Waldorfschule

Probleme und Lösungen für den Schulalltag
Momo
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Re: Waldorfschule

Beitrag von Momo »

Hallo Koschka,,
wer spricht denn von nicht fordern und fördern? Natürlich wird gefordert und gefördert, doch auf einer anderen Ebene und möglichst spielerisch und ohne Druck. Es mag Kinder geben, die geistig viel früher entwickelt sind und die auch entsprechendes Futter brauchen. Auf diese Kinder muss natürlich besonders eingegangen werden. Doch dies hängt sowohl auf der Waldorfschule als auch einer Regelschule fast ausschließlich von der Kompetenz des jeweiligen Lehrers ab, denke ich.

Meine Tochter interessiert sich neben vielen anderen Dingen auch seit langer Zeit für Zahlen und Buchstaben, schreibt nach Gehör, beginnt zu lesen etc. Doch sie hat auch sehr viele andere Interessen und Fähigkeiten, die sie im Moment viel mehr beschäftigen und fordern (z.B. wird sie jetzt durch einen Zufall mit Klavierunterricht beginnen. Ich bin sehr gespannt!). Sie wird ab Herbst in den Waldorfkindergarten gehen (nachdem sie die ersten vier Jahre ihres Lebens bei uns zu Hause verbracht hat)- ich werde berichten, wie es ihr dort gefällt ;)

LG Momo
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." Mark Aurel (121-180)
charlotte2
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Re: Waldorfschule

Beitrag von charlotte2 »

@ Momo: Ich finde es ziemlich schwierig, vorher einen Eindruck von der Schule zu bekommen. Wir waren beim Tag der offenen Tür, aber das hat mit dem Alltag natürlich nichts zu tun. Ich habe mit Eltern geredet, deren Kinder dort zur Schule gehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man dort in den Unterricht sitzen darf - zumindest im Kindergarten waren Schnuppertage nicht erlaubt. Aber eine Frage wäre es wert, bzw. vielleicht ist es machbar, dass ich einen Lehrer dort interviewe, wie die Einstellung zu Frühlesern ist. Und zu Linkshändern. Wie war das in Deiner Schulzeit, ließ man da den Kindern die freie Wahl, ob sie mit links oder rechts schreiben wollten? Sehr gut an der Waldorfpädagogik finde ich, dass die Selbstsicherheit und die allgemeine Entwicklung unterstützt werden, zumindest hoffe ich, dass das so ist.

@ Koschka: Dann hattest Du sehr negative Erfahrungen mit dem Waldorfkindergarten und keine Erfahrung mit der Waldorfschule, hab ich das richtig verstanden? Ich habe im Waldorfkindergarten bisher auch den Eindruck, dass sich mein Kind "versteckt" - genau dasselbe wie in einem Thread von Dir: im Entwicklungsgespräch wurde uns erzählt, sie könne Dinge nicht, die sie daheim schon seit Ewigkeiten kann. Wobei ich nicht weiß, ob das in einem anderen Kindergarten anders wäre. Zur Zeit geht sie wieder relativ gerne hin.
Momo
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Re: Waldorfschule

Beitrag von Momo »

Hallo Charlotte2,
ob Du im Unterricht zuschauen kannst, das weiß ich nicht (es würde natürlich viel Unruhe bringen, wenn dies regelmäßig Eltern machen würden, die noch dazu für die Schüler fremd sind). Aber mit Eltern und Lehrern sprechen, die Kinder dort beobachten, mit den Kindern sprechen, so würde ich es machen.
Zum Thema Linkshändigkeit bist Du bei mir an der richtigen Adresse, da ich selbst Linkshänderin bin und meine Tochter ebenfalls eindeutig Linkshänderin ist.
In meiner Schulzeit war es so, dass die Linkshänder einen Stein- Handschmeichler in die linke Hand nehmen durften, wenn sie wollten und dann das Schreiben mit der rechten Hand lernen konnten. Einige Kinder nahmen es an, einige nicht, dass war dann auch kein Problem. Ich habe mir dadurch angewöhnt, mit Rechts zu schreiben, mache aber alles andere mit Links. Ich benutze auch das linke Auge (beim Fotografieren) und den linken Fuß (beim Fußballspielen). Aus heutiger Sicht sehe ich es auch kritisch, ob dies so richtig war. Gerade weil meine Tochter auch Linkshänderin ist, habe ich viel zu diesem Thema gelesen. Ich habe zwar überhaupt keine Probleme dadurch, trainiere vielleicht so eher beide Gehirnhälften, doch heute ist der Ansatz ja, die Linkshänder auf keinen Fall umzugewöhnen. Ich gehe mal davon aus, dass es heute auch in den Waldorfschulen anders gehandhabt wird. Das würde ich einfach mal fragen, ich werde es auch wissen wollen.

Für die Waldorfpädagogik braucht man wirklich etwas Vertrauen und Offenheit, wenn man völlig anders geprägt wurde, wovon ich bei Dir liebe Koschka mit einer Kindheit in Russland (das erinnere ich doch richtig, oder?) stark ausgehe, kommt einem dieses Konzept sicher sehr fremd und eigenartig vor. Ich kann es verstehen und es ist ja toll, dass sich Deine Kinder in Euer Schule wohl fühlen und prima entwickeln, darauf kommt es an!

Liebe Grüße von Momo
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Rabaukenmama
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Re: Waldorfschule

Beitrag von Rabaukenmama »

Sine hat geschrieben:Danke für eure Erfahrungsberichte. Finde ich interessant und auch erschreckend.

Als ich neulich zu meinem Mann sagte, daß Steiner diese 7-Jahres-Zyklen festgesetzt hat, meinte er, daß die aktuelle Entwicklung ja mittleiweile ganz anders läuft. D.h. schneller. Wenn ich einst mit 12 mit Puppen gespielt habe, intererssiert das wohl die meisten heute nicht mehr. Oder auch wenn man schaut, wie schnell die Kinder selbstständig werden, was sie im Kindergartenalter alles schon drauf haben. Ist das alles eine Frage der Erziehung, die heute anders ist? Einfluss von Medien und so weiter? Oder täuscht es nur, und war nie anders? Laufen bestimmte Dinge tatsächlich schneller ab? Dann wäre es ja dringend nötig, dieses Denken von Steiner zu aktualisieren - d.h. der heutigen Zeit anzupassen. Mal davon abgesehen, daß dem Kind ja wirklich so einiges abgesprochen wird, wenn man ihm nicht zutraut denken zu können, und es alles auswendig lernen muß.
Bei den alten Römern gab es den Spruch "gesunder Geist in gesundem Körper" der darauf hinweisen sollte, dass ein einseitiger Fokus auf menschliche Fähigkeiten noch keinen kompletten Menschen ausmacht. Statt NUR körperlicher Ertüchtigung oder NUR geistiger Forderung wird aufgerufen, weder das eine noch das andere zu vernachlässigen. So ähnlich sehe ich es auch mit emotionaler und intellektueller Entwicklung bei Kindern.

Während sich mMn auf emotionaler Ebene gegenüber "früher" (sei es jetzt vor 25, 100 oder 1000 Jahren) kaum etwas verändert hat, ist in der heutigen Informationsgesellschaft Wissen in alle Richtungen allgegenwärtig. Das menschliche Gehirn ist plastisch genug um viele Wissens-Informationen zu speichern und zu verarbeiten - und das oft schon in sehr jungen Jahren. Da ist der Waldorf-Grundgedanke mMn hilfreich, um nicht NUR dieses Wissen und das "sammeln" von Informationen jeglicher Art als Ziel in der Kindererziehung zu sehen.

Denn auch mit noch so vielen Informationen von Eltern, Geschwistern, Erziehern, aus Büchern, Filmen oder dem Internet ist es einfach ein Prozess, zu lernen, andere Menschen (egal welchen Alters) zu akzeptieren und auf deren Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen. Das Feingefühl, wann man etwas dennoch durchsetzen "darf" und in welcher Art das dann geschieht, muss nach wie vor durch Versuch und Irrtum erlernt werden. In der Generation unserer Eltern und Großeltern wurden vor allem die Mädchen zu Rücksicht um jeden Preis (Selbstaufgabe inklusive") erzogen.

Aber wo sind die Grenzen der Rücksicht? Muss ein 4jähriges Kind tatsächlich in der Straßenbahn aufstehen um einem alten Mann Platz zu machen? Oder sollten da nicht die 10-40jährigen anderen Passagiere aufstehen? Was macht die daneben stehende Mutter wenn der alte Mann oder sonst wer vom Kind den Sitzplatz einfordert? Ein Kind von selbstsicheren Eltern hat die Möglichkeit, den Umgang mit solchen Situationen durch Nachahmung zu lernen - aber auch das braucht seine Zeit und es ist immer auch von der Persönlichkeit des Kindes abhängig, wie es tatsächlich reagieren wird, wenn es später mal allein in so eine Situation kommt.

Grenzen-erkennen ist ein Lernprozess. Wo ist es richtig und sinnvoll, sich zu behaupten, und wo gibt man sich damit der Lächerlichkeit preis? Wo darf, kann oder muss ich mich auch für andere einsetzen? Bei mir wurde so eine Wertevermittlung in der Schulzeit leider zu Gunsten des gängigen, vermittelten Weges "du musst immer brav, nett und unauffällig sein" sträflich vernachlässigt. Im Elternhaus war das nie wirklich ein Thema. All das musste ich mir erst als Erwachsene mühsam und teils schmerzlich aneignen.

Die Frage ist nur: ist es in einer Waldorfschule WIRKLICH generell besser? Mir kommt vor, hier ist nur ein gängiges Dogma mit einem anderen vertauscht worden.

Rudolf Steiner selbst ist für mich aus bereits genannten Gründen kein Vorbild. Er wurde mir aber auch nicht jahre- oder jahrzehntelang als großartiger Reformer der Erziehung und Wohltäter der Menschheit präsentiert, so dass ich mir zu seiner Persönlichkeit und seinem Weltbild auch eine durchaus kritische Meinung erlauben darf.
Der liebe Gott schenkt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht (Johann Wolfgang von Goethe)
Momo
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Re: Waldorfschule

Beitrag von Momo »

Rabaukenmama hat geschrieben:
Bei den alten Römern gab es den Spruch "gesunder Geist in gesundem Körper" der darauf hinweisen sollte, dass ein einseitiger Fokus auf menschliche Fähigkeiten noch keinen kompletten Menschen ausmacht. Statt NUR körperlicher Ertüchtigung oder NUR geistiger Forderung wird aufgerufen, weder das eine noch das andere zu vernachlässigen. So ähnlich sehe ich es auch mit emotionaler und intellektueller Entwicklung bei Kindern.
Das ist lustig, genau dieser Spruch geistert mir seit gestern auch im Kopf herum. Wir waren gestern auf einem Open Air Konzert in einem Park, meine Tochter war trotz der wahnwitzigen Temperaturen nur am Flitzen. Sie hat sowohl ihren Papa platt gemacht und auch unseren Bekannten, der anschließend mit ihr Fußball spielte. Die zwei Männer saßen schnaufend und schwitzend auf der Picknickdecke, während unser kleiner Wirbelwind immer noch sauste.
Als ich mir sie und auch die anderen fröhlichen Kinder so ansah, wurde mir die Wichtigkeit der Bewegung und der motorischen Fähigkeiten, die in diesem Alter so intensiv ausgebildet werden (sollten) richtig bewusst. Geistige Fragen und Fähigkeiten entstehen jetzt natürlich auch, doch die Power, dieser Bewegungsdrang, dass ist doch wirklich unglaublich! Ich habe das Gefühl, vielen Eltern ist die Wichtigkeit dieser Fähigkeiten gar nicht bewusst. Da wird eher auf die kognitiven Fähigkeiten geschaut, ob das Kind rennen, klettern und fröhlich auf andere Kinder zugeht und mit ihnen spielt, dass hat kein so großes Gewicht. Ich habe jedenfalls noch nirgendwo die Frage gelesen, wie in dem Unterricht auf den großen Bewegungsdrang von Erst-,Zweit-, oder Drittklässlern eingegangen wird. Warum interessiert dies eigentlich keinen? Oder wie mit den vielen neugierigen Fragen der Kinder umgegangen wird? Oder damit, wenn Kinder sich einfach von anderen Kindern unterscheiden, in welcher Form auch immer? Einer meiner Lehrer hat mal gesagt, ein Unterricht ist dann gelungen, wenn die kleinen Schüler vor Begeisterung auf den Tischen stehen. Tja, dann sind ADHS und Ritalin kein Thema, ruhig werden die Kinder dann von ganz alleine und ganz natürlich...

Wenn ein Kind sich viel körperlich ausprobieren darf und der Schwerpunkt nicht nur auf der Förderung der kognitiven Fähigkeiten liegt, dann entsteht meiner Meinung nach ein gesundes Gleichgewicht, welches glückliche Menschen hervorbringt.
Rabaukenmama:
Rudolf Steiner selbst ist für mich aus bereits genannten Gründen kein Vorbild. Er wurde mir aber auch nicht jahre- oder jahrzehntelang als großartiger Reformer der Erziehung und Wohltäter der Menschheit präsentiert, so dass ich mir zu seiner Persönlichkeit und seinem Weltbild auch eine durchaus kritische Meinung erlauben darf.
Jeder sollte sich natürlich ein kritisches Bild machen dürfen. Ich bin mit Rudolf Steiners Ideen und Ansätzen im Grunde als Schülerin nur indirekt in Kontakt gekommen. Es hing zwar ein Bild von ihm in unserer Schule, doch er wurde uns nicht als großer Wohltäter präsentiert, überhaupt nicht. Was mich prägte war der Unterricht, der von seinen Ideen inspiriert war. Und dieser Unterricht hat mir größtenteils sehr gut getan.
Koschka hat geschrieben:
Die Wahrscheinlichkeit an einer Walddorfschule einen Leher zu finden, der mit einem hochbegabten Kind umgehen kann, ist m.E. noch kleiner als in der normalen Grundschule.
Warum sollte dies so sein, wenn es in der Waldorfpädagogik um die Entwicklung der individuellen Persönlichkeiten und Talente der Kinder ankommt? Das wäre meiner Meinung nach unlogisch.

LG Momo
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Rabaukenmama
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Re: Waldorfschule

Beitrag von Rabaukenmama »

Momo hat geschrieben:[ Ich habe jedenfalls noch nirgendwo die Frage gelesen, wie in dem Unterricht auf den großen Bewegungsdrang von Erst-,Zweit-, oder Drittklässlern eingegangen wird. Warum interessiert dies eigentlich keinen? Oder wie mit den vielen neugierigen Fragen der Kinder umgegangen wird? Oder damit, wenn Kinder sich einfach von anderen Kindern unterscheiden, in welcher Form auch immer? Einer meiner Lehrer hat mal gesagt, ein Unterricht ist dann gelungen, wenn die kleinen Schüler vor Begeisterung auf den Tischen stehen. Tja, dann sind ADHS und Ritalin kein Thema, ruhig werden die Kinder dann von ganz alleine und ganz natürlich...
Tja, Eltern, die ihr Kind beobachten und gut kennen sind gewohnt zu kompensieren. Wenn der Schwerpunkt der Schule auf Bewegung liegen sollte, das Kind aber intellektuellen Input will, werden Eltern dem Kind diesen Input außerhalb der Schule ermöglichen. Ebenso werden Eltern ihrem Kind, welches in der Schule hauptsächlich intellektuell gefordert wird, dem Kind außerhalb der Schule ermöglichen, seinen Bewegungsdrang auszuleben.

Was ADHS und Ritalin betrifft wirfst Du jetzt mMn ziemlich viel durcheinander in einen Topf. Zappelige Kinder gab es schon immer, es ist eine Zeiterscheinung dass zappelig-sein jetzt häufiger als Krankheitsbild gesehen wird als früher. Aber längst nicht alle Eltern, bei deren Kindern ADHS diagnostiziert wurde, geben Medikamente wie Ritalin. Ich habe ein einziges Mal in meinem Leben ein Kind gesehen, von dem auch ich überzeugt war, dass es "hyperaktiv" ist, das war ein ca. 4jähriger Bub beim Eltern-Kind-Treffen. Seitdem bin ich sehr zurückhaltend, wenn andere laut tönen, dass es diese Krankheit gar nicht gibt oder dass sie nicht auftritt, wenn Eltern (oder auch Lehrer) alles "richtig" machen.

Deine Begeisterung für Deine ehemalige Schule in allen Ehren - aber mir kommt vor da wurde ein bißchen zu viel "euch geht es ja soooo gut, in den Regelschulen dagegen machen die Lehrer Druck und der Unterricht ist aufgezwunden und langweilig..." vermittelt.

Ich (JG 1971) habe eine Volksschule besucht, wo kein Linkshänder rechts schreiben musste. Mit unserer Klassenlehrerin waren wir alle per-du und der Unterricht war ausgesprochen spannend und motivierend. Wir haben mit der Schule oft Waldausflüge gemacht und viel gebastelt. Trotzdem wurde der Lehrplan auch im Sinne der Wissensvermittlung erfüllt. Schwächere Schüler wurden motiviert oder neben bessere gesetzt, so dass sie von denen lernen konnten. Ich kann mich an kein einziges Kind meiner Klasse erinnern, das NICHT gerne in die Schule gegangen wäre.

Auch in der Hauptschulzeit gab es einige Lehrer, die allein von ihrer Persönlichkeit her von allen Schülern respektiert wurden und die den Unterricht spannend und motivierend gestaltet haben. Natürlich waren auch einige Fundamentalisten dabei (es war eine sehr konservative Schule unter der Leitung einer Klosterschwester). Aber so richtige demotivierte Ekelpaket-Lehrer habe ich erst bei meinem (kurzen) Besuch einer höheren Schule kennengelernt. In der Berufsschule war das übrigens am schlimmsten, da gab es keinen einzigen Lehrer, der auch nur noch einen Hauch Idealismus hatte - eigentlich sehr schade!

Mir kommt vor, dass das Bild, was du von einer ganz normalen Regelschule im Kopf hast, ein ganz anderes ist als das, was ich erlebt habe. Und ich bin durchaus kritisch und weiß auch einiges aufzuzählen, was man hätte besser machen können.
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Re: Waldorfschule

Beitrag von Momo »

Rabaukenmama hat geschrieben:
Mir kommt vor, dass das Bild, was du von einer ganz normalen Regelschule im Kopf hast, ein ganz anderes ist als das, was ich erlebt habe. Und ich bin durchaus kritisch und weiß auch einiges aufzuzählen, was man hätte besser machen können.
Hey, es geht für mich darum, dass hier ein sehr vorurteilbehaftetes Bild der Waldorfschule vermittelt wird und ich versuche, die ganze Situation aus einer anderen Perspektive zu beleuchten, die auf meinen Erfahrungen als ehemalige Waldorfschülerin beruht. Ich möchte die Regelschulen nicht verurteilen, doch ich beobachte auch einen zunehmenden Leistungsdruck auf die Kinder und die meiner Meinung nach daraus resultierenden Folgen. Alle Schulen können wahrscheinlich von einander lernen.

Rabaukenmama, übrigens meine ich mich zu erinnern, dass Du die Schulzeit nicht als besonders inspirierend empfunden hast, auf viel Unverständnis gestoßen bist und sicherlich nicht entsprechend gefördert und gefordert worden bist. Daher verwirren mich Deine Äußerungen etwas und die Tatsache, dass Du zwar alternative Schulformen sehr kritisch siehst, das allgemeine System der Regelschulen jedoch zu unterstützen scheinst. Komisch.
Rabaukenmama hat geschrieben:
Deine Begeisterung für Deine ehemalige Schule in allen Ehren - aber mir kommt vor da wurde ein bißchen zu viel "euch geht es ja soooo gut, in den Regelschulen dagegen machen die Lehrer Druck und der Unterricht ist aufgezwunden und langweilig..." vermittelt.
In meiner Schule wurde mir kein negatives Bild der Regelschulen vermittelt, die klassischen Probleme des Leistungsdrucks konnte und kann ich selbst bei meinen Freundinnen oder im Familienkreis beobachten. Ein Druck, bei dem selbst ein hochbegabtes Kinder zu einem Underachiever entwickeln kann. Das Forum ist übrigens voll von diesen Berichten.

Das ganzheitliche Konzept der Waldorfschule scheint leider vielen fremd zu sein und so entstehen Vorurteile schneller, als dass sich die Menschen bereit sind, ein eigenes Bild zu machen. Schade.
Doch dieses Verhalten ist wahrscheinlich menschlich. Ich habe seit meiner Einschulung mit Vorurteilen zu tun. Sogar meine Freundinnen konnten es z.B. überhaupt nicht verstehen, warum wir bis zu Oberstufe keine Zensuren hatten. Heute wird diese Art der schriftlichen Beurteilung immer mehr auch in den Regelschulen übernommen.
Koschka hat geschrieben:
In meiner Vorstellung scheidet die Walddorfpädagogik alles was zu schnell nach oben wächst konsequent ab. Im besten Fall wird die schnelle kognitive Entwicklung ignoriert. Man braucht eine ganz andere Ebene um kognitiv begabte Kinder richtig herauszufordern. Es reicht nicht ihnen Kunst statt Mathe vorzuschlagen. Wenn sie erst mit 7 einschulen und noch langsamer als die normale 1. Klasse vorangehen, wie soll es dann gehen?
Hier haben wir wieder ein wunderbar klassisches Vorurteil. Schaut Euch doch die Waldorfschüler wirklich richtig an, machen sie auf Euch den Eindruck, als wären ihre Talente nicht entfaltet, als würden sie nicht ausreichend gefordert werden und würden sich gähnend langweilen? Wie schon geschrieben, in meiner Klasse waren viele sehr talentierte Schüler, im Unterricht wurde durch die bunte Mischung viel erarbeitet, jeder fand seine persönlichen Herausforderungen.
Ganz abgesehen davon werden die Schüler heute ganz normal, also im demselben Alter wie in den Regelschulen, eingeschult.

Es gibt auch diese Wege der Wissensvermittlung, ganzheitliche Wege, bei denen sich auch talentierte Kinder nicht langweilen. Das kann sich vielleicht nicht jeder vorstellen, aber es funktioniert.

Momo
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Re: Waldorfschule

Beitrag von Edainwen »

Momo hat geschrieben:
Eure Einwände mit dem Auswendiglernen kann ich nicht ganz nachvollziehen. Ja, wir haben viele Gedichte und Lieder gelernt und diese auswendig gesprochen, oder wir haben lange Zeit ohne einen Taschenrechner gerechnet um das Kopfrechnen zu schulen. Doch was meint Ihr ansonsten mit auswendig lernen?
Ich hatte es weiter oben am Beispiel zweier mir bekannter Kinder erwähnt: Mathematik muss man verstehen, nicht auswendig lernen. Wenn man es verstanden hat, ergibt es sich durch Übung von selbst, dass man einiges (z.B. das 1x1) mit der Zeit auswendig kennt.

Ansonsten beruhen meine negativen Erfahrungen nicht vom Hörensagen, sondern ich war am Waldorflehrerseminar. Und wenn diese zukünftigen Lehrer ihre Einstellung und Steiners Pädagogik so beibehalten, wie sie ihnen gelehrt wird, dann möchte ich mein Kind nicht an einer solchen Schule wissen. - Bis zu diesem Lehrerseminar hatte ich übrigens viele Vorurteile zur Waldorfschule: alle positiv! Nur deshalb wollte ich dort Lehrer werden.

Ich wünsche Deiner Tochter viel Glück an der Waldorfschule!
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Re: Waldorfschule

Beitrag von Momo »

Edainwen hat geschrieben:
Ich hatte es weiter oben am Beispiel zweier mir bekannter Kinder erwähnt: Mathematik muss man verstehen, nicht auswendig lernen. Wenn man es verstanden hat, ergibt es sich durch Übung von selbst, dass man einiges (z.B. das 1x1) mit der Zeit auswendig kennt.
Genau, das sehe ich auch so, Mathematik muss man verstehen. Leider verstehe ich Dein Beispiel immer noch nicht. Meinst Du, dass die Waldorfschüler alle Additionsaufgaben auswendig lernen müssen? Wir haben in der ersten Klasse mit Kastanien gerechnet, damit wir uns die Mengenverhältnisse besser vorstellen können. Ziemlich schnell haben wir dann begonnen, schriftlich Addieren, Subtrahieren und Dividieren zu lernen. Hier war ich meinen Freundinnen, die die Regelschule besuchten, immer voraus, so viel kann ich erinnern. Für das Rechnen haben wir lange unseren Kopf benutzt, erst spät, ich glaube erst in der Oberstufe, nahmen wir einen Taschenrechner zu Hilfe. Was hat das jetzt mit Auswendiglernen zu tun? Das verstehe ich nicht.
Der Vorwurf, dass das eigenständige Denken nicht verlangt oder gefordert wird, kann ich absolut nicht bestätigen. Ganz im Gegenteil, in allen Bereichen haben wir gelernt, selbst zu denken!

Schade, dass Du beim Waldorflehrerseminar so schlechte Erfahrungen gemacht hast.

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Re: Waldorfschule

Beitrag von Edainwen »

Ja, die beiden Kinder hatten - bei demselben Lehrer (, die anderen beiden Kinder der Familie, die einen anderen Lehrer hatten, konnten rechnen) - wirklich alle Additionsaufgaben etc. auswendig gelernt. Da hatte der Lehrer die Steiner'sche Pädagogik wohl zu erst genommen :schwitz:
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