Dauernd meinen alle Leute, vor allem Schwiegerfamilien, in der Erziehung besser zu wissen, was für mein Kind gut ist und ich muss mich ständig rechtfertigen. Ich mache alles mögliche falsch und mein Kind und ich sind "nicht normal", wird hinter unserem Rücken herumerzählt. Dabei denke ich mir immer, was wollt ihr überhaupt, ich habe u.a. Pädagogik (und auch Psychologie) studiert und kenne mein Kind besser als alle anderen. Am Anfang hatte ich immer die Hoffnung und den Ehrgeiz, man würde uns verstehen und zu einer Einsicht gelangen und habe erklärt und erklärt. Aber es nutzt nichts. Die gehen mit Marlene um, wie sie es von ihren Kindern kennen und wie es "gehört" und nicht, wie es für Marlene richtig wäre. Marlene will folglich nicht zu viel zu denen und ich bin wieder Schuld.
@ Ailibaba:
Die meisten Lehrer sehen Kinder entweder als nervende Störer oder als gute Schüler, die angenehm sind. Wer schneller fertig ist, als andere soll halt noch ein Bild malen. Die schlechteren bekommen sogar Einzelförderung und und und. Und die begabteren? Sowas gäbe es bei mir nicht! Die bekommen Futter.
Ich meine von mir behaupten zu können, Kinder unbefangener sehen zu können, und vor allem erstmal als Kind, dass keinem etwas böses will, keinen ärgern will oder absichtlich stört. Ich frage mich immer gleich, was dahinter steckt. Und möchte gerne jedem Kind alles erklären, bis es das weiß und kann. Das ist aber auch manchmal mein Problem, weil ich mich in über 20 Einzelschicksale hineinversetzten und allen helfen will. Das kann man nicht und da muss ich noch einen gesunden Mittelweg finden. Bin ja erst am Anfang meiner Laufbahn
@ keshali:
Ja, das mit dem Dialekt mache ich auch, vor allem, wenn wir nachhause fahren und ich alte Schulfreundinnen treffe. Mit denen komme ich auch nur aus, wenn wir uns nicht tiefergehenden Gesprächsthemen widmen, sondern beim Wetter und dem üblichen Tratsch bleiben. Das belastet mich schon mein ganzes Leben. Einmal saß ich bei meiner Freundin am Geburtstag am Tisch und man fragte uns, was wir so beruflich machen. Man hatte sich den ganzen Abend nett unterhalten bis dahin. Gleich meinten alle: Oh studierte, da gehören wir nicht dazu, dann gehen wir wieder." Dabei erwartete man wohl, dass wir gehen, denn wir waren die einzigen in der Runde. Sowas Blödes!
@ Heike:
Meine Eltern haben bei Marlene auch ziemlich schnell bemerkt, dass sie besonders weit ist, oder evtl. begabt. Meine Mutter erzählte mir gerade kürzlich, dass mein Bruder zwar nicht hb getestet wurde, aber auch sehr weit für sein alter und sehr schwierig war und große Probleme mit anderen Kindern hatte. Ich bin jünger und habe das sehr mitbekommen, doch das Thema hb wurde bei uns nie angesprochen oder thematisiert. Wir waren halt so. Durch die Probleme mit meinem Bruder waren sie bei mir noch vorsichtiger. Ich habe immer gewusst, dass ich anders bin und mit den anderen Kindern Probleme habe, was vor allem auf dem Gymnasium losging, aber was es war, wusste ich nie. Auch als der Test gemacht wurde, stand die Zahl im Raum und das wars. Was das bedeutete wusste ich eigentlich auch nicht. Also, so ganz im Ungewissen gelassen zu werden und damit quasi alleine gelassen werden mit seiner "Andersartigkeit" ist auch nicht schön.
Mein Mann zeigt nun sehr großes Verständnis und versucht auch, Marlene zu fördern, wo sie es braucht. Bei meinen Eltern bin ich mir aber auch sicher, dass sie es sein werden. Meine Schwiegereltern jedoch wissen sicher nicht mal, was das ist. Meine Nichte ist 1,5 Jahre älter als Marlene und die beiden lesen dieselben Bücher und machen dieselben Puzzles....Das ignorieren sie und schenken uns Bilderbücher

Naja, denn nicht sein kann, was nicht sein darf.
